Kita-System gefährdet? Finanzierungssorgen bei den Kommunen
Die Finanzlage der Kitas ist angespannt. Um das zu ändern, wurde das Kitaförderungsgesetz beschlossen. Land und Kommunen einigten sich unter anderem darauf, bis 2025 ein Modell einzuführen, das die realen Kosten von Kitas erfasst. Eine geplante Verschiebung sorgt nun für Ärger.
Zwei Kitas und eine Krippe gibt es in der Gemeinde Neudorf-Bornstein im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Bisher betrieb die Arbeiterwohlfahrt (AWO) die Einrichtungen, doch zum Ende des Jahres steigt sie aus. Für die Gemeinde bedeutet das: Ein neuer Träger muss her, damit das Betreuungsangebot aufrecht erhalten werden kann. Doch das gestaltet sich schwierig. Die finanziellen Risiken schrecken viele potenzielle Träger ab. Ein Umstand, der die ohnehin angespannte Lage von Kitas weiter verschärft.
Förderung reicht nicht, um Kita-Finanzierung zu sichern
"In sieben unserer acht Gemeinden zeigt sich, dass das Geld, das wir bekommen, nicht reicht, um die auskömmliche Finanzierung zu sichern", sagt Tomas Bahr. Er ist Fachbereichsleiter im Amt Dänischer Wohld, zu der auch die Gemeinde Neudorf-Bornstein gehört. In seinem Zuständigkeitsbereich werden in 26 Einrichtungen insgesamt 876 Kindern im Alter von ein bis sechs Jahren betreut.
Neben freien Kita-Trägern, wie zum Beispiel dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) oder der AWO, können auch Kommunen selbst Träger von Kitas sein. Bahr sagt, dort wo das Geld nicht reiche, müsse die Gemeinde in der die Kita steht die Finanzlücke schließen. Für die Gemeinden ist das ein immenser Kraftakt, denn die Kosten gehen in die Millionen.
Übergangs-Finanzierung bis Ende 2025 geplant
Mit dem Kitaförderungsgesetz sollten eben jene Finanzierungslücken nach einem Übergangszeitraum geschlossen werden. Land und Kommunen einigten sich unter anderem, dass bis 2025 ein Finanzierungsmodell stehen soll, das die realen Kosten der Einrichtungen abdeckt. Bis dahin sollen die Förderungen, die Land, Kreise und Gemeinden an die Träger leisten, übergangsweise mithilfe von Schätzungen berechnet werden. Zugleich soll eine Evaluation durchgeführt werden, die ermittelt, wie hoch die eigentlichen Kosten der Kitas sind, um abschließend das Finanzierungsmodell entsprechend anzupassen. So die Theorie. Doch CDU und Grüne wollen nun die Fristen im Gesetz verlängern und damit den Start des neuen Finanzierungsmodells um ein Jahr nach hinten verlegen.
Kommunen kommen für Finanzierungslücke auf
Die Kommunen fühlen sich getäuscht. Sie blicken mit Sorge auf die geplante Gesetzesänderung. "Mit der Kita-Reform war versprochen worden, dass Land und Kommunen sich die Kosten der Kitas in bestimmter Weise teilen", sagt Jörg Bülow, Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetags auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein. Aktuell sei es aber noch so, dass die Kommunen wegen der Finanzierungslücken eine Reihe an Posten alleine tragen müssten, so Bülow. Folglich würde der Gesetzesentwurf für die Kommunen bedeuten, dass sie ein weiteres Jahr die Kosten tragen müssten - statt bis zum Ende 2024 nun bis Ende 2025.
Kita-System stark gefährdet
"Wenn das Land all die Standards im Kita-Gesetz nicht mehr bezahlen will oder kann, dann muss die Landespolitik auch selbst entscheiden, welche Standards nicht mehr gelten sollen", sagt Bülow. Denn bei den Kommunen löse die Diskussion erhebliche Planungsunsicherheit aus. Der Ausbau und die Aufrechterhaltung des Kita-Systems würden stark gefährdet, so Bülow.
Tomas Bahr, der im Amt Dänischer Wohld die Kita-Finanzen im Blick hat, fehlen die Alternativen: Weder bei den Gebäuden noch beim Personal sehe er Spielraum, die benötigten Summen einzusparen. Im Gegenteil: Die Gemeinden benötigten eigentlich deutlich mehr Geld, um auf dem angespannten Arbeitsmarkt Erzieherinnen und Erzieher von ihren Einrichtungen zu überzeugen. Nur so könnte auch eine optimale Betreuung gesichert sein: mehr Fachkräfte pro Kind. Doch das lässt die aktuelle Finanzierung nicht zu. Bahr: "Die andere Alternative ist, Einrichtungen zu schließen. Doch das wollen wir vermeiden, soweit wir können."
Wohlfahrtsverbände fordern: Es braucht mehr Geld im Kita-System
Anette Langner, Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein, sagte am Donnerstagmorgen im Kieler Landeshaus: "Die Lösung wird am Ende nur darin liegen können, wie wir mehr Geld ins System bekommen." Entweder werde die Landesregierung mehr Geld bereitstellen müssen oder die Kommunen seien bereit, den Finanzierungsanteil, den sie im Moment schon leisten, auch in Zukunft zu tragen.
Allerdings machte Langner deutlich, dass von der Landesregierung bereits signalisiert worden sei, dass es über die im Moment zur Verfügung stehenden Mittel keine weitere Finanzierung geben werde. Eine dritte Option sei, so Langner weiter, dass bei den Qualitätsstandards eingespart werde. Das würde bedeuten, dass Öffnungszeiten verkürzt, der Fachkraft-Kind-Schlüssel angehoben und das Qualitätsmanagement angepasst werden. Langner: "Eine Möglichkeit, die hoffentlich keiner will - wir auf jeden Fall nicht."
Sozialministerin Touré: Werden Austausch intensivieren
Schleswig-Holsteins Sozialministerin Aminata Touré (Die Grünen) sagte am Donnerstagmittag, man sei bereits mit allen relevanten Akteuren im Gespräch und werde angesichts der aktuellen Herausforderungen den Austausch intensivieren. Laut der Ministerin gebe das Land inzwischen 700 Millionen Euro in das Kita-System. Im Vergleich zu 2018 sei das eine Verdopplung des Betrags. Touré: “Angesichts der äußerst angespannten Haushaltslage des Landes muss es oberstes Ziel sein, diese Finanzierung weiter sicherzustellen. Darüber hinaus überprüfen wir im Rahmen einer Evaluation das bestehende Finanzierungssystem grundsätzlich.”
Rund 15.600 Plätze fehlen in SH
Die schwierige Finanzlage ist dabei nur eines von gleich mehreren Problemen, die zur Zeit Kitas und Träger unter Druck setzen. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen rund 15.600 Kita-Plätze im Land. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der vielen Einrichtungen zu schaffen macht. Dabei bräuchte es schon jetzt deutlich mehr Fachkräfte, so Anette Langner, um den Herausforderungen wie Migration oder Inklusion zu begegnen. Hinzu komme: "Je schwieriger die Situation in den Kitas wird, umso schwieriger wird es, Personen für den Beruf motivieren zu können." Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sophia Schiebe fordert die Landesregierung zum Handeln auf: "Jeder weitere Platz, der verloren geht, wäre fatal. Uns wurde Alarm geschlagen. Kitas sind wirklich davon bedroht, geschlossen zu werden."
Touré: Man arbeite intensiv an Personalsituation
Aminata Touré sagte, man arbeite bereits intensiv an der Verbesserung der Personalsituation. Als Beispiele nannte sie, dass in den Einrichtungen mittlerweile mehr Quereinstiege möglich seien, sozialpädagogische Assistenz könnte mit einer Qualifizierung nun auch Gruppen leiten und ausländische Fachkräfte würden schneller in den Arbeitsmarkt integriert. "Das alles trägt dazu bei, die Personal-Situation in den Einrichtungen zu verbessern und die Qualität in der Betreuung zu sichern", so die Sozialministerin.
Bülow: Land muss zu Zusagen stehen
Am Donnerstag war die Gesetzesänderung Thema im Sozialausschuss. Darin riet Jörg Bülow vom Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag dringend davon ab, die Umsetzung der Untersuchungsergebnisse um ein Jahr nach hinten zu verschieben. Dem schlossen sich die kommunalen Landes- und Wohlfahrtsverbände an, die von Abgeordneten des Landtags angehört wurden. Gemeinsam verdeutlichten sie die Erwartung, das Land solle zu seinen Zusagen stehen und die Finanzierungslücke im Kita-System schon ab 2025 geschlossen werden. In der kommenden Woche wird das Thema im Landtag diskutiert. Dann werden auch die Abgeordneten über den Änderungsantrag abstimmen.
Gemeinde bietet Träger Sicherheiten
Die Betreuung für die 42 Kinder in Neudorf-Bornstein ist derweil gesichert. Die Gemeinde hat einen Träger gefunden, der die Einrichtungen künftig übernehmen wird. Allerdings unter einer Bedingung: Wegen der finanziellen Unsicherheit musste die Gemeinde dem Träger Sicherheiten in fünfstelliger Höhe zusagen, damit dieser auch einwilligt.