Fast verkauft, nun gefeiert: Njinmah startet bei Werder Bremen durch
Justin Njinmah hat sich mit seinem Tor zum 2:1 gegen den 1. FC Köln in die Herzen der Fans von Werder Bremen geschossen. Es war bereits der zweite Treffer des Außenangreifers im dritten Bundesliga-Kurzeinsatz für die Hanseaten, die ihn vor dieser Saison nur von Borussia Dortmund zurückholen konnten, weil der Vizemeister eine Kaufoption nicht zog.
Da stand Justin Njinmah nun geradezu ein wenig verschüchtert an der Außenlinie, klatschte verhalten in die Hände und wartete auf den heranlaufenden Rafael Borré, für den er in der 66. Minute des Duells mit dem "Effzeh" eingewechselt werden sollte. Nachdem der Bremer Nobody mit dem Bremer Königstransfer abgeklatscht und das Feld betreten hatte, bekreuzigte er sich und gab sich einen Kuss auf den linken Unterarm. Das ganze Stadion - mit Ausnahme der Kölner Fans natürlich - rief anschließend seinen Namen. Und zwar mit einem ziemlich langgezogenen "Ahhhh". Kurz darauf machte sich der Rechtsaußen mit nicht minder langgezogenen Schritten auf den Weg, erlief einen Pass von Senne Lynen und traf zum 2:1.
"Was für eine Nacht"
Wie bereits im vorigen Heimspiel gegen den 1. FSV Mainz 05 (4:0) hatte Njinmah als Joker gestochen. War sein Treffer zum Endstand gegen die Rheinhessen nicht mehr relevant für den Spielausgang gewesen, sorgte er nun mit seinem Tor für den zweiten Saisonsieg der Hanseaten. Dazu sagte der Matchwinner: nichts. Die Werder-Verantwortlichen erteilten dem Youngster ein Interview-Verbot, um den Hype um ihn nicht zu früh zu groß werden zu lassen.
Einen Einblick in seine Gefühlswelt gab der 22-Jährige dann aber doch. Auf seinem Instagram-Account schrieb er auf Englisch: "Was für eine Nacht, was für eine Atmosphäre" und lud dazu ein Video seines Treffers gegen die Rheinländer hoch.
Werder-Verteidiger Stark: "Er ist ein Pfeil von außen"
Dass der gebürtige Hamburger nach seinem vierten Bundesliga-Kurzeinsatz emotional sehr angefasst war, hatten schon die Bilder nach dem Schlusspfiff gezeigt. Mit großen Augen blickte der Stürmer in die Fankurve, während er sich mit seinen Teamkameraden bei den Anhängern für deren Unterstützung bedankte. Die Herzen der Werder-Fans hat der 22-Jährige im Sturm erobert - oder besser gesagt im Sprint. Denn mit welchem Tempo er sich den Lynen-Pass erlaufen hatte und auch sonst die Außenlinie rauf und runter rannte, war maximal beeindruckend.
"Als Verteidiger weiß ich: Wenn man 70 Minuten einem hinterherläuft, nicht mehr so richtig kann und dann so ein Pfeil von außen kommt - das ist nicht einfach. Wir sind froh, dass wir ihn haben. Zurzeit bringt er viel ein", lobte Werder-Verteidiger Niklas Stark seinen Teamkameraden, der beinahe nicht sein Teamkamerad geworden wäre.
Dortmund zog Kaufoption für Njinmah nicht
Denn der Ball im Falle Njinmah lag vor einigen Wochen noch beim Ballspielverein Borussia Dortmund. Der Vizemeister hatte den Offensivmann im Januar 2022 von Werder für seine zweite Mannschaft ausgeliehen. Das Vertragswerk beinhaltete auch eine Kaufoption für den Deutsch-Nigerianer, der bei den Bremern ebenfalls in der U23 gespielt hatte. Satte drei Millionen Euro hätte der BVB für Njinmah an die Hanseaten überweisen müssen. Das war den Verantwortlichen des Vizemeisters dann doch ein wenig zu viel Geld für einen jungen Mann, der in der Dritten Liga zwar tolle Leistungen für den Dortmunder Nachwuchs gezeigt hatte, bei den Profis jedoch nur zu einem Bundesliga-Kurzeinsatz gekommen war.
Der Durchbruch im Starensemble von Coach Edin Terzic wurde ihm offenbar nicht zugetraut. Werder rieb sich hingegen die Hände - auch wenn es keine "Kohle" aus dem "Pott" gab. "Er wird auf Sicht seinen Weg gehen. Er ist ein guter Junge und sehr, sehr interssanter Spieler", sagte Coach Ole Werner und freute sich über die Rückkehr des Außenangreifers.
Stürmer hatte Profi-Traum schon aufgegeben
Werner kennt Njinmah noch aus seinen Zeiten als Coach bei Holstein Kiel. Ein paar Wochen war er 2019 sogar sein Coach bei der U23 der KSV, bevor er dort die Zweitliga-Mannschaft übernahm. Njinmah war ein Jahr zuvor vom Hamburger Stadtteilclub Eimsbütteler TV an die Förde gewechselt. Mit 18 Jahren sah er erstmals ein Nachwuchsleistungszentrum von innen. "Ich hatte den Traum Fußball-Profi gar nicht mehr richtig ernst genommen, habe da gar nicht mehr so richtig dran geglaubt", erklärte der Stürmer im Interview mit dem Youtuber "Cubanito".
Auf Vermittlung seines früheren ETV-Coaches Loïc Favé klappte der Wechsel in die U19 der KSV. "Und als ich ins NLZ zu Holstein Kiel gegangen bin, wusste ich: 'Jetzt gibt es kein Zurück mehr'", sagte Njinmah.
Njinmah stellt BVB-Torrekord ein
Einige seiner vielen Tattoos zeugen von seiner Willenskraft und seinem Selbstbewusstsein. Unter anderem hat er sich den Schriftzug "I can and I will" ("Ich kann und ich werde") auf den Unterarm stechen lassen. Aber es war Geduld gefragt, bis er, der sich zu seinen ETV-Zeiten bereits nach einem Ausbildungsplatz umgesehen hatte, es in den Profifußball geschafft hatte. Werder holte den Stürmer 2021 zunächst für seine U23, belohnte ihn dann ein Jahr später für seine guten Leistungen mit einem Lizenzspieler-Kontrakt, um ihn danach sofort zum BVB II zu verleihen.
Im fernen Dortmund entwickelte sich das Bremer Juwel wie erhofft weiter. In der vergangenen Serie stellte er mit 13 Saisontreffern sogar den acht Jahre alten Drittliga-Torrekord der Borussia ein. Er habe anschließend "ein paar Optionen" für Wechsel zu anderen Clubs gehabt, sagte Njinmah. Sein Weg führte schließlich zurück zum Osterdeich, denn bei Werder hatte er noch einen Vertrag. Und der Bundesligist plante mit ihm.
Werner: "Er bringt ganz, ganz viel mit"
"Es wird immer mal wieder Möglichkeiten geben, sich zu zeigen. Ich habe mega Bock Bundesliga zu spielen und bin bereit", erklärte der 22-Jährige vor Saisonbeginn selbstbewusst. In den ersten beiden Partien gegen Bayern München und den SC Freiburg schaffte er es zwar nicht in den Spieltagskader, gegen Mainz feierte er dann jedoch sein Erstliga-Debüt für Werder und traf sofort. Es folgten ein weiterer Kurzeinsatz auswärts gegen Heidenheim sowie nun seine Sternstunde nach seiner Einwechslung gegen Köln.
"Er hat diese Schnelligkeit und Gradlinigkeit im Spiel, die einfach schwer zu verteidigen sind. Er ist jemand, der jetzt gerade die richtigen Entwicklungsschritte macht, mit dem wir aber noch eine ganze Menge Arbeit vor uns haben. Aber er bringt ganz, ganz viel mit und arbeitet unheimlich viel an sich", lobte Werner den Matchwinner.
Klingt ganz danach, als würde dieses Märchen aus 1001 Nacht noch Potenzial für viele weitere Kapitel haben. Nun liegt es an Njinmah, seine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte fortzuschreiben.