Hamburgs Ludovit Reis (l.) kommt gegen Hannovers Marcel Halstenberg zu spät. © Witters

Hannover 96 im Höhenflug - und auch ein Aufstiegskandidat?

Stand: 21.09.2023 09:09 Uhr

Mirko Slomka, Kenan Kocak, Jan Zimmermann, Christoph Dabrowski und nun eben Stefan Leitl – Hannover versucht seit dem Abstieg 2019 erfolglos, in die Bundesliga zurückzukehren. In dieser Saison scheinen die Aussichten so gut wie lange nicht zu sein. Was sagen die Daten?

von Florian Neuhauss

Nach sechs Spieltagen hat Hannover elf Punkte auf dem Konto, liegt als Tabellenvierter nur zwei Zähler hinter den direkten Aufstiegsplätzen. Das 7:0 gegen Landesrivale VfL Osnabrück am vergangenen Sonntag war ein richtiges Ausrufezeichen. Auch wenn der Gegner die komplette zweite Hälfte in Unterzahl spielte, muss ein Team erst einmal so hungrig sein, solch einen Kantersieg herauszuschießen.

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Höher gewann 96 ein Ligaspiel überhaupt nur einmal - das war am 22. November 1986! Damals gab es für den gerade aus der Bundesliga abgestiegenen Club ein 8:0 im Niedersachsenstadion gegen den Karlsruher SC. Bastian Hellberg steuerte drei Treffer bei, Gregor Grillemeier erzielte gar einen astreinen Hattrick. Und auf der Trainerbank saß Jürgen Wähling.

Historisch - 7:0 gegen Osnabrück zweithöchster Sieg

Lang, lang ist’s her - und doch dürfte der zweithöchste Ligasieg der Clubgeschichte bei so manchem Fan, Spieler und Funktionär Hoffnungen wecken, dass es in dieser Saison endlich wieder bergauf gehen könnte. Denn nach dem als Sechster (und mit sieben Punkten Rückstand) gescheiterten Versuch, 2020 direkt wieder aufzusteigen, beendeten die Niedersachsen die Saison stets im Niemandsland der Tabelle (13, elf, zehn).

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Klare Überperformance - vorne und hinten

Trainer Leitl lobte sein Team nach dem 7:0 ausdrücklich - nicht nur wegen des Osnabrück-Spiels. Die Mannschaft "performe". Trotz des mauen Saisonstarts mit zwei Remis und dem Aus im Pokal habe er kein Tief gesehen. Doch ein Blick in die Daten zeigt schnell, dass der Hannoveraner Erfolg auf wackeligen Beinen steht.

96 hat zwar die meisten Tore auf dem Konto, liegt aber 0,64 über dem Expected-Goals-Wert von 2,03 pro Partie. Das ist sogar noch eine größere Überperformance als in der Defensive, in der die realen 1,17 Gegentore pro 90 Minuten 0,36 unter dem erwartbaren Wert liegen.

"Wir haben jetzt ein Spiel im Pokal im Elfmeterschießen verloren und hier sehr unglücklich gegen den HSV. Ansonsten performt die Mannschaft. Und das ist wichtig." 96-Trainer Stefan Leitl

Da sich die realen und statistischen Werte über eine Saison meist angleichen, scheint die Ergebnisdelle nah. Mit einem Performance-Score von 58,96 belegt 96 in dieser Statistik ohnehin nur den siebten Tabellenplatz.

Leistungsträger Neumann, Nielsen, Zieler & Co.

Die Leistungsträger sind die üblichen Verdächtigen. Torhüter Ron-Robert Zieler (61,59) und Stürmer Havard Nielsen (61,72) haben mit ihrem Performace-Score genauso die 60-Punkte-Marke geknackt wie die Innenverteidiger Phil Neumann (62,36) und Marcel Halstenberg (61,35) sowie der linke Schienenspieler Derrick Köhn (60,17), der auf seiner Position der Beste der Liga ist, und der zentrale Mittelfeldmann Enzo Leopold (61,20).

Wo in dieser Aufzählung Toptorjäger Cedric Teuchert steckt? Der hat mit 59,62 die 60 knapp verpasst - fünf seiner sechs Saisontore aber auch vom Elfmeterpunkt erzielt. Diese Zahl hilft auch ein Stück weit bei der Einordnung von Hannovers Torflut und der Ergebnisse insgesamt. Denn kein Team bekam in der bisherigen Saison mehr Strafstöße zugesprochen als 96, das deshalb auch bei den Toren nach Standards in Führung liegt.

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Hohes Pressing als starkes Mittel zum Erfolg

Leitl ist es gelungen, eine effektive Pressingmaschine zu bauen. Mit knapp 20 hohen Pressingaktionen pro Spiel belegen seine Mannen ebenso Rang zwei wie mit 88 Balleroberungen. 30 davon schon in der gegnerischen Hälfte sind Ligaspitze. Auch die 40 im Mitteldrittel sind der Topwert.

Diese Zahlen sind umso bemerkenswerter, weil seine Profis sich selbst kaum Fehler im eigenen Spielaufbau leisten. Bei den individuellen Patzern, die in den vergangenen Jahren noch reihenweise Gegentore zur Folge hatten, ist 96 sogar ebenfalls Ligaprimus.

Leitl legt wenig Wert auf Optik, sondern Effektivität

Leitl legt deutlich mehr Wert auf Effektivität als auf die Optik. Keine Mittelfeldreihe geht so oft ins Tackling wie die von Hannover. Und nirgendwo werden so viele lange Bälle (über 54 pro Spiel) gespielt. Erlaubt ist, was den Erfolg bringt.

"Wir müssen akribisch weiterarbeiten, bei uns und demütig bleiben. Es geht darum, das richtig einschätzen zu können, die nächsten Wochen positiv anzugehen und die Leistung auf den Platz zu bringen." 96-Trainer Stefan Leitl

All das ist möglich, weil Manager Marcus Mann den Kader nach den Vorstellungen des Trainers umgebaut hat. Die sogenannte Team-DNA, die sich danach berechnet, wie gut die Eigenschaften der Spieler zu den taktischen Vorgaben passen, ist von 84,88 auf 89,07 gestiegen (Werte über 85 sind gut). Belegte Hannovers Kader in dieser Hinsicht in der vergangenen Saison noch Rang 14, ist nun bereits Platz vier notiert.

Vieles spricht gegen eine erfolgreiche Saison

Doch auch wenn der Kader nun auf sein präferiertes 3-4-1-2-System ausgelegt ist, nimmt der Coach noch ziemlich viele Wechsel vor. Auf der Skala von 0 bis 100 bei der Teamstabilität (Wie oft lässt der Trainer das gleiche System mit den gleichen Spielern spielen?) kommt Leitl nur auf 64,46 Punkte. Zum Vergleich: Holstein Kiel kommt auf 90,91. Aber viele Wechsel hin oder her - die Schleswig-Holsteiner stehen in der Tabelle nur einen Punkt vor dem Nordkurrenten.

Bleibt die Frage: Wohin führt die Reise von 96 in dieser Saison? Vieles spricht dafür, dass es trotz allem auch in dieser Runde nicht zu mehr als einem Platz im Mittelfeld reichen wird: Vom Performance Score her Siebter, und auch von der errechneten Kaderstärke. Die Überperformance im Angriff und in der Verteidigung sowie die vielen Elfmeter. Laut Saisonsimulation werden die "Roten" wie im Vorjahr nur Zehnter.

1986 folgte auf den Rekordsieg die Bundesliga-Rückkehr

Was so ein Kantersieg - dazu noch in einem Niedersachsenduell - für die Psyche der Spieler bedeutet, lässt sich allerdings nicht berechnen. Und womöglich kommen Kapitän Zieler und seine Mitspieler nun in einen Lauf? So war es jedenfalls nach dem Rekordsieg im Jahr 1986 unter Coach Wähling. Am Ende standen die Zweitliga-Meisterschaft und der Aufstieg.

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Sportclub | 24.09.2023 | 22:50 Uhr

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