Zensus 2022: So viel kosten neue Mietverträge in SH
In ganz Schleswig-Holstein steigen die Mieten kontinuierlich. Eine Auswertung von NDR Data zeigt, wo die Preise besonders hoch sind - und wo ein Umzug noch halbwegs bezahlbar ist.
Ein paar Hundert Euro Miete mehr im Monat für nur wenige zusätzliche Quadratmeter. Lohnt es sich da wirklich, sich zu vergrößern? Oder macht es mehr Sinn, in der kleinen, aber dafür günstigen Wohnung zu bleiben? In diesem Konflikt befinden sich zurzeit womöglich viele - insbesondere junge Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner.
Denn die Mietpreise, die auf Immobilien-Portalen angeboten werden, liegen zum Teil weit über dem, was bereits laufende Mietverträge kosten. Das zeigt der NDR Data Vergleich von Zahlen des Analyseunternehmens Value mit dem Zensus 2022.
Bestand- vs. Angebotsmiete - Preise gehen weit auseinander
Demnach sind neue Mietverträge in SH durchschnittlich 20 bis 40 Prozent teurer als alte. Die nettokalte Bestandsmiete liegt im Land bei 7,41 Euro pro Quadratmeter - neue Verträge sind in den meisten Orten mehr als 2 Euro teurer. Wer jetzt also eine 70 Quadratmeter große Wohnung anmietet, zahlt oft 140 Euro mehr im Monat als Menschen, die dort schon länger wohnen.
Doch ein Blick auf die Karte der Bestands- und Angebotsmieten in SH zeigt: Mit Preisdifferenzen von 1,70 bis 2,90 Euro sind ausgerechnet die großen Städte wie Neumünster, Flensburg, Lübeck und Kiel recht unauffällig.
Drastische Unterschiede an den Küsten
Wo die Nachfrage sehr hoch ist und nur wenig Wohnraum zur Verfügung steht, sind die Preise besonders hoch. So bewegen sich die Bestand- und Angebotsmieten auf Sylt mit 11,50 und 18 Euro fast auf Münchener Niveau - an die Preisdifferenz von +57 Prozent kommt selbst die Bayerische Landeshauptstadt nicht heran. Auf den benachbarten Halligen sowie Amrum und Föhr (alle Kreis Nordfriesland) sind neue Mietverträge jeweils 4,70 Euro teurer als bestehende.
Auch an der Ostseeküste sollten sich Wohnungssuchende wenig Hoffnung auf einen günstigen Treffer machen. In der Lübecker Bucht zahlen sie für einen neuen Vertrag deutlich mehr als Alteingesessene. Die Spanne reicht von 2,90 Euro in der Hansestadt über 3,70 Euro in Neustadt in Holstein bis hinzu 4,80 Euro in Grömitz (beide Kreis Ostholstein).
Laut Jochen Kiersch vom Deutschem Mieterbund (DMB) SH sorgt vor allem ein Faktor für die hohe Differenz an den Küsten: Spekulation. "Größere Spannen ergeben sich immer dort, wo die Erwartungshaltung groß ist - also wo Vermieter glauben: "Da ist noch mehr drin." Sie nähern sich dann dem "machbaren Preis" von oben an, meint Kiersch. Doch ihm zufolge gibt es ein weiteres Problem: Wohlhabende Ruheständler, die sich an der Ostsee eine Zweitwohnung mieten möchten, um dort die Sommerferien zu verbringen und die Wohnung den Rest des Jahres leer stehen lassen - ein "ganz großes Ärgernis" und eine "Katastrophe für die einheimische Bevölkerung", findet Kiersch.
Mäßige Spanne in Kiel und Flensburg
In der Landeshauptstadt hält sich der Preisunterschied in Grenzen. Die angebotenen Quadratmeterpreise von 9,84 Euro liegen "nur" 29 Prozent über den Kosten bestehender Verträge. In Flensburg zahlen Menschen, die jetzt einen Vertrag abschließen, lediglich 1,70 Euro mehr als Bestandsmieter.
"Das liegt wahrscheinlich an den Mietspiegeln, die es in den kreisfreien Städten gibt", erklärt Experte Kiersch. Sowohl Mieter als auch Vermieter wissen dort auf den Cent genau, was Wohnungen wert sind - ein Vermieter, der zu hoch ansetze, laufe Gefahr, keinen Interessenten zu finden", so der Vorsitzende des DMB SH weiter.
Moderate Unterschiede in der Nähe zu größeren Städten
Regionen, in denen Angebotsmieten günstiger als Bestandmieten sind, sucht man im Land vergeblich. Lediglich im Amt Fockbek (Kreis Rendsburg-Eckernförde) beträgt der Kostenunterschied weniger als einen Euro pro Quadratmeter. Ähnlich glimpflich kommen Menschen beim Umzug innerhalb der Stadt Büdelsdorf im Kreis Rendsburg-Eckernförde (1,08 Euro Differenz) oder in Ahrensburg im Kreis Stormarn (1,41 Euro Unterschied) davon.
Auch in Husum (Kreis Nordfriesland), Elmshorn (Kreis Pinneberg) und Glückstadt (Kreis Steinburg) hält sich der Preisunterschied in Relation zum Rest des Landes in Grenzen.
Keine Mietpreisbremse in SH
Im deutschen Mietrecht sind Instrumente verankert, die in problematischen Regionen vor Mondpreisen schützen sollen. Zum einen gibt es da die Kappungsgrenze. Im Mai dieses Jahres wurde sie von der Landesregierung beschlossen. Seitdem verhindert sie in vielen Kommunen, dass bestehende Mietverträge innerhalb von drei Jahren um mehr als 15 Prozent erhöht werden.
Wenn es hingegen um die Kontrolle der Angebotsmiete geht, ist es die Mietpreisbremse, die Neuverträge deckelt. Diese dürfen dann nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Doch Schleswig-Holstein gehört zusammen mit dem Saarland und Sachsen-Anhalt zu den einzigen Ländern, die auf das Instrument verzichten.
Jochen Kiersch spricht sich seit langer Zeit für die Mietpreisbremse aus - auch wenn sie nicht das Problem mangelnden Wohnraums löse. Doch könne sie verhindern, dass angespannte Marktsituationen ausgenutzt werden, so der DMB-Vorsitzende. Wir brauchen beides, fordert der Experte: "Wir brauchen definitiv mehr Neubau und bis wir dann wieder in einem halbwegs ausgeglichenen Markt sind, brauchen wir zusätzlich auch noch die Mietpreisbremse."
Kiersch: "Abwarten macht keinen Sinn"
Doch wie sollen sich Wohnungssuchende in angespannten Regionen verhalten, die nach langer Suche schließlich ein Angebot - wenn auch ein teures - bekommen? Den zu hohen Preis beanstanden, macht vermutlich wenig Sinn, meint auch Experte Kiersch. Vermieter würden das Angebot wohl unmittelbar an die nächsten Interessenten weiterreichen.
Auch lohnt es sich laut Kiersch nicht, abzuwarten. "Mieten kennen zurzeit und auf absehbare Zeit nur eine Richtung: nach oben." Und im Moment breche der Wohnungsmarkt ein und Baugenehmigungszahlen gehen zurück, das werde den Druck auf den Markt in den nächsten Jahren zusätzlich erhöhen.
Wie sich die Mietpreise innerhalb der kreisfreien Städten verhalten, sehen Sie hier: