Wechselstimmung in den kreisfreien Städten
In den kreisfreien Städten brechen für die Oberbürgermeister möglicherweise schwierige Zeiten an: Die Mehrheiten haben sich mit der Kommunalwahl verändert. Für den Politikwissenschaftler Knelangen ist die Entwicklung Teil eines generellen Trends.
Richtig gut geschlafen hat Ulf Kämpfer nicht, sagt der Kieler Oberbürgermeister einen Tag danach: "Es geht einem ja doch Vieles im Kopf rum." Dass die SPD in ihrer bisherigen Hochburg Kiel nur auf dem dritten Platz gelandet ist, sei "ziemlich bitter".
Die Partei will noch analysieren, woran es gelegen hat. Kämpfer denkt, dass es ein Bündel von Gründen gibt. Das sind etwa Dinge, die die Verwaltung betreffen, seien es der Bürgerservice oder die Verkehrsthemen in der Stadt. Aber auch der Bundestrend könnte besser sein, sagt der OB. Und im Land müsse man die "Kampagnenfähigkeit" zurückgewinnen.
Grüne in Uni-Städten stärker
Kämpfer sieht aber auch eine Tendenz in vielen anderen deutschen Großstädten mit Universitäten, in denen mehrheitlich grün gewählt wird. "Das ist ein allgemeines Phänomen, das wir in vielen Großstädten haben." Und ergänzt: "Das hätte ich gerne noch vermieden hier in Kiel."
Aus Sicht des Grünen-Landeschefs Gazi Freitag hat seine Partei in Stadt und Land gute Arbeit geleistet, "und das honorieren die Menschen." Im Wahlkampf sei man bürgernah gewesen, "und darum gehts vor allem in einer Kommunalwahl. Die Menschen haben Fragen und sie haben die Antworten bekommen", so Freitag.
Politikwissenschaftler: SPD ist "leidtragende Partei"
Im akademischen Milieu haben es die Grünen immer leichter, weiß der Politikwissenschaftler Wilhelm Knelangen. Vor allem bei jungen Menschen und Besserverdienern verortet er deren Wählerklientel.
Bei Themen wie der Energiewende sieht er eine Polarisierung: Auf der einen Seite stehen die Grünen - auf der anderen etwa die CDU. Leidtragende Partei sei scheinbar die SPD, sagt Knelangen, "Man weiß gar nicht ganz genau, wofür die SPD an der Stelle steht."
Vier Städte ohne dominante Kraft
Für die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte wird es in Zukunft nicht leichter: In Kiel und Lübeck betrifft das die SPD-Verwaltungschefs Kämpfer und Lindenau - in ihren Städten sind die Sozialdemokraten nicht mehr die Nummer eins, sondern Grüne beziehungsweise CDU.
In Flensburg hat es der parteilose Oberbürgermeister Fabian Geyer nunmehr mit dem SSW als stärkster Kraft zu tun, in Neumünster SPD-OB Tobias Bergmann weiterhin mit der CDU.
Aus Sicht des Politikwissenschaftlers Knelangen haben die Ergebnisse in den kreisfreien Städten ein verbindendes Element: Es habe keine klare, dominante, starke Partei gegeben, sondern meist einen "Dreikampf", entweder zwischen Grünen, SPD und CDU - oder in Flensburg mit dem SSW. Das sei eine generelle Tendenz, so Knelangen, dass die großen Parteien etwas kleiner werden, die kleinen Parteien größer.
"Flügelschläge" können entscheiden
Für Mehrheiten würden immer mehr Parteien gebraucht, "und dann kann es mal von ganz kleinen Flügelausschlägen abhängen, wer eigentlich die Mehrheit in den Händen hält", so Knelangen. Denn auch in Kiel und Lübeck sei das Ergebnis am Ende sehr knapp gewesen.
In Kiel sagt Oberbürgermeister Ulf Kämpfer: "Die politische Landschaft ist insgesamt viel wechselhafter geworden. Wer heute oben ist, kann morgen wieder ganz unten sein bei einer Wahl. Das betrifft alle Parteien, aber uns im Moment besonders."