Videobeweis - VAR-Erklärungen in Bundesliga noch nicht in Sicht
Bei der Weltmeisterschaft der Fußballerinnen in Australien und Neuseeland erklären die Schiedsrichterinnen ihre Entscheidungen nach Unterstützung durch den Video Assistant Referee (VAR). So soll das Spiel für die Fans im Stadion noch transparenter werden. Wird es diese Erklärungen bald auch in den Bundesligen geben?
Es ist die 86. Minute im WM-Achtelfinale zwischen England und Nigeria. Schiedsrichterin Melissa Borjas aus Honduras zeigt Englands Stürmerin Lauren James die Gelbe Karte. Sie ahndet ein Foul, wird aber zügig von ihren Videoassistenten zum Monitor in die Review-Area gebeten. Wenige Zeitlupen später tritt sie selbstsicher auf den Rasen, wartet einen kurzen Moment und verkündet dann über die Lautsprecher: "After the onfield-review: The yellow card for number seven, white, is cancelled. Instead: red card for violent conduct!"
Es sind nur acht Sekunden, die Schiedsrichterin Borjas braucht, um ihre revidierte Entscheidung - Rote Karte für James wegen grober Unsportlichkeit - den Fans und Fernsehzuschauern zu erklären.
Schiedsrichter-Entscheidungen werden bei WM durchgesagt
Für den Weltfußballverband FIFA sind Durchsagen im Stadion ein weiterer Schritt, um den Fußball noch transparenter zu machen. Fernsehzuschauer sehen exakt die Zeitlupen und Bilder, die auch die Schiedsrichterin für ihre Entscheidungsfindung sieht.
"Alles, was hilft, unsere Arbeit und die Entscheidungen besser transportieren zu können, finde ich gut." Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich
Fans in deutschen Stadien müssen sich bislang während eines VAR-Checks gedulden und sich danach mit den kurzen Hinweise auf den Videowänden zufriedengeben oder die Begründung in Live-Tickern nachlesen. In Australien und Neuseeland können sie den Prozess eines Checks live verfolgen.
Bundesliga-Referee Ittrich ein Befürworter
Die anschließenden Erläuterungen der Schiedsrichterinnen sollen möglichst kurz und präzise sein und nach einer vorgegebenen Reihenfolge erläuert werden:
- Die finale Entscheidung: also Strafstoß oder Tor, kein Tor, Rote Karte, keine Rote Karte
- Die Spielerin, die das Vergehen begeht, soll benannt werden
- Die Art des Vergehens: also Foulspiel oder strafbares Handspiel
- Eine kurze Beschreibung des Vorfalls beziehungsweise die Begründung der Entscheidung: also Bein stellen oder Halten beim Foulspiel, Körperfläche unnötig vergrößert beim Handspiel oder "offene Sohle" bei der Roten Karte.
Der Hamburger Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich begrüßt den Test. Für ihn dürfen die Erklärungen aber noch etwas tiefer gehen. "So sind sie ein bisschen sachlich und fachlich. Aber generell bin ich ein Freund von Transparenz. Alles, was hilft, unsere Arbeit und die Entscheidungen besser transportieren zu können, finde ich gut", sagte der 44-Jährige dem NDR.
Durchsagen gehen oft im Lärm unter
Bei einigen Spielen konnte man hören, dass es nach Verkündung der finalen Entscheidung - also des ersten Punktes - so laut im Stadion geworden ist, dass die Punkte zwei bis vier in der stimmungsvollen Atmosphäre untergegangen sind. Für DFB-Schiedsrichtersprecher Alex Feuerherdt wäre es andersherum sinnvoller: "Hat man am Ende die Entscheidung, ist die Begründung schon gelaufen, wenn das Publikum einsetzt." Er wartet gespannt auf die Ergebnisse der FIFA. Sollte sie den Test als erfolgreich bewerten und den nationalen Ligen das Go für einen solchen Test geben, wäre eine Einführung in Deutschland denkbar.
WM-Praxis in Bundesliga nur bei Wohlwollen der Clubs möglich
"Das kann letztlich nur dann sinnvoll sein, wenn es auch die Möglichkeit gäbe, die entsprechenden Bilder im Stadion zu sehen", hält Feuerherdt die Kombination aus Bild und Wort für ideal. "Der Unterschied besteht einfach darin, dass bei einer Weltmeisterschaft die FIFA die Schirmherrin ist und damit auch die Hoheit in den Stadien hat, was gezeigt wird und was nicht. Das ist in der Bundesliga anders, da sind es die Heimvereine beziehungsweise die Stadionbetreiber. Da müsste man darüber sprechen, wie es ermöglicht werden kann, dass die Bilder auf der Videowall gezeigt werden können."
DFL setzt auf App
Während die FIFA den Test nach der WM auswerten wird, entwickelt die Deutsche Fußball Liga (DFL) eine App. Damit kann sie infrastrukturellen Problemen aus dem Weg gehen und die nötigen Bilder/Zeitlupen selbst ausspielen. Das Problem dabei: WLAN und/oder LTE oder 5G sind in den deutschen Erst- und Zweitligastadien nur mehr oder weniger gut verfügbar.
"Das Thema ist uns insgesamt zu unreif." Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich
Für Feuerherdt kann die App daher nur eine Übergangslösung sein: "Der Ball liegt im Feld der Clubs. Es wäre sicherlich der Idealfall, dass die Zuschauer im Stadion die Bilder auch direkt auf der Videowand sehen können."
Fröhlich: "Thema insgesamt zu unreif"
Fakt ist: In der kommenden Bundesliga-Saison, die mit der Partie Werder Bremen - FC Bayern München am Freitag (20.30 Uhr, im NDR Livecenter) startet, wird es noch keine Lautsprecher-Erklärungen der Videobeweis-Entscheidungen in den Stadien geben. "Bei den Durchsagen wollen wir noch abwarten. Da gibt es zu wenig Erfahrung", erklärte Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich: "Das Thema ist uns insgesamt zu unreif." Man sei aber in Gesprächen mit den Unparteiischen. "Wenn es relevant wird, wollen wir soweit sein", sagte Fröhlich: "Es gibt Schiedsrichter, die kommunizieren relativ gut. Es gibt aber auch Schiedsrichter, mit denen müssen wir in diesem Bereich noch ein bisschen arbeiten."