Kommentar: Bierhoff-Ablösung beim DFB war längst überfällig
Nach dem WM-Debakel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Katar haben sich die Wege des DFB und Geschäftsführer Oliver Bierhoff getrennt. Ein längst überfälliger Schritt, wie Nationalmannschafts-Reporter Martin Roschitz in seinem Kommentar meint.
Oliver Bierhoff hat sich um den deutschen Fußball verdient gemacht - mit dem richtigen Instinkt. 1996 hat er die Nationalelf mit seinem "Golden goal" zum EM-Titel geschossen. Nur zwei Jahre nach seiner Spielerkarriere heuerte er gemeinsam mit Jürgen Klinsmann beim DFB an und drehte den darniederliegenden deutschen Fußball auf links.
Am WM-Titel zehn Jahre später hat Bierhoff mit dem legendären Campo Bahia großen Anteil, weil er seine Idee des abgelegenen Urwald-Quartiers an der brasilianischen Atlantikküste gegen alle Widerstände durchsetzte. Eine Million Menschen feierten die Weltmeister in Berlin. Die Nationalmannschaft auf dem Gipfel ihrer Popularität.
Im Dezember 2022 stehen viele Fußball-Fans der Nationalmannschaft gleichgültig gegenüber. Die Menschen verbinden den Namen Oliver Bierhoff mit dem frühen Scheitern bei den Turnieren seit 2018, mit der zu späten Trennung von Jogi Löw und der Entfremdung der Mannschaft von der Basis. Bierhoff hatte schon lange das Gespür verloren, wie in Kneipen, Büros und Amateur-Kabinen über Fußball gesprochen wird. Sein Marketingslogan "Die Mannschaft" stand sinnbildlich für die künstliche, protzige Fußball-Welt, in die Bierhoff das Nationalteam manövriert hat.
Am Ende waren auch die sportlichen Widersprüche nicht aufzulösen. Zwischen den Aussagen "Wir wollen zurück in die Weltspitze" und "Wir wollen Weltmeister werden!" lagen nur wenige Monate.
Verband braucht ein Sommermärchen 2.0
Bierhoffs Ablösung nach 18 Jahren beim DFB war längst überfällig. Bis zur Heim-EM bleiben nur 18 Monate. Der finanziell angeschlagene Verband braucht ein Sommermärchen 2.0, um die Fans zurückzugewinnen. Und auch die Profivereine fürchten, dass die Anti-Stimmung rund um den DFB auf den Ligabetrieb abfärbt.
Es braucht einen neuen Impuls, aber keinen kompletten Umbruch. Dafür ist die Zeit zu knapp. Bundestrainer Hansi Flick könnte ein starker Sportdirektor an die Seite gestellt werden. Matthias Sammer wäre ein Kandidat. Einer, der die DFB-Wohlfühloase entrümpelt und den Fußball wieder in den Mittelpunkt rückt.