"Mega geiler Fußballtag": HSV-Frauen hoffen auf Schub nach Pokal-Spektakel
Den Traum vom Pokalfinale mussten die Zweitliga-Fußballerinnen des HSV nach dem Aus gegen Werder Bremen begraben. Die Hamburgerinnen haben aber noch das große Ziel Bundesliga-Aufstieg und viel Arbeit vor sich - auf und neben dem Platz. Vor allem die Stadionfrage beschäftigt den Club.
Da wusste selbst Dino Herrmann nicht mehr weiter. Das Maskottchen des HSV sackte kurz nach dem Abpfiff am Pfosten des Tores vor der Nordtribüne zusammen und verharrte dort mit gesenktem Kopf. Lange konnte die Stimmungskanone dort aber nicht sitzen bleiben. Denn viele tausend Fans - kaum jemand hatte den Stehplatzbereich im Stadion verlassen - feierten die HSV-Fußballerinnen für ihren aufopferungsvollen Kampf in 120 Minuten gegen den Bundesligisten. 1:3-Niederlage hin oder her. Und der Dino musste schnell wieder Platz machen für die Protagonistinnen.
"Wir müssen nicht groß enttäuscht sein. Wir waren der Underdog und hatten bis kurz vor dem Ende die Chance weiterzukommen. Ich bin stolz darauf, wie sich die Mädels verkauft haben." HSV-Ikone Horst Hrubesch
Gut 30 Minuten hatten zuvor zwischen der "absoluten Explosion der Emotionen" bei Kapitänin Sarah Stöckmann, die den HSV in der letzten Minute noch in die Verlängerung geköpft hatte, und bitteren Tränen bei ihr und ihren Mitspielerinnen gelegen. "Wir waren so nah dran", sagte Christin Meyer, der anzusehen war, das zunächst einmal Leere in ihr herrschte.
HSV verliert beim "Fußballfest für ganz Deutschland"
Die Rekordkulisse von 57.000 Zuschauenden bei diesem Pokal-Nordderby im Halbfinale hatte das klassentiefere Heimteam zunächst tatsächlich beflügelt. "Das war heute wie bei einem Männerspiel - und ein mega geiler Fußballtag", sagte Koordinatorin Saskia Breuer. Und Stöckmann betonte: "Das Erlebnis werden wir so schnell nicht vergessen. Das war ein Fußballfest für uns und für ganz Deutschland".
"Für den HSV tut es mir leid, die Frauen haben ein gutes Spiel gemacht." Werder-Geschäftsführer Clemens Fritz
Werders Geschäftsführer Clemens Fritz freute sich über den Sieg: "Am Ende hat wohl das Quäntchen Qualität entschieden." Die Bremerinnen hatten mehr als 60 Minuten in Unterzahl gespielt. Deshalb sei die Leistung nicht selbstverständlich. Der Ex-Profi, der selbst viele Nordderbys gespielt hat, sagte aber auch: "Für den HSV tut es mir leid, die Frauen haben ein gutes Spiel gemacht."
Ex-Spielerinnen drücken dem HSV die Daumen
Silva Lone Saländer kam sich vor wie auf einer "Zeitreise". Die ehemalige Mittelfeldspielerin war mit dabei, als der HSV 2002 das einzige Mal im Pokal-Finale stand. Sie war wie viele Mitspielerinnen von damals der Einladung des Clubs zu diesem "historischen Spiel" gefolgt. Auch wenn ihr Team damals in Berlin mit 0:5 gegen den 1. FFC Frankfurt verlor, ist das Erlebnis bei ihr hängen geblieben. "Das war nicht ansatzweise so eine Kulisse. Dass der HSV jetzt Fußball-Vereinsgeschichte geschrieben hat, ist einfach großartig."
Britta Carlson, ebenfalls im Endspiel von Berlin auf dem Platz, sprach von einem "guten Zeichen an die anderen Länder, dass es auch in Deutschland gut funktionieren kann und die Stadien voll werden". Die langjährige Co-Trainerin bei der Nationalmannschaft trainiert seit Jahrensbeginn Bundesligist 1. FC Köln. Als "überragend" bezeichnete sie die Atmosphäre im Volksparkstadion - und drückt ihrem Ex-Club im Aufstiegsrennen die Daumen: "Obwohl ich dann eine Konkurrentin bin, drücke ich dem Club die Daumen: Der HSV ist ein toller Club und würde die Bundesliga ungemein bereichern."
Stadionfrage beschäftigt den HSV - und nun auch den DFB
Aktuell sind die Hamburgerinnen Vierte in der Liga. Während der HSV sein Pokalspiel bestritt, stand in der 2. Bundesliga ein regulärer Spieltag an und der SV Meppen ist wieder vorbeigezogen. Die Lizenz hat der HSV für beide Ligen beantragt, hat aber für die Erste Liga noch einige Hausaufgaben zu erfüllen.
Denn bis auf das Volksparkstadion hat der Club keines, das für die Frauen-Bundesliga geeignet ist. Aktuell tragen die Hamburgerinnen ihre Heimspiele auf Platz sechs neben der großen Arena aus. Fassungsvermögen: 630 Stehplätze - keine Sitzplätze. Deshalb war zunächst spekuliert worden, das Edmund-Plambeck-Stadion könnte zur Heimspielstätte werden.
Wie der HSV dem NDR bestätigte, spielt das Stadion in Norderstedt im Lizenzantrag allerdings keine Rolle. Vielmehr setzt der Club auf die Doppellösung aus Platz 6 und eben dem Volksparkstadion. Eine Ausnahmegenehmigung könnte den Hamburgern Zeit verschaffen, den Trainingsplatz am Stadion Bundesliga-tauglich zu machen. "Wir müssen kreativ werden", sagte Koordinatorin Breuer. Es gebe einige Bedingungen, die es auf Dauer zu erfüllen gibt - wie zum Beispiel überdachte Sitzplätze.
Erhöhen die Erfolge der HSV-Frauen den Druck auf die Stadt?
Bitter für den HSV: Selbst nach dem Umbau des Sportparks Eimsbüttel, wo das Team in der Vergangenheit zumindest einige Spiele austragen konnte, genügt das Stadion dort nicht den Anforderungen für die Frauen-Bundesliga. Aus Sicht des HSV hat die Stadt eine Möglichkeit verpasst, das Thema abzuräumen. Zumal die Realisation des in Hamburg-Altona geplanten Stadions weiter in den Sternen steht. Die Politik sieht aber ohnehin den HSV selbst am Zug.
Breuer berichtete von einem engen Austausch mit dem DFB. Ein Ergebnis könnte es im April geben. "Wir hoffen aber auch, dass das Spiel jetzt den Druck auf die Stadt erhöht. Der Frauenfußball lebt in Hamburg", sagte Breuer.
Voller Fokus auf das Aufstiegsrennen
Nun gelte aber "der absolute Fokus" dem Aufstiegsrennen in der Zweiten Liga. "Wir können uns schütteln und enttäuscht sein. Aber es geht weiter und wir wollen noch das Maximale herausholen", unterstrich die 42-Jährige und ist da ganz auf einer Linie mit HSV-Ikone Horst Hrubesch.
Der ehemalige Bundestrainer treibt den Frauenfußball im Club seit Jahren voran. "Wir müssen nicht groß enttäuscht sein. Wir waren der Underdog und hatten bis kurz vor dem Ende die Chance weiterzukommen. Ich bin stolz darauf, wie sich die Mädels verkauft haben", erklärte der 73-Jährige und geht davon aus, dass das Erlebnis Volksparkstadion im Kampf um die Bundesliga-Rückkehr nach 13 Jahren Abstinenz für zusätzliche Motivation sorgen wird: "Das Spiel wird uns noch mal Schub geben!" Und am Ende sollen Fans, Spielerinnen und auch Dino Herrmann gemeinsam den Aufstieg feiern.
