Zukunft der Kitas in SH: Diskussionen im Landtag
Ein Gesetz sollte vieles besser machen für die Kitas im Land. Personalmangel und knappe Kassen setzen Trägern und Kommunen allerdings vermehrt zu. Erste Kitas müssen gar den Ausbau stoppen. Über mögliche Lösungen herrscht im Landtag Uneinigkeit.
Wie können neue Kita-Plätze geschaffen und die Folgen des Personalmangels abgemildert werden? Es sind Fragen, die drängen. Mehr als 15.000 Plätze fehlen im Land. Kitas schließen oder kürzen die Öffnungszeiten und ein kindgerechter Personalschlüssel kann vielerorts kaum mehr eingehalten werden. Hinzu kommt, dass die vom Land festgelegten Kita-Fördersätze nicht ausreichen. Deshalb ziehen erste Gemeinden die Reißleine.
Ausbau von Kita in Berkenthin gestoppt
In Berkenthin (Kreis Herzogtum-Lauenburg) sollte die Kita "Kunterbunt" um zwei Gruppen erweitert werden. 30 weitere Kinder hätte man so betreuen können. Doch daraus wird erstmal nichts. Der Ausbau der Kita wurde gestoppt und auf unbekannte Zeit verschoben. Und das, obwohl die Baugenehmigung bereits vorlag, die Auftragsausschreibungen waren vorbereitet und eine Förderung vom Kreis stand in Aussicht. Der Grund für den Stopp: Der Kommune fehlt das Geld.
Kinderbetreuung: Ende des politischen Willens
Das ist bitter. Seit 15 Jahren habe man es geschafft, allen Kindern einen Kita-Platz anbieten zu können, sagt Frank Herzog, Vorsteher des verantwortlichen Kita-Zweckverbands Stecknitz. Die Betreuung von rund 400 Kindern wird durch den zum Amt Berkenthin gehörenden Zweckverband verwaltet. "Allen Kindern einen Platz anzubieten, kostet Geld. Aber das wollen wir so. Es ist politischer Wille", sagt Herzog. Doch die Zeiten dieses Grundsatzes seien vorbei, sagt er, vergangene Woche habe man sich von ihm getrennt. Die zwei neuen Gruppen wird es vorerst nicht geben.
Kostensteigerungen in allen Bereichen
Grund für den Schritt sind laut Herzog die erheblichen Kostensteigerungen beim Kita-Personal, den Mieten, Reinigung und Energie. Für 2024 hätten die Kosten für die zum Zweckverband gehörenden Gemeinden mehr als 2,5 Millionen Euro betragen. "Seit Inkrafttreten der Kita-Reform reichen die vom Land berechneten und mitfinanzierten Fördersätze nicht aus." Hinzu käme, dass der vom Land eingeführte landesweite Elternbeitragsdeckel nicht vollständig gegenfinanziert sei. Herzog: "Hier fehlen uns gegenüber der Zeit vor der Reform ganz erhebliche Einnahmen."
"Ein Schlag ins Gesicht der Familien"
Indem auf die zwei Gruppen verzichtet wird, sparen die zum Zweckverband gehörenden Gemeinden bis zu 200.000 Euro. Das ist eine Menge Geld für Gemeinden, die knapp bei Kasse sind. "Die Landesregierung kann hier vor Ort sehen, welch drastische Auswirkungen ihre unzureichend gegenfinanzierte Kita-Reform hat", schreibt Berkenthins Bürgermeister, Friedrich Thorn (BWI) in einem Brandbrief. Das sei, "ein Schlag ins Gesicht unserer Familien."
Landtag debattiert über Änderung des Kita-Gesetzes
Dass der Bereich Kita vor großen Herausforderungen steht, darin waren sich auch die Landtagsabgeordneten bei ihrer Dezember-Sitzung einig. Doch welche Lösungen helfen könnte, darüber herrschte Uneinigkeit. Während die Opposition die Kommunikation von Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) kritisierte, und auf mehr finanzielle Unterstützung drängte, verwies die Landesregierung auf Mittel und Strategien, die bereits zur Verfügung stünden.
700 Millionen Euro für Kita-Bereich
Es brauche verlässliche Kitas, sagte Touré. Daher gebe das Land bereits 700 Millionen Euro in das Kita-System - 96 Millionen mehr im Vergleich zum Vorjahr. Außerdem, so Touré, habe man in den vergangenen fünf Jahren 13.000 zusätzliche Kita-Plätze geschaffen. "Alles steht und fällt mit den Fachkräften." Angesichts fehlenden Personals verwies sie auf die Umsetzung der Fachkräfte-Stärken-Strategie des Landes.
Fachkräfte-Stärken-Strategie gegen Personalmangel
Mit dem Programm sollen unter anderem mehr Quereinstiege möglich sein, sozialpädagogische Assistenzen können mit einer Qualifizierung nun auch Gruppen leiten und ausländische Fachkräfte würden schneller in den Arbeitsmarkt integriert. Außerdem wurden laut der Ministerin Ausbildungsplätze aufgestockt und zusätzliche Lehrstellen geschaffen. In 2023 sollen dafür fünf Millionen und 2024 zehn Millionen Euro investiert werden.
Nies: Nun werde gehandelt
Allerdings werde es noch dauern, bis die umgesetzten Maßnahmen wirken, sagte Catharina Nies (Grüne): "Fachkräftestrategien wirken immer zeitversetzt. Unsere Fachkräfte-Stärken-Strategie wird ihre Wirkung auch erst in einigen Jahren voll entfalten." Umso wichtiger sei, dass der Weckruf gehört und nun gehandelt werde, so Nies weiter.
Massive Kritik von Kommunen und Wohlfahrtsverbänden
Wohlfahrtsverbände und kommunale Vertreter hatten in der letzten Woche massiv auf Lücken im bestehenden Finanzsystem von Kitas aufmerksam gemacht. Dieses beruht derzeit auf einer Einigung von Land und Kommunen im Kitaförderungsgesetz, das 2021 in Kraft getreten ist. Darin ist geregelt, dass bis 2025 die Zahlungen nach einem Übergangssystem berechnet werden. Demnach leisten Land, Kreise und Gemeinden Förderungen an die Kita-Träger, die auf Grundlage von Kostenschätzungen ermittelt werden.
Reale statt geschätzte Kosten
Ab 2025 soll dann ein neues Finanzierungsmodell stehen, dass die realen Kosten der Einrichtungen abdeckt. Eine Evaluation soll die realen Kosten der Kitas ermitteln, um anschließend das Finanzierungsmodell entsprechend anzupassen. In einem Änderungsantrag wollten CDU und Grünen im Gesetz vereinbarte Fristen verschieben und somit den Übergangszeitraum um ein Jahr verlängern. Dagegen hatten Verteterinnen und Vertreter von Wohlfahrtsorganisationen und Kommunen im Sozialausschuss der letzten Woche protestiert.
Fristverlängerungen vom Tisch
Diese Änderung ist nun vom Tisch. "Wir verzichten auf die ursprüngliche Gesetzesänderung", sagte Katja Rathje-Hoffmann (CDU). Auch die geplante Verlängerung des Übergangszeitraums werde es nun nicht mehr geben. Rahtje-Hoffmann: "Zudem werden wir die noch offenen Anpassungen des SQKM und die Beiträge für die Sachkosten um mehr als 2,5 Prozent erhöhen." SQKM steht dabei für Standard-Qualitäts-Kontrollen-Modell und ist das Finanzierungsmodell, auf dessen Grundlage die Pauschalen berechnet werden, die den Kita-Trägern gezahlt werden.
Garg: Misslungene Außenkommunikation der Ministerin
Heiner Garg, sozialpolitischer Sprecher der FDP, warf Touré eine misslungene Außenkommunikation vor. Die Ministerin hätte versäumt, klarzumachen, dass sich die Eltern keine Sorgen um Beitragserhöhungen machen müssten. Stattdessen habe sich Verunsicherung breit gemacht. Zudem habe Touré früher das Gespräch mit allen Beteiligten am Kita-Reformprozess suchen und die Verschiebung der Evaluierung verhindern müssen.
Midyatli: “Haben eine Kita-Krise"
Serpil Midyatli, seit dieser Woche die neue SPD-Fraktionsvorsitzende, sagte: "Wir haben eine echte Kita-Krise". Sie zeigte sich unbeeindruckt von den Ankündigungen der Sozialministerin Touré, 700 Millionen Euro in den Bereich Kita zu stecken. "In der Politik kommt es nicht darauf an, was man rein steckt. Es kommt darauf an, was hinten raus kommt." Doch das sei nicht genug, so Midyatli.
Zeitplan des Kita-Gesetzes bleibt bestehen
Im Anschluss an die Debatte beschlossen die Abgeordneten, dass der Zeitplan der Kita-Finanzierung weiter beibehalten wird. Das bedeutet, dass ab 2025 die realen Kosten in die Förderungen der Kitas einfließen. Das dürfte bei Berkenthins Bürgermeister, Friedrich Thorn, für Erleichterung sorgen. Eine weitere Verschiebung hätte die Finanzplanung seiner Gemeinde weiter unter Druck gesetzt. Den Ausbau-Stopp bei der Kita "Kunterbunt" wird das allerdings vorerst nicht aufhalten können.