Kita-Qualität: Eltern kämpfen für bessere Betreuung
Immer häufiger schließen Kitas in Schleswig-Holstein aufgrund von Personalmangel, einige Eltern können die Kita-Gebühren nicht bezahlen. Immer mehr Erziehungsberechtigte wehren sich.
Wenn Christin Spieckermann aus Itzehoe (Kreis Steinburg) ihren Sohn morgens zur Kita bringt, hofft sie, dass an der Eingangstür kein Zettel klebt. "Geschlossen wegen Personalmangel" oder "Wegen Krankheit heute nur bis 13 Uhr" steht dann da. Seit knapp zwei Jahren werden die Betreuungszeiten immer unvorhersehbarer. Anfangs war Spieckermann froh, einen Platz für ihren Sohn in der Kita bekommen zu haben. In Itzehoe gibt es seit Jahren lange Wartelisten. In diesem Jahr fehlen in Deutschland etwa 380.000 Kita-Plätze, so eine Erhebung der Bertelsmann-Stiftung. In Schleswig-Holstein fehlen 18.000. Wer einen Platz für sein Kind bekommen hat, kann sich jedoch nicht mehr auf eine regelmäßige Betreuung verlassen. Immer häufiger müssen Kitas kurzfristig schließen, weil ihnen das Personal oder das Geld fehlt.
Forderung: Kita muss kostenlos sein
Christin Spieckermann hat ihre Arbeit als Ingenieurin von 40 auf 25 Stunden pro Woche reduziert, um ihren Sohn zu betreuen, wenn die Kita kurzfristig ausfällt. Alternative Betreuungsmöglichkeiten hat sie nicht, ihre Eltern wohnen zu weit weg. "Ich habe gemerkt, dass sich mein Sohn verändert hat, er war überfordert und unkonzentriert", sagt Spieckermann. Das wollte sie nicht länger hinnehmen. Mit ihrer Initiative "KitaMisere-SH" formulierte sie eine Petition. Derzeit gibt es fast 1.000 Unterschriften. "Das ist aus purer Verzweiflung entstanden", sagt sie.
Spieckermann fordert unter anderem: eine dritte Fachkraft pro Gruppe, zusätzliche Fachkraft-Stunden, die in den Einrichtungen anleiten, Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention, keine Beiträge oder Verpflegungskosten für Kitas. Sie suchte nach Verbündeten und schloss sich mit weiteren Müttern im Land zusammen.
Schleswig-Holstein hat die höchsten Kita-Gebühren
Alina Glüsing aus Neumünster und Julia Bäwert aus Ratzeburg (Kreis Herzogtum Lauenburg) kämpfen seit Monaten für die Abschaffung der Kita-Gebühren. Schleswig-Holstein ist derzeit Spitzenreiter mit den höchsten Beiträgen für Kitas. Knapp neun Prozent ihres Nettoeinkommens investieren Eltern in die Betreuung, heißt es in einer Studie der Bertelsmann-Stiftung. 2022 hat Julia Bäwert über 3.000 Euro für die Kita ihres Kindes bezahlt. Das Geld würde sie lieber in Familienausflüge, Urlaub, Lebensmittel, Kindheitserinnerungen oder Rücklagen für die Kinder stecken, sagt sie. Knapp 50 Kilometer weiter gelten in Hamburg andere Regeln. In den Bundesländern sind die Gebühren unterschiedlich geregelt, in elf wurden die Kita-Beiträge ganz oder teilweise abgeschafft.
10.000 Unterschriften für Abschaffung der Kita-Gebühren
Um in der Politik Gehör zu finden, hat auch Alina Glüsing eine Petition gestartet. "Die Chancengleichheit endet an der Landesgrenze", heißt es darin. "Das Kindergeld würde dann nicht nur einen Teil der Kita-Gebühren decken, sondern man könnte den Kindern auch Sportangebote oder Musikbildung finanzieren", sagt sie. Das Thema findet große Resonanz im Land: Fast 10.000 Menschen haben unterschrieben. Durch mangelnde Entlastung und weitere Belastung bei den Beiträgen stehe Eltern weniger Geld zur Verfügung, was nachteilige Auswirkungen auf die Wirtschaft haben würde, sagt Janine Jessen, Landeselternvertretung der Kitas in Schleswig-Holstein.
Mittlerweile gibt es sechs Petitionen, die die Bedingungen in den Kitas im Land bemängeln. Die größten Kritikpunkte: unzuverlässige Betreuungszeiten, Kita-Gebühren, Überforderung der Erzieherinnen und Erzieher.
Zu wenig Zeit für die Kinder
Christina Brüggen arbeitet als Erzieherin in der Kita "Rutenberger Rasselbande" in Neumünster. Die Kita gehört zu den Evangelischen Kindertagesstätten und ist eine "Sprachkita", Kinder sollen speziell gefördert und die Zusammenarbeit mit den Familien gestärkt werden. Doch auch hier stehen die Erzieherinnen und Erzieher unter Druck. Viele sind durch den Personalmangel stark überlastet. Brüggen hat nicht genug Zeit, um auf die Situation von jedem einzelnen Kind einzugehen. Von den 20 Kindern, die sie betreut, sei nur die Hälfte gut auf die Schule vorbereitet, schätzt sie. Das zeige sich in der Entwicklung: "Die Kinder wissen nicht, wie sie Stifte halten sollen oder mit Messer und Gabel umgehen. Die Feinmotorik ist zu wenig ausgebildet", sagt Brüggen. Die Situation werde immer angespannter. "Auszubildende und Praktikanten müssen vor den Kindern eingearbeitet werden, das passiert im Normalfall im Einzelgespräch. Es belastet mich, dass wir nicht die Kapazität haben", sagt Brüggen. Für Kinder mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen, die dann eingeschult werden, bedeutet das eine Herausforderung.
Verpflichtende Sprachprüfungen vor Schulbeginn
Die Situation beschäftigte am Donnerstag den Landtag. Künftig soll es verpflichtende Sprachprüfungen geben, um den Übergang von der Kindertagesbetreuung in die Grundschule für Kinder zu verbessern. Die Opposition kritisierte das langwierige Verfahren. In Hamburg gibt es diese Überprüfung bereits. Martin Habersaat (SPD) fand deutliche Worte: "Das ist Zeitspiel auf Kosten unserer Jüngsten. Sie müssen jetzt ins Handeln kommen", so Habersaat.
Kita-Leiter Dietrich Mohr in Neumünster verfolgt diese Diskussionen seit Langem. "Am meisten belastet sind die Eltern mit niedrigem Einkommen." sagt Mohr. Auch komme es vor, dass Gebühren nicht bezahlt werden. Derzeit müsse er eine Summe von über 20.000 Euro von Eltern einfordern, die die Gebühren nicht zahlen können oder wollen, sagt er.
Touré: Abschaffung der Kita-Gebühren nicht geplant
Die Abschaffung der Kita-Gebühren im Land sei derzeit nicht geplant, sagt Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) gegenüber NDR Schleswig-Holstein. "Das können wir uns nicht leisten, uns fehlen 400 Millionen Euro im gesamten Landeshaushalt", so die Ministerin. Sie habe mit den 15 Millionen Euro die Soziale Ermäßigung erweitert, "damit gerade mittlere oder einkommensschwache Familien die Möglichkeit haben, die Kita-Beiträge zu zahlen", so Touré. Die SPD kritisiert, dass nur wenige Familien dies nutzen. Die genauen Zahlen darüber, wie viele es sind, sollen im Herbst vorliegen.
In den kommenden Wochen will Alina Glüsing mit weiteren Müttern Postboxen in den Kitas aufstellen, um anonym die Wünsche der Eltern zu hören. "Wir wollen dem Sozialministerium deutlich machen, dass hinter ihren Entscheidungen Schicksale stehen", sagt Glüsing. Im September sollen die Boxen der Ministerin übergeben werden.