Wie inklusiv und barrierefrei ist die Kieler Woche?
Von Konzerten für hörgeschädigte Menschen bis hin zu Regattabegleitfahrten für Rollifahrerinnen und Sehbehinderte - die Kieler Woche wirbt in diesem Jahr mit inklusiven Angeboten. Die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen findet Lob und Kritik.
In diesem Jahr soll auf der Kieler Woche das WIR noch größer geschrieben werden als in den vergangenen Jahren, sagt die Stadt Kiel. Das bedeutet: mehr Inklusion, weniger Barrieren - eine Woche für alle. Es gibt zum Beispiel Ruhezonen, Mitmachveranstaltungen und verschiedene Angebote für gehörlose oder gehbehinderte Menschen. Man habe zahlreiche Aktionen und Initiativen auf den Weg gebracht, sagt der Leiter des Kieler-Woche-Büros, Philipp Dornberger. Die Inklusion auf der Festwoche sei für ihn "wie eine bunte Pflanze, die noch weiter gewachsen ist und immer mehr aufblüht".
"Thema Inklusion gewinnt an Bedeutung"
Die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, Michaela Pries, bestätigt eine positive Entwicklung: "An den inklusiven Angeboten in diesem Jahr sieht man: Die Kieler-Woche-Veranstalter machen sich auf den Weg." Während früher der Fokus ihrer Ansicht nach vor allem auf Plätze für Rollifahrende vor den Konzertbühnen gelegt wurde, würden jetzt auch andere Beeinträchtigungen mitbedacht. "Das Thema Inklusion gewinnt mehr und mehr an Bedeutung - das ist gut", so Pries.
Konzerte für Gehörlose und Schwerhörige
So können zum Beispiel auch Schwerhörige und Gehörlose Konzerte erleben - wie am Wochenende beim Konzert von Patrice auf der Rathausbühne. Zwei Gebärdensprachdolmetscherinnen übersetzten die Songs für die sogenannte Deaf-Community (deaf = taub/gehörlos auf Englisch). Eine hörende Gebärdensprachdolmetscherin stand unten vor der Bühne - sie übersetzte die Songs dann für die nicht hörende Gebärdensprachdolmetscherin auf der Bühne, die fürs Publikum dolmetschte.
Diese doppelte Übersetzung sei wichtig, sagt Dolmetscherin Laura-Levita Valyte: "Alles das, was die Künstlerinnen sagen oder singen, ist eben für die hörenden Dolmetscherinnen gar nicht so in Gebärdensprache darzustellen, wie wir das eben können. Wir geben dann sozusagen den Inhalt eins zu eins weiter."
Metaphern müssen verständlich gemacht werden
Es gebe zum Beispiel viele Methaphern, ergänzt ihr Kollege Jason Giuranna, und die seien anders in Gebärdensprache und müssten daher verständlich umgewandelt werden. Künstler Patrice auf der Bühne sagte: "Es sieht schön aus und umso besser, wenn es mehr Leuten ermöglicht, daran teilzuhaben."
Angebote wie dieses gibt es während der ganzen Kieler Woche für Erwachsene und Kinder. "Auch davon wünsche ich mir natürlich mehr", sagt Michaela Pries.
Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen sieht auch Defizite
Im Vergleich zum vergangenen Jahr gibt es dieses Mal auf der Kieler Woche viele neue Angebote: Einen Tanztee für Seniorinnen, ein Teilhabe-Eventzelt oder einen barrierefreien Strandkorb auf dem Rathausplatz. Noch mehr Gedanken an Inklusion und Barrierefreiheit wünscht sich die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen beim Segelsport.
Es gebe zwar Mixed-Segelteams, Segelkurse für Sehbehinderte und Regattabegleitfahrten, aber, so Michaela Pries: "Die Infrastruktur für Menschen mit Beeinträchtigungen in den Segelstandorten ist ungenügend. Es ist oft sehr mühsam, überhaupt zum Boot zu kommen." Im Ursprung sei die Kieler Woche ja ein Segelsportereignis und in dem Bereich immer noch die größte Veranstaltung der Welt - daher müsse gerade bei diesem Sport das Drumherum noch inklusiver gedacht werden.
Die Kieler Woche ist nur so barrierefrei wie Kiel selbst
Größtes Problem bei der Barrierefreiheit auf der Kieler Woche sei aber die Stadt Kiel selbst, so Pries. Denn Kiel habe an sich das ganze Jahr über viele Barrieren. "Dazu gehört natürlich das Kopfsteinpflaster." Das wird wohl bleiben - über die zahlreichen Kabel auf den Fußwegen hat die Stadt aber nach eigenen Angaben in diesem Jahr besonders flache, barrierearme Kabelbrücken gelegt.
Ein weiteres Problem sei die Mobilität, sagt Michaela Pries: "Es ist schon schwer, als beeinträchtigter Mensch überhaupt mit Bus und Bahn nach Kiel zu kommen - in der Stadt klappt der Nahverkehr ganz gut, aber nach Kiel hinein ist es eine Katastrophe."
Alle Beteiligten wollen nach der Festwoche Inklusions-Bilanz ziehen
Die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen wünscht sich nach der Kieler Woche eine intensive Evaluation der inklusiven Angebote. "Denn natürlich ist mir alles immer zu wenig", sagt sie. Auch die Stadt Kiel will nach der Kieler Woche Bilanz ziehen - zusammen mit Trägern, Verbänden, Vertretungen sowie dem Seniorinnenbeirat und dem Beirat für Menschen mit Behinderung der Landeshauptstadt Kiel, um die Services noch weiter zu verbessern.