Gute Laune unter Palmen - Ist der FC St. Pauli auf dem richtigen Weg?
Der FC St. Pauli hat sich eine Woche im spanischen Benidorm auf die Rückrunde in der zweiten Fußball-Bundesliga vorbereitet. Sportlich angeknockt, versuchen die Kiezkicker mit aller Kraft, den Fall in die fußballerische Bedeutungslosigkeit zu verhindern.
Das Trainingslager hat interessante Erkenntnisse gebracht...
Punkt 1: Trainer Fabian Hürzeler
Der ehemalige Co-Trainer ist jetzt der Chef. Gegen ihn spricht: Er ist erst 29 Jahre alt, hat seine Fußballlehrer-Lizenz noch nicht beendet und war noch nie auf diesem Niveau in dieser Verantwortung. Hohes Risiko. Er selbst argumentiert durchaus plausibel, dass es im Trainergeschäft eben so funktioniert: In der Regel bekommt man immer dann die Chance, wenn es irgendwo schlecht läuft - warum sollte jemand bei Erfolg wechseln?
Im Trainingslager sieht man den Rollenwechsel: Als Assistent war Hürzeler laut, eigentlich immer, hat in manchen Übungsformen jeden Ball kommentiert. "Ja, gut, gut, gut, ja, klatsch, gut, gut, klatsch…" - und das waren keine zehn Sekunden. In neuer Rolle wird er mehr und mehr zum Beobachter und nimmt sich zumindest phasenweise zurück.
Er hat nun Hilfe vom neuen Co-Trainer Peter Nemeth, der mit 50 sein Vater sein könnte, und so den Faktor "Erfahrung" in seinen Stab geholt. Auch wenn dessen Bemühungen, mit dem Team gefährliche Standard-Situationen einzuüben, in so mancher Einheit frustrierend schwach liefen.
Fliegt Sportchef Bornemann alles um die Ohren?
Am wichtigsten ist allerdings, dass Hürzeler sich bei den Spielern nicht mehr beweisen muss. Sie kennen ihn, kennen seine Art, loben seinen Sachverstand und seine harte Arbeitsakribie. Zudem sitzt er mit ihnen im selben Boot, war Teil des Problems, jetzt wollen alle gemeinsam die Lösung sein. Für die Stabilität des gesamten Konstruktes wird es aber elementar, dass der Start in die Rückrunde gelingt. Mit drei Niederlage zum Auftakt droht vor allem Sportchef Bornemann, das Konstrukt um die Ohren zu fliegen.
Punkt 2: Die Neuzugänge
Elias Saad wurde belächelt, als er im Dezember aus der Vierten Liga in Norderstedt geholt wurde. Ungeachtet dessen hat er gezeigt, dass er offensiv auf der Außenbahn Potenzial hat. Ob das im harten Ligawettkampf reicht, muss er noch zeigen. Im Trainingslager ist er aber unter Profis mit Zweit- und teilweise Erstliga-Hintergrund nicht als schwächer aufgefallen.
Der Brasilianer Maurides will die Rolle als "Sturm-Messias" nicht haben, bezeichnet sich selbst als "Hilfe" und nicht als "die Lösung" von St. Paulis größtem Problem. Das wäre sicher auch eine Nummer zu groß für ihn. Zwar ist der bullige Mittelstürmer im Kopfball richtig gut und torgefährlich.
In anderen Momenten, wenn es um den Abschluss mit dem Fuß ging, machten aber in Benidorm alte Kräfte wie David Otto, Johannes Eggestein und überraschenderweise auch der eigentlich im Mittelfeld beheimatete und bislang selten beachtete Conner Metcalfe eine deutlich bessere Figur.
Zudem hat Maurides tief durchgeatmet, als er gemerkt hat, wie hoch Tempo und Intensität in der Zweiten Liga sind. Sein großes Plus könnte aber seine Art sein. Ein Typ, den man in der Gruppe nicht übersieht - und das ist nicht körperlich gemeint. Kommunikativ in alle Richtungen, extrovertiert, um keinen Spaß verlegen, manchmal provozierend mit Augenzwinkern. Ein Typ, wie er bei St. Pauli unter vielen braven Jungs zuletzt selten war.
Der neue Innenverteidiger Karol Mets ist noch schwer zu bewerten. Auf dem Papier mit dem Schweizer Meistertitel dekoriert, Einsätzen in der Europa League und 84 Länderspielen für Estland etabliert und erfahren. Allerdings hat er bislang zu wenig mittrainiert, um ein klares Bild abzugeben.
Punkt 3: Der Teamgeist
In der Mannschaft stimmt es. Klar, auch im Trainingslager gab es mal harte Worte oder Rangeleien auf dem Platz. Aber generell ist das Zwischenmenschliche intakt. Maurides schwärmt, dass er noch nirgendwo so herzlich aufgenommen wurde wie bei St. Pauli.
Abwehrchef Jakov Medic wurde erst nach dem (direkten Charter-)Flug seiner Mitspieler von einem Arzt nach seiner Erkältung für sporttauglich erklärt - und hat sich ein Bein ausgerissen, um mit einem langen Trip, Flügen mit Zwischenstopps und einer Mietwagen-Tour aus dem 150 km entfernten Valencia mitten in der Nacht am Teamhotel anzukommen, um nur eine einzige Einheit zu verpassen.
Und Stürmer Igor Matanovic, der die erste echte Krise seiner noch jungen Karriere durchläuft, wird selbst von den Torhütern nach Treffern gefeiert und nach Fehlern aufgebaut.
Das ist ein Pfund, das zwar keinen Erfolg garantiert. Aber es kann dafür sorgen, dass ein Team in Krisen nicht oder erst sehr viel später zusammenbricht.