Zwei Unternehmer, ein Kampf: Gegen die Schäden der Ostseesturmflut
Eine kleine Bootspolsterei und eine Brauerei in Flensburg kämpfen auch mehr als vier Monate nach der Jahrhundertsturmflut an der Ostsee gegen die Folgen. Von einem normalen Geschäftsalltag kann noch keine Rede sein.
Um die Terrasse von Hansens Brauerei in Flensburg ist ein Bauzaun gezogen. Der Betrieb ist seit dem 22. Januar dicht. Zwar hatte Inhaber Franz Dieter-Weiß direkt nach der Sturmflutnacht wieder aufgemacht - es war alles für ein Oktoberfest vorbereitet und er wollte das Weihnachtsgeschäft mitnehmen, sagt er. Doch die Flutschäden waren da - und sie müssen jetzt beseitigt werden.
Hansens Brauerei derzeit Großbaustelle
Dort, wo sich Franz-Dieter Weiß' Gäste normalerweise ein frisch gezapftes Bier schmecken lassen, ist jetzt ein mehr oder weniger leerer Raum. Einige Lampen sind mit Schutzfolien abgehängt. Der Holzfußboden, der zuvor drin war: rausgerissen. Er war vom Wasser aufgequollen, das 40 bis 50 Zentimeter hoch im gesamten Innenraum stand. Das Holzmobiliar: zum Teil draußen in einem Container, zum Teil im Laden aufgestapelt. Das Wasser hat die Stuhlbeine dunkel verfärbt. Die Möbel müssen zumindest zum Teil abgeschliffen und neu gebeizt werden. Die Wandverkleidung aus Holz musste komplett runter. Wochenlang ratterten Trockengeräte - einige sind immer noch da. "Das einzige, was geblieben ist, ist der Fliesenfußboden im hinteren Bereich. Da konnte ja auch nichts aufquellen. Ansonsten muss komplett saniert werden. Es ist kein schöner Anblick, wenn man hier reinkommt", sagt Inhaber Franz-Dieter Weiß.
Hoher finanzieller Schaden
Weiß beschäftigt normalerweise um die 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In der Saison bis zu 40. Für fast alle hat er im Moment nichts zu tun. Die Lohnkosten laufen weiter. Einzig seine Buchhalterin teilt mit ihm gerade das Büro. Franz-Dieter Weiß sitzt an seinem Schreibtisch und überfliegt den Zeitplan für die Bauarbeiten. "Man kann eigentlich nie genau sagen, was wann gemacht wird. Sobald an einer Stelle noch nicht alles trocken ist, verschiebt sich der Rest", sagt der Brauerei-Inhaber. Den finanziellen Schaden schätzt er auf 800.000 bis eine Millionen Euro. Welche Kosten möglicherweise erstattet werden - unklar.
Wiedereröffnung vor Ostern
Der neuer Holzfußboden, neue Rigipsplatten und Fliesen in den Toiletten, Aufarbeitung des Mobiliars: es ist noch viel zu tun in Hansens Brauerei. Franz-Dieter Weiß ist trotzdem zuversichtlich, dass sie das alles vor Ostern noch wuppen. Eigentlich würde er das Bier gerne wieder am 21. März durch die Zapfhähne laufen sehen; spätestens aber am 26. März.
Um sich besser vor der nächsten Flut zu schützen, hat Unternehmer Weiß etwa einen Meter hohe Drucksperren aus Aluminium für die Außentüren bestellt, eine Art Schotten. Die werden montiert, wenn das Wasser kommt. "Aber es kam ja im Oktober auch durch die Kanalisation hoch. Und da ist die Stadt am Zug, denn die Entwässerung funktioniert so nicht." In die Zukunft blickt der gebürtige Flensburger gelassen. "Wenn wieder eine Flut kommt, dann kommt sie. Ich kann mich ja nicht verrückt machen und mir selbst den Tag versauen", sagt der Unternehmer. Nutzt ja nix, es muss weitergehen, so ist seine Devise.
Herbe Rückschläge in Wiebke Petersens Bootspolsterei
Für Wiebke Petersen sollte der Start ins neue Jahr auch ein Neustart mit ihrer neuen Werkstatt in der Flensburger Toosbüystraße werden. Die hatte sie noch im letzten Jahr angemietet, weil ihre alte Werkstatt nach der Sturmflut nicht mehr zu gebrauchen war. Anfang Januar wollte sie die Türen zu ihrem neuen Laden wieder für Kunden aufschließen. Doch es kam anders: Ende Dezember letzten Jahres wird Wiebke Petersen krank. Nichts geht mehr - sie muss für zehn Tage ins Krankenhaus. Jetzt ist sie im wahrsten Sinne des Wortes zwar wieder auf den Beinen, aber: "Es geht einfach alles nicht so schnell, wie ich dachte. Manchmal denke ich, ich kriege das alles nicht mehr so zurecht", sagt die 69-Jährige ein bisschen nachdenklich.
Wasserschaden in der neuen Werkstatt
Mit der Krankheit ist die Pechsträhne noch nicht zu Ende: Nach der Installation einer neuen Wascharmatur platzt der Boiler. Und wieder hat sie Wasser in ihrer Werkstatt. Dabei hatte Wiebke Petersen extra Räume am Berg angemietet, um zumindest vor dem Wasser aus der Förde sicher zu sein. Dass das Wasser sie auf diesem Weg und so schnell wieder einholen würde, hätte sie nicht gedacht. "Für einen kurzen Moment habe ich ans Aufgeben gedacht. Da war ich einfach das kleine Mädchen Wiebke, das auf den Arm wollte. Aber zum Glück hat mich keiner darin bestärkt, aufzuhören. Und nach einem halben Tag war das dann auch wieder vorbei", erzählt sie und lächelt. Den Wasserschaden von 5.000 Euro wird die Versicherung zahlen, sagt sie erleichtert.
Es geht voran - in kleinen Schritten
Anders als bei der Jahrhundertflut ist der Wasserschaden dieses Mal schneller beseitigt. Und im Gegensatz zu Hansens Brauerei ist die Bootspolsterei inzwischen wieder geöffnet. Die Nähmaschinen stehen an ihrem Platz, auf einem großen Tisch in der Mitte des Raumes misst und schneidet Wiebke Petersen Stoffe zurecht, an einem Regal in der Ecke hängen Stoffmuster. In einer Ecke der Werkstatt hat sie eine gemütliche Sitzecke mit cognacfarbenen Ledermöbeln und einem kleinen Tischchen eingerichtet. Zwar sehen Teile des Raums noch ein bisschen wuselig aus, "aber das wird. Das ist ja auch eine Werkstatt hier." Eine offizielle Eröffnung hat sie bisher noch nicht gefeiert - das will Wiebke Petersen aber Anfang April nachholen.
"Das Gefühl, nicht allein zu sein, trägt einen"
Von normalem Geschäftsalltag kann bei Wiebke Petersen noch nicht die Rede sein. "Ich muss mich daran gewöhnen, Dinge langsam zu tun. Obwohl ich sie schnell denke." Trotz der vielen Rückschläge innerhalb nur weniger Monate: "Das hat mir auch gezeigt, wie sehr ich mich auf meine Familie und meine Freunde verlassen kann. Das ist ein dickes Pfund!" Von allen Seiten habe sie viel Unterstützung erhalten: Ein befreundeter Tischlermeister aus Hamburg bot ihr Hilfe bei Holzarbeiten an, eine andere Freundin ist Sängerin und spendete Wiebke Petersen die Einnahmen aus einem Konzert. "Das trägt einen. Das Gefühl, nicht allein zu sein. Wenn ich dieses Jahr gut überstehe, dann läuft es auch wieder", hofft Wiebke Petersen.