Krisen und Zukunftsangst: Wie wir unsere Resilienz stärken
Krieg in der Ukraine und in Nahost, Klimawandel, steigende Preise: Diese Ereignisse machen vielen Menschen Angst. Indem wir unsere Resilienz stärken, können wir besser damit umgehen. Tipps vom Experten.
Es gab eine Zeit, in der uns schlechte Nachrichten vielleicht schockierten, aber selten direkt betrafen. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 änderte sich das, zugleich folgten seither viele negative Ereignisse, die die Menschen beunruhigen: Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, die Folgen des Klimawandels, steigende Lebenshaltungskosten und politische Instabilität.
"Die ständige Konfrontation mit schlechten Nachrichten in den Medien und das Gefühl, sie nicht lösen zu können, versetzt unser Gehirn in Dauerstress", sagt René Träder, Coach für Resilienz und Stressmanagement. "Stress darf zwar kommen, er muss aber auch wieder gehen", so Träder. Dauerhafter Stress kann zu Magen-Darm-Beschwerden, Schlafstörungen, Herzrasen und in schlimmen Fällen zu Depressionen führen. Eine Möglichkeit, besser mit Stress, Ängsten und Sorgen umzugehen, besteht in der Stärkung unserer Resilienz.
Resilienz - was ist das?
Als Resilienz wird in der Psychologie die psychische Widerstandskraft bezeichnet, also die Fähigkeit eines Menschen, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen und Belastungen auszuhalten. Die Resilienz von Menschen ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. So kann beispielsweise der Verlust des Arbeitsplatzes für eine weniger resiliente Person sehr belastend sein und sie langfristig negative Gefühle auslösen. Wer resilient ist, kann den Verlust hingegen vermutlich schnell akzeptieren, sich einen neuen Job suchen und auf die positiven Aspekte des Jobwechsels zurückblicken. Eine starke Resilienz hilft uns im Umgang mit Krisen und lässt uns gestärkt daraus hervorgehen.
Die eigene Überforderung wahrnehmen
Der erste Schritt zur Stärkung der Resilienz liegt darin, die eigenen Grenzen wahrzunehmen, erklärt René Träder: "Es ist völlig okay, in diesen Krisenzeiten überfordert zu sein". Schwäche zu zeigen, falle jedoch vielen Menschen schwer. Die Psychologin Kamila Skolik stellte etwa fest, dass viele ihrer Klienten momentan von Geldsorgen geplagt sind. Sie rät, mit Familie und Freunden darüber zu sprechen. "Es tut gut, wenn man merkt, man ist nicht allein", so Skolik. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass es anderen genauso geht, ist groß: So fürchteten sich laut einer Studie der R+V-Versicherung über die "Ängste der Deutschen" im Jahr 2024 57 Prozent der Menschen vor steigenden Lebenshaltungskosten.
Resilienz stärken: Lösungen suchen und handeln
Auch wenn wir viele Entwicklungen weder vorhersehen noch kontrollieren können: Wichtig ist, zu erkennen, dass wir für uns selbst und in unserem unmittelbaren Umfeld durchaus etwas bewirken können und aus einer passiven in eine aktive Rolle zu wechseln. "Wir können ganz viel für unsere Resilienz tun, wenn wir Entscheidungen treffen," erklärt dazu René Träder. Eine Entscheidung kann es sein, bei seelischen Schwierigkeiten nach Hilfe zu fragen und diese anzunehmen oder den Arbeitgeber zu wechseln, um die eigene finanzielle Lage zu verbessern. Wer akute Geldnot hat, kann vielleicht Freunde oder Verwandte um finanzielle Unterstützung bitten, so Träder. Eventuell gibt es ungenutzte finanzielle Hilfe vom Amt oder Spenden von anderen Institutionen.
Handlungsfähig werden und "Opferrolle" verlassen
Ein entscheidender Faktor und wohl auch der schwierigste Teil zur Stärkung unserer Resilienz liegt darin, aus der Opferrolle herauszukommen. "Je länger wir darin verharren, desto handlungsunfähiger werden wir", erklärt der Resilienz-Experte. Sich selbst als Opfer von Politik und Wirtschaft zu sehen, sei in dieser Situation zwar verständlich, aber nicht hilfreich. Es gilt, die eigene individuelle Handlungsfähigkeit zu erkennen und an konkreten Lösungen zu arbeiten, um die eigene Situation zu verbessern.
Medienkonsum einschränken
Durch das Smartphone, die sozialen Medien und Eilmeldungen sind viele Menschen ständig mit Nachrichten konfrontiert. Doch wenn wir stets über die großen Probleme grübeln, beeinträchtigen wir unsere Fähigkeit, rational und lösungsorientiert zu denken. Und wer sich am Abend lieber nicht mehr mit den Nachrichten befassen will, muss kein schlechtes Gewissen haben: "Wer seine mentale Gesundheit schützt, betreibt Psychohygiene und das ist ganz wichtig. Wir dürfen unseren Optimismus nicht verlieren", so Träder. Wer nur einmal am Tag Nachrichten schaut, bekomme alles mit und bleibe handlungsfähig, weil er nicht in dauerhaften Stress verfällt.
Gefahren realistisch einschätzen
"Häufig schätzen wir die Welt falsch ein", erklärt Träder. So hatten nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Jahr 2016 viele Menschen Angst, auf Weihnachtsmärkten Opfer eines Terroranschlags zu werden. Dass die Wahrscheinlichkeit für einzelne Personen statistisch gesehen sehr gering ist, änderte diesen Umstand nicht. Als die große mediale Aufmerksamkeit für Terroranschläge auf Weihnachtsmärkten in den kommenden Jahren nachließ, verschwand diese Angst bei vielen Menschen wieder. Es ist daher ratsam, die konkrete Gefahr für sich selbst möglichst realistisch einzuschätzen.
Um etwa die konkrete Bedrohung für Deutschland durch den Krieg auf die Ukraine für sich besser einordnen zu können, helfe womöglich ein Fachartikel mit der Einschätzung eines neutralen Experten. Zudem sei es ratsam, sich unmittelbar vor dem Schlafengehen nicht mehr mit Nachrichten zu beschäftigen.
Aktiv werden und Ohnmachtsgefühl bekämpfen
Viele Menschen fühlen sich besser, wenn sie aktiv werden. So kann es der Psyche guttun, an Demonstrationen teilzunehmen, um dem Ohnmachtsgefühl entgegenzuwirken. Wer finanzielle Mittel hat, kann zum Beispiel für soziale Projekte oder gemeinnützige Hilfsorganisationen spenden. Auch Sachspenden oder ehrenamtliche Tätigkeiten können Gefühle von Hilflosigkeit schwinden lassen und dem eigenen Befinden zugutekommen.
Wie Menschen mit ihrer Angst umgehen, ist sehr unterschiedlich. Manchen hilft es, die eigene Anspannung mit Humor zu bekämpfen. Ein Weg aus dem eigenen Stresskreislauf kann zudem sein, sich die eigene Lage bewusst zu machen und dankbar zu sein, dass es einem selbst verhältnismäßig gut geht. Auch ein Spaziergang an der frischen Luft, ein Treffen mit Freunden oder das eigene Leibgericht zu kochen, kann die psychische Gesundheit stärken.
Wer seine Probleme lösen kann, wird krisenfester
Wer sich bei dem Gedanken ertappt, dass sich die eigenen Probleme nun einmal nicht so einfach lösen lassen, steckt laut Träder noch in der Opferrolle. "Man kann sich stattdessen ja auch sagen: 'Die Politik hat für mich zwar versagt, trotzdem werde ich jetzt alles in meiner Macht Stehende tun, damit es mir schnell besser geht'".
Je länger Menschen in der passiven Opferrolle verharren, desto schwerer falle es ihnen, herauszukommen, erklärt der Resilienz-Experte. Die eigene Widerstandsfähigkeit zu stärken, sei ein Prozess und für viele Menschen nicht von heute auf morgen umsetzbar. Doch es lohne sich, seine Probleme anzugehen, erklärt Träder: "Wer in einer Krise aktiv wird und seine Probleme eigenständig löst, wird krisenfester, weil er die positiven Erfahrungen auch in kommenden Krisenzeiten wieder abrufen kann."
Hilfe suchen bei Hausarzt oder Telefonseelsorge
Ein wichtiger Schritt kann aber auch sein, sich externe Hilfe zu holen. Das kann die Hausärztin oder der Hausarzt sein oder auch die Telefonseelsorge, die online und unter den Telefonnummern (0800) 111 0 111, (0800) 111 0 222 sowie 116 123 rund um die Uhr anonym und kostenfrei erreichbar ist. Akute Hilfe für Kinder, Jugendliche und Eltern gibt es bei der Nummer gegen Kummer unter der Telefonnummer 116 111.