HSV - Werder: Rekord und Vorfreude vor dem "Spiel der Spiele"
Die Fußballerinnen des HSV und SV Werder Bremen treffen am Sonntag im DFB-Pokal-Halbfinale vor der Rekordkulisse von 57.000 Zuschauern aufeinander. Die Vorfreude auf die Partie im Hamburger Volkspark ist riesig.
Im Männerfußball ist das Nordderby ein Klassiker, zuletzt trafen beide Clubs im Frühjahr 2022 in der Zweiten Liga aufeinander. Bei den Frauen kommt es nun am Sonntag (15.30 Uhr, im NDR Livecenter) zur Premiere in einem Pflichtspiel. Und sie mobilisiert die Massen. Schon 16 Tage vor dem Anpfiff der Begegnung waren alle Tickets vergriffen.
"Ich hätte mir nie vorstellen können, vor so einer Kulisse zu spielen. Das ist echt krass", sagte HSV-Spielerin Carla Wilson dem NDR. "Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich bei so etwas dabei sein würde, hätte ich ihn dumm angeguckt". Auch ihre Teamkollegin Lisa Baum ist enthusiastisch - und hat schon ein bisschen Lampenfieber: "Ich glaube schon, dass die Beine beim Einlaufen ins Stadion ein wenig zittern werden."
Werder-Spielerin Mühlhaus kommt nach Hause
Für Gegenspielerin Larissa Mühlhaus, die im Sommer 2024 als Torschützenkönigin der Zweiten Liga vom HSV nach Bremen wechselte, wird es eine emotionale Rückkehr. "Das wird ein unglaubliches Spiel. Ich komme nach Hause zurück, freue mich sehr, alle wieder zu sehen", sagte die gebürtige Hamburgerin: "Es bedeutet mir ungemein viel, es war schon immer mein Traum im Volkspark zu spielen. Als kleines Kind bin ich dort mit meiner Familie hingegangen." Sie habe sogar im Volksparkstadion einen ihrer Kindergeburtstage gefeiert.
HSV will "den größeren Gegner ärgern"
Vom Papier her ist Werder als gestandener Bundesligist der Favorit - für Mühlhaus kein Problem. "Wir gucken nur auf uns", sagte die Bremer Angreiferin. "Viele aus unserer Mannschaft haben auch schon vor mehreren Leuten gespielt und die nötige Erfahrung".
"Wir spielen immer gut, wenn wir die Favoritenrolle abgeben können." Pauline Machtens
Doch Bangemachen gilt nicht für den Zweitliga-Dritten aus Hamburg. "Wir haben Spaß daran, den vermeintlich größeren Gegner zu ärgern, und das werden wir auch am Sonntag wieder machen", erklärte HSV-Führungsspielerin Pauline Machtens. Sie fühlt sich in der Rolle des Underdogs wohl: "Wir haben nichts zu verlieren und können eigentlich nur gewinnen", so die 22-Jährige.
Größte Kulisse im deutschen Frauen-Vereinsfußball
Für viele Kickerinnen auf beiden Seiten ist die Begegnung am Sonntag der Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere - Mittelfeldakteurin Baum spricht vom "Spiel der Spiele". Einen (kleinen) Vorgeschmack hatte das Team von HSV-Trainer Marwin Bolz vor zwei Monaten im Viertelfinale bekommen, als es bei seiner Volkspark-Premiere vor knapp 17.000 Zuschauern Borussia Mönchengladbach mit 2:0 besiegte.
57.000 Zuschauer stellen das allerdings deutlich in den Schatten - es ist die größte Kulisse bei einem deutschen Frauenspiel auf Vereinsebene aller Zeiten. Mehr Fan-Zuspruch hatte lediglich ein Länderspiel: 2011 verfolgten im Berliner Olympiastadion 73.680 Besucher die WM-Partie Deutschland gegen Kanada. HSV-Spielerin Svea Stoldt sieht in dem großen Fan-Zuspruch einen Vorteil für ihre Mannschaft: "Alle wollen das Beste für uns und dass wir gewinnen. Sie pushen uns. Ich freue mich einfach unfassbar drauf."
HSV-Wunschszenario: Frühe Führung, spätes 2:1
Beide Vereine trafen bislang lediglich in der Saisonvorbereitung aufeinander - in Ostereistedt (2024), Elsdorf (2023) und Buxtehude (2022) waren insgesamt weniger als 500 Zuschauer vor Ort. Alle drei Begegnungen gewannen die Bremerinnen (3:1, 2:1, 5:0).
Diese Negativserie wollen die HSV-Frauen durchbrechen und haben sich einen Matchplan zurechtgelegt: "Meine Traumvorstellung wäre natürlich, direkt am Anfang in Führung zu gehen und Bremen einen richtigen Schrecken einzujagen", verriet Melina Bünning dem NDR. Ihre WG-Mitbewohnerin Baum spann den Faden weiter: "Dann fällt zwar irgendwann der Ausgleich, aber wir schießen in der 80. Minute das 2:1. Danach heißt es nur noch verteidigen und lange Bälle rausschlagen."
Für Hamburgerinnen ist der Pokalwettbewerb ein "Bonus"
Die bisherige Pokalsaison der Hamburgerinnen verlief wie im Rausch. 17:2 Tore erzielten sie in ihren vier Partien, die beiden Gegentore gab es lediglich im Achtelfinale beim Duell mit Bundesligist Carl Zeiss Jena (4:2). Die 17 Treffer verteilten sich zudem auf elf Torschützinnen - mit dieser Variabilität soll der Einzug ins Finale am 1. Mai in Köln gelingen.
Es wäre die erste Endspielteilnahme seit 2002. Damals - die HSV-Frauen waren gerade aus der Bundesliga abgestiegen - gab es mit dem 0:5 gegen den 1. FFC Frankfurt eine deutliche Niederlage. Doch egal, wie das Spiel am Sonntag ausgeht, für die Hamburgerinnen ist der Pokalwettbewerb ein "Bonus". Der Fokus liegt auf der Liga mit dem erklärten Ziel Bundesliga-Aufstieg. "Ich wünsche ihnen, dass sie es jetzt endlich mal schaffen, aufzusteigen", sagte Mühlhaus.
Werder will bei Halbfinal-Premiere ins Finale
In der Ersten Liga gäbe es dann weitere Derbys, Werder hat mit dem Abstiegkampf nichts zu tun. Im Frauenfußball sei allerdings die Rivalität, die bei den Männern herrscht, nicht so stark. "Das ist familiärer", so die Ex-HSV-Spielerin. Ungeachtet dessen wollen sich die Bremerinnen mit einem Weiterkommen in ihrem ersten Pokal-Halbfinale einen Traum erfüllen und Club-Geschichte schreiben.
