Kieler Woche: Start mit Gästerekord und Gedränge am Wasser
1,2 Millionen Menschen haben laut Stadt in den ersten Tagen die Kieler Woche besucht - ein Rekordwert. Am Samstagabend kam es an der Kiellinie zu Gedränge, die Polizei griff ein. Die Veranstalter wollen in den kommenden Tagen nachbessern.
Schon vor der offiziellen Eröffnung am Samstagabend waren die Stände und Zelte an der Kiellinie gut besucht. Hunderttausende Besucherinnen und Besucher genossen den Auftakt zu einem der größten Sommerfeste im Norden Europas. Laut einer ersten Polizeibilanz am Sonntag gab es bisher keine größeren Zwischenfälle. Allerdings wurde es in einigen Bereichen so voll, dass sich die Einsatzkräfte entschieden, einzugreifen: An der Kiellinie erklärte die Polizei die Promenade zwischenzeitlich zur Einbahnstraße.
Gedränge am Seehundbecken: Kiellinie wird zur Einbahnstraße
Der Hintergrund: Auf Höhe des Seehundbeckens des GEOMAR kam es teilweise zu Staus: "Es sind aus beiden Richtungen zahlreiche Personen aufeinander zugekommen, es hat sich dann ein entsprechender Pfropfen gebildet, sodass es nicht mehr vor und zurück ging", sagte Polizeisprecher Matthias Arends. Eine NDR-Reporterin berichtet von dichtem Gedränge. Menschen liefen teilweise quer durcheinander, um es doch in die andere Richtung zu versuchen. Viele achteten nicht mehr auf Besucherinnen und Besucher im Rollstuhl oder auf Krücken - auch sie wurde nach vorne gedrängt. Eltern hielten Kinderwagen teilweise über ihre Köpfe. Eines anderen Augenzeug zu Folge sind einige Menschen über Absperrzäune gestürzt und verletzten sich an Splittern. Ansonsten gab es laut Polizei keine Verletzten.
Ein Twitter-Nutzer hat die Situation gefilmt und das Video veröffentlicht.
Kieler-Woche-Veranstalter baten Besucher auszuweichen
Auf einigen Leuchtreklamen war der Hinweis zu sehen "Die Kiellinie ist derzeit stark besucht. Bitte weicht auf den Düsternbrooker Weg aus oder besucht eines unserer anderen Eventareale". Auch auf Twitter verbreiteten die Organisatoren diesen Hinweis, die Polizei informierte nach eigenen Angaben mit Lautsprecherdurchsagen. Bei den Besucherinnen und Besuchern unmittelbar am Seehundbecken kamen diese laut der NDR-Reporterin aber nicht unmittelbar an. Am Eingang zur Kiellinie sprachen Polizistinnen und Polizisten die Gäste dann auch direkt an und wiesen sie auf die Laufrichtung hin.
Ab etwa 22.30 Uhr habe sich die Lage wieder entspannt. Gegen Mitternacht sei es in Höhe der Blücherbrücke erneut zu einer größeren Menschenansammlung gekommen, auch dort musste die Polizei eingreifen.
Veranstalter wollen nachbessern
"Unser Sicherheitskonzept, das unter anderem auch Einbahnstraßenregelungen an der Kiellinie und weitere Maßnahmen vorsieht, hat gegriffen", sagte Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD). "Aber noch nicht überall so schnell und effektiv, wie wir uns das wünschen. Wir sind täglich im Austausch mit Polizei und Feuerwehr und werden für die kommenden Tage den ein oder anderen Punkt noch verbessern", so Kämpfer.
So war die Situation war auch Thema auf den täglichen Sicherheitsbesprechung, sagte Kieler-Woche-Chef Phillip Dornberger NDR Schleswig-Holstein am Sonntag. "Wir haben uns das alles angeschaut, neue Absperrmöglichkeiten wurden eingerichtet, direkt auch vor Ort. Das gucken wir uns jetzt im Laufe der Woche jeden Tag an, um unser System immer weiter zu optimieren." Das gelte auch für andere Aspekte, zum Beispiel die Müllentsorgung.
Kämpfer: Sicherheitskonzepte funktionieren
Nach Informationen von NDR Schleswig-Holstein gibt es intern Kritik an der Stadt, die Menschenansammlungen nicht rechtzeitig bemerkt und zu spät gehandelt zu haben. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer sagte dazu am Montag: "Das Problem wurde erkannt, es wurde besprochen, es wurde entschieden und dann haben wir die Flächen gesichert und koordiniert. Dass das nicht von der einen auf die andere Minute geht, ist irgendwie auch klar, weil man dann zum Beispiel die verschiedenen Kräfte zusammenziehen muss." Es tue ihm leid für jeden, der unangenehme Situationen erleben musste. "Aber am Ende haben wir das gut kontrolliert und aus meiner Sicht ist es eher ein Ausweis unseres Sicherheitskonzepts, dass das funktioniert", so Kämpfer.
Dennoch will die Stadt künftig genauer hinsehen, um in solchen Situationen schneller reagieren zu können. Falls es in den kommenden Tagen erneut zu einem so großen Andrang kommen sollte, sollen mehr Absperrungen und Einbahnstraßenregelungen für eine bessere Verteilung sorgen, heißt es von der Stadt und der Polizei.
Bis zum Abschlussfeuerwerk am kommenden Sonntag erwartet die Stadt mehrere Millionen Gäste aus der ganzen Welt zu dem Segelsportgroßereignis, das gleichzeitig das größte Sommerfest im Norden Europas ist.
25 Körperverletzungen angezeigt, 22 Platzverweise
Trotz der Menschenmassen blieb es laut Polizei am Freitag und Sonnabend überwiegend friedlich. Die eingesetzten Beamtinnen und Beamten nahmen bislang 35 Strafanzeigen auf, hauptsächlich ging es dabei um Körperverletzungen. 22 Menschen wurden vom Gelände verwiesen. Ein Mann weigerte sich laut Polizei, den Bereich zu verlassen und wurde in Gewahrsam genommen. Im vergangenen Jahr kam es an den ersten beiden Tagen zu 30 Körperverletzungen und zu insgesamt 46 Anzeigen, neun Menschen erhielten Platzverweise.
Polizei setzt auf bewährtes Einsatzkonzept
Für die weiteren Veranstaltungstage ist die Polizei nach eigenen Angaben gut aufgestellt, um allen Besucherinnen und Besuchern der Kieler Woche einen friedlichen Aufenthalt zu gewährleisten. Dafür sollen drei mobile Wachen am Hauptbahnhof, am Kleinen Kiel und an der Kiellinie am Ostseekai, sowie umfangreiche Fußstaffeln sorgen. Zudem hat die Polizei bereits im Vorfeld gegen mehrere Personen, die erst kürzlich durch gewalttätiges Verhalten in den Fokus der Polizei gerückt sind, ein Aufenthaltsverbot für die Veranstaltungsflächen ausgesprochen.
Aufenthaltsverbot außer Kraft gesetzt
Das Verwaltungsgericht in Schleswig hatte derweil am Montag (19.6.) in einem Eilverfahren ein von der Polizeidirektion Kiel verfügtes Aufenthaltsverbot für zwölf polizeibekannte Jugendliche außer Kraft gesetzt. Ein betroffener Jugendlicher, gegen den die Polizei in zahlreichen Fällen ermittelt, hatte Widerspruch eingelegt und Recht erhalten, wie die KN berichtet.
Autofahrer müssen sich im Zeitraum der Kieler Woche im Innenstadtbereich auf Straßensperren und Geschwindigkeitsbegrenzungen einstellen. Einige Straßen rund um Rathausplatz und die Kiellinie sollen zudem für Lkw komplett gesperrt bleiben. Veranstaltungsgelände sind zudem durch sogenannte Big Bags gesichert.
Eröffnung mit Unterstützung aus der Sesamstraße
Am Samstagabend ließen der Premierminister des westafrikanischen Inselstaates Kap Verde, José Ulisses de Pina Correia e Silva, und Elin aus der Sesamstraße dann zusammen mit Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) ganz nach alter Tradition auf dem Rathausplatz mit dem Typhon, einem Schiffshorn, das maritime Leinen-los-Signal "lang-kurz-kurz-lang" ertönen. Das traditionelle "Glasen" der Eröffnungszeremonie - drei Doppelschläge und ein Einzelschlag einer Schiffsglocke - hatte zuvor Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther (CDU) übernommen. Er wurde dabei von Samson aus der Sesamstraße unterstützt - die TV-Sendung feiert 2023 ihr 50-jähriges Jubiläum. Extrem-Segler Boris Herrmann wurde per Video von der Segel-Regatta Ocean Race zugeschaltet.
Nach der offiziellen Eröffnungszeremonie spielten am Sonnabend die Sportfreunde Stiller auf dem Rathausmarkt. Das wollten so viele Menschen sehen, dass der der Zugang zum Rathausplatz wegen Überfüllung gesperrt werden musste.
Oberbürgermeister Kämpfer: Gelebte Inklusion bei Kieler Woche
Was der Stadt Kiel in diesem Jahr ganz besonders wichtig ist, wurde gleich bei der offiziellen Eröffnung klar, denn Elin aus der "Sesamstraße" war auf der Bühne: Der Neuzugang bei der beliebten Fernsehsendung sitzt im Rollstuhl. Die Kieler Woche 2023 stehe ganz im Zeichen gelebter Inklusion, kommentierte Kämpfer die Auswahl der Gaststars.
Durch das Buddie-Netzwerk soll außerdem Menschen mit Einschränkungen ein ehrenamtlicher Partner zur Seite gestellt werden, um an Veranstaltungen teilnehmen zu können. Auch zu den Regatten werden gesonderte Begleitfahrten für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer angeboten.
Nicht genug Wind für Regatta am ersten Tag
Die etwa 4.500 Seglerinnen und Segler, die zur Kieler Woche in der Stadt sind, wurden an den ersten Tagen etwas enttäuscht: Der Wind reichte für die Regatten auf der Kieler Förde nicht aus. Die traditionelle Aalregatta konnte nur als verkürztes Rennen ausgetragen werden, die Profiseglerinnen und -segler nur rund anderthalb Stunden auf dem Wasser vor dem Kieler Olympiazentrum. Am Sonntagnachmittag konnten dann die ersten Wettfahrten beginnen.
Awareness-Teams-Schutzkonzept: Kieler Woche soll noch sicherer werden
Auf allen Eventarealen sind bei der Kieler Woche außerdem geschulte sogenannte Awareness-Teams unterwegs. Erkennbar an ihren lila Westen können sie jederzeit angesprochen werden, wenn sich Personen in bestimmten Situationen unsicher fühlen, Hilfe brauchen oder Situationen beobachten, die ihnen merkwürdig vorkommen. Über QR-Codes auf Plakaten sind die Teams auch erreichbar, falls gerade keines in Sichtweite ist. Auf dem gesamten Gelände der Kieler Woche stehen außerdem Rückzugsräume für die Betreuung von schutzsuchenden Personen bereit.
Am Ostseekai kümmert sich der Sanitätsdienst um diejenigen, die verletzt wurden, aber nicht als Notfall ins Krankenhaus gebracht werden müssen. So sollen die Kliniken nicht belastet werden.