HSV bei Hertha BSC - Hält die neue "Lust am Verteidigen" an?
Am Sonnabend tritt Fußball-Zweitligist HSV bei Hertha BSC an. Will das Team von Trainer Merlin Polzin die gegen Köln eroberte Tabellenführung behalten, muss sie genau so energisch agieren wie gegen die Rheinländer, sich fußballerisch steigern - und die bislang maue Auswärtsbilanz aufpolieren.
Nur dreimal in acht Partien haben die Hamburger in dieser Spielzeit einen fremden Platz als Sieger verlassen - zu Saisonbeginn in Köln (2:1), dann noch in Düsseldorf (3:0) und in Karlsruhe (3:1). Drei Siege bei drei Topteams können sich eigentlich sehen lassen, wären da nicht die anderen fünf Auswärts-Auftritte: Zwei Remis und drei Niederlagen schlagen da zu Buche, darunter so besorgniserregende Darbietungen wie in Braunschweig (1:3) und in Ulm (1:1).
Gemessen an den Aufstiegs-Ambitionen ging dem HSV bislang zu oft in Auswärtsspielen, speziell aber in diesen beiden Partien, die nötige Energie ab, um gegen das häufig sehr intensive Spiel der Heimteams anzugehen. Im Gefühl der fußballerischen Überlegenheit zeichneten sich die Auftritte vor allem durch laxe Zweikampfführung und unsortierte Offensivdarbietungen aus.
"Frühstarter" zu Gast bei "Spätzündern"
In puncto Einsatz und Leidenschaft hat der HSV am vergangenen Sonnabend beim 1:0-Arbeitssieg gegen den 1. FC Köln eine seiner besten Saisonleistungen gezeigt. Von Polzin ("Geile Energie") über Stürmer Davie Selke bis hin zu Mittelfeldspieler Jonas Meffert beschworen alle, in den kommenden Wochen daran anknüpfen zu wollen. Beginnend mit der Partie bei Hertha BSC am Samstagabend (20.30 Uhr, im NDR Livecenter).
Sensationelle 30-Minuten-Bilanz des HSV
Im Berliner Olympiastadion treffen dann die "Frühstarter" (HSV) auf die "Spätzünder" (Hertha BSC). Die Hamburger haben speziell in der bisherigen Saison in den ersten 30 Minuten eine sensationelle Bilanz von 17:0 Toren. Die Berliner hingegen sind besonders in Durchgang zwei stark und haben 20 ihrer 29 Treffer in den zweiten 45 Minuten erzielt. Das Hinspiel im vergangenen Sommer (1:1) war insofern ein perfektes Abbild dieser Statistik: Ransford-Yeboah Königsdörffer hatte die frühe Führung für die "Rothosen" erzielt (11.), Jonjoe Kenny spät zum Ausgleich für die "Alte Dame" getroffen (86.).
"Wir brauchen diese Gier, das eigene Tor konsequent zu schützen. Wir brauchen diese Freude am gemeinsamen Verteidigen." HSV-Trainer Merlin Polzein
Neben einem gleichbleibend hohen Energielevel wird es aus Sicht des Polzin-Teams am Sonnabend (und im weiteren Saisonverlauf) also auch auf eine gesteigerte Konzentration ankommen, will der HSV seine Auswärtsbilanz aufpolieren und seine Ambitionen untermauern. Zum Rückrunden-Auftakt gegen den FC gelang das recht überzeugend. Auch die mit acht Treffern bislang anfälligste Phase zwischen der 46. und 60. Minute überstand die Mannschaft unbeschadet, weil sie aktiv aus der Kabine kam - und, wenn auch nicht selbst erfolgreich, zumindest jegliche Kölner Ambitionen auf ein Tor im Keim erstickte.
"Wie wir die Kölner gestresst und unter Druck gesetzt haben, wie hoch wir verteidigt haben - das war das, woran wir in den letzten Wochen gearbeitet haben", bilanzierte Stürmer Selke, dem unter Polzin als Anläufer mehr und mehr die Rolle des ersten Verteidigers zukommt. Der Coach sagt: "Natürlich wollen wir in jedem Spiel mutig und offensiv spielen, aber ebenso brauchen wir diese Gier, das eigene Tor konsequent zu schützen. Wir brauchen diese Freude am gemeinsamen Verteidigen." Auch und gerade auswärts.
Als neuer Tabellenführer hat sich am Angang für Polzin nichts geändert. Als Gejagter fühlt sich der 34-Jährige nicht. "Bei der Situation davon zu sprechen, dass die eine Mannschaft die andere jagt, ist vielleicht von außen ein Thema. Intern ist es das nicht."
Jatta fällt lange aus
In Berlin - so wie vermutlich für den Rest der Saison - muss der Trainer auf Bakery Jatta verzichten. Der Flügelstürmer hat sich im Training eine schwere Sprunggelenksverletzung zugezogen. Nach Mittelstürmer Robert Glatzel (Sehnenabriss) und Noah Katterbach (Kreuzbandriss) ist er der dritte Langzeitverletzte der Hamburger. Zudem werden Immanuel Pherai und Fabio Baldé aller Voraussicht nach ausfallen. Dafür könnte Ludovit Reis nach längerer Verletzung zumindest in den Kader zurückkehren: "Er wirkt frisch und dynamisch", sagte Polzin. Ob er wirklich dabei ist, werde sich nach dem Abschlusstraining entscheiden.
Sahiti als Jatta-Ersatz - Richter Startelf-Kandidat?
Für Jatta, der gegen Köln noch von Beginn an auf dem Platz gestanden hatte, dürfte Emir Sahiti in die erste Elf rücken. Zudem könnte Marco Richter, einst selbst in Diensten der Haupstädter, starten. Der 27-Jährige hatte - wie auch Sahiti - nach seiner Einwechslung gegen Köln das lange Zeit darbende Offensivspiel der Hamburger belebt - und den spielentscheidenden Strafstoß herausgeholt.
"Diese Liga ist so eng, leistungstechnisch so nah beieinander, dass es extrem viele enge Spiele geben wird", so Polzin, "und diese engen Spiele dann auf seine Seite zu ziehen, das bringt die wichtigen Punkte." Zuhause gegen Köln hat das geklappt. Die nächste Chance, sich in dieser Hinsicht auch auswärts zu stabilisieren: vor rund 75.000 Zuschauenden am Samstagabend in Berlin. "Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Das ist unser Anspruch."
Mögliche Aufstellungen:
Hertha BSC: Ernst - Kenny, Leistner, Klemens, Zeefuik - Sessa - Cuisance, Maza - Winkler, Niederlechner, Scherhant
Hamburger SV: Heuer Fernandes - Mikelbrencis, Hadzikadunic, Elfadli, Muheim - Meffert - Karabec, Richter - Sahiti, Selke, Dompé