"Gute Quote" beim VAR: Schiedsrichter-Sprecher verteidigt den Videobeweis
Der Videobeweis im Fußball ist eine der umstrittensten Neuerungen der vergangenen Jahren - und wird fast wöchentlich heiß diskutiert. Zu heiß, wie Schiedsrichter-Sprecher Alexander Feuerherdt findet. Er wirbt auch anhand von Daten für mehr Akzeptanz des VAR.
Wohl jeder regelmäßige Stadionbesucher hat es in der jüngeren Vergangenheit erlebt: ein Pfiff des Referees, ein in die Luft gezeichnetes Rechteck, der Lauf zu einem Monitor am Spielfeldrand. VAR oder Video Assistant Referee, kurzum: die Entscheidungshilfe für den Schiedsrichter per Videobeweis.
Videobeweise von Pfiffen und Schmähgesängen begleitet
Häufige Begleitungerscheinungen dieses Vorgangs in deutschen Stadien sind Pfiffe und Schmähgesänge gegen den Deutschen Fußball Bund (DFB). Bei vielen überwiegt offenbar das Gefühl, der VAR sein ein zu starker Eingriff in das Spiel - und bringe dabei keine echte Verbesserung der Entscheidungen im Fußball. Diesem Eindruck versucht die DFB Schiri GmbH mit Daten entgegenzutreten.
In der Bundesliga waren an den ersten 22 Spieltagen in dieser Saison 88 von 94 Interventionen durch den Videoassisten korrekt, besagt eine Statistik, die die Schiedsrichter-Gesellschaft in dieser Woche im Rahmen einer Veranstaltung in Berlin präsentierte. "Das ist insgesamt eine gute Quote, die ungefähr in dem Bereich liegt, wie wir sie in den vergangenen Spielzeiten auch immer hatten", erklärt Feuerherdt, der seit Juli 2023 im Amt ist, im NDR Gespräch.
VAR verhindert in jedem dritten Spiel eine Fehlentscheidung
Achtmal ist demnach ein Einschalten des VAR ausgeblieben, obwohl es richtig gewesen wäre. In sechs Fällen habe es falsche Interventionen gegeben - viermal, ohne dass die finale Entscheidung falsch war, zweimal mit falscher Entscheidung. In jedem dritten Spiel etwa werde eine Fehlentscheidung in Deutschlands höchster Spielklasse durch den VAR verhindert.
Ein Schnitt, den es auch in der vergangenen Spielzeit gegeben hatte, als 112 falsche Bewertungen von Referees den Daten nach abgewendet wurden. "Man sieht, dass der Videoassistent eine ganze Reihe von Fehlentscheidungen herausfiltert", sagt der Schiri-Sprecher.
In der 2. Liga gab es an den ersten 22 Spieltagen der laufenden Saison 77 Eingriffe durch den "Kölner Keller". Der Hauptgrund für die geringere Zahl der Interventionen: In den Zweitliga-Spielstätten gibt es weniger Kameras. 65 Fehlentscheidungen wurden in der aktuellen Spielzeit im Unterhaus verhindert - auch hier in durchschnittlich jeder dritten Begegnung.
"Das ist alles im Rahmen, auf eine 100-Prozent-Quote wird man auch nicht kommen können." Alexander Feuerherdt, Sprecher der DFB Schiri GmbH
Mit Blick auf die aus vielen Richtungen kommende Kritik am VAR sagte Feuerherdt, dass die Diskussionen in anderen Ländern nicht anders liefen. "Da sind auch viele Mythen dabei, dass die schlechtesten Videosassistenten immer die im eigenen Land sind, das stimmt so aber nicht." Die deutschen Schiedsrichter und Videoassistenten stünden im Vergleich "gut da - auch was die Zahl der Eingriffe anbetrifft und die Dauer".
Die aktuellen Statistiken seien alle "im Rahmen, auf eine 100-Prozent-Quote wird man auch nicht kommen können". Das liege daran, "dass Menschen am Werk sind und Menschen Fehler machen. Menschen können außerdem auch schon mal unterschiedlicher Ansicht sein."
Daher wehrt er auch die von Spielern oder Club-Verantwortlichen wiederholt aufkommende Kritik ab: "Es sind die Vereine gewesen, die sich die Einführung des Videoassistenten gewünscht haben."
VAR-Entscheidung dauert im Schnitt 83 Sekunden
Auch den - vor allem von Fans in den Stadien geäußerten - Vorwurf, die Entscheidungsfindung dauere zu lange, lässt er nicht gelten. "Insgesamt muss man sagen: Es geht schon ziemlich schnell." 83 Sekunden dauert eine VAR-Entscheidung in der Bundesliga im Schnitt - allerdings in einer gewaltigen Zeitspanne von 12 bis 225 Sekunden.
Am schnellsten gehen der Statistik zufolge die Entscheidungen bei Strafstoß (74) und Roter Karte (75), bedeutend länger kann es bei der Frage dauern, ob es sich um einen Treffer handelt oder nicht (99).
"Wir werden nicht ohne Weiteres von 83 Sekunden auf 50 oder 60 Sekunden kommen können." Alexander Feuerherdt
Für Handspiel (74) wird am wenigsten Zeit aufgewendet, länger dauert es bei Foulspiel (81) und Abseits (98). Bei Letzterem sieht Feuerherdt auch das größte Verbesserungspotenzial. Denn generell lasse sich die "Dauer der Überprüfungen nicht ohne Weiteres extrem beschleunigen. Wir können von einigen Sekunden sprechen. Wir werden aber nicht ohne Weiteres von durchschnittlich 83 Sekunden auf 50 oder 60 Sekunden kommen können."
Das Potenzial sieht Feuerherdt daher vor allem "beim Überprüfen von Abseitspositionen bei der Torerzielung durch die Einführung der halbautomatischen Abseitstechnologie, wie wir sie schon aus den europäischen Wettbewerben kennen". Dort ließe sich "eine ganze Menge sparen", da vieles aktuell noch händisch erfolge, "der Moment der Ballabgabe und auch die Abseitsstellung. Da müssen die kalibrierten Linien per Hand angelegt werden".
Kommen Stadion-Durchsagen?
Für die Einführung der halbautomatischen Abseitstechnologie "müssten sich die Vereine aber aktiv entscheiden und das auch bezahlen", sagt Feuerherdt. Für den Fall, dass sie das tun, "würden wir uns dem nicht verschließen".
Um die Entscheidungen insgesamt transparenter zu erklären, könnten Stadion-Durchsagen eine Option sein. Für den Schiri-Sprecher wäre das allerdings an eine Bedingung geknüpft: "Wenn es kommen soll, ist es aus unserer Sicht sehr wichtig, dass dann auch die Möglichkeit besteht, die Bilder parallel im Stadion zu zeigen. Das geht bislang noch nicht, anders als bei FIFA- und UEFA-Wettbewerben."
So, wie es auch zum Beispiel teilweise im US-Sport üblich ist. Die Verbände hätten bei ihren Wettbewerben Kontrolle über die Stadionregie, so Feuerherdt. Das sei in der Bundesliga anders. Und ist daher aktuell noch kein möglicher Schritt, dem VAR zu mehr Akzeptanz zu verhelfen.