Northvolt bei Heide: Was gebaut wird und was nicht

Stand: 25.03.2025 19:37 Uhr

Ein Jahr nach dem offiziellen Baustart der Batteriefabrik von Northvolt ist die Euphorie verflogen. Auf der Baustelle geht es langsamer voran als geplant. Viele Projekte drumherum liegen auf Eis.

von Carsten Rauterberg

Es sollte der ganz große Wurf für Schleswig-Holstein werden: die Gigafactory für Batteriezellen für E-Autos bei Heide (Kreis Dithmarschen) mit 3.000 Arbeitsplätzen. Zum offiziellen Baustart mitsamt symbolischem Boßelwurf kamen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) vor genau einem Jahr nach Dithmarschen. Inzwischen herrscht große Ernüchterung in der Region. Der schwedische Mutterkonzern Northvolt AB hatte vor zwei Wochen einen Insolvenzantrag gestellt. Vor Ort wandern die Pläne für mehrere große Vorhaben rund um die Fabrik zunächst in die Schublade.

Pläne für Container-Dörfer ruhen

Mehrere Personen drücken gleichzeitig auf einen Buzzer, u.a. Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther und der CEO der Firma Northvolt, Peter Carlsson. © Screenshot
Von der Euphorie vor einem Jahr ist in der Region inzwischen nichts mehr zu spüren.

In der Stadt Heide geht es zum Beispiel um eine vier Hektar große Fläche im Ortsteil Süderholm. Direkt an der B203 sollte eine Container-Siedlung für temporäres Wohnen entstehen - geplant für 850 Bauarbeiter. Nach vielen Vorgesprächen und ersten Beschlüssen ruhen die Verhandlungen zwischen Northvolt und der Stadt. "Ich hab gerade nicht das Gefühl, dass es mit dem Bau der temporären Wohnanlage besonders drängt bei Northvolt", sagt Heides Bürgermeister Oliver Schmidt-Gutzat (SPD). Er habe aktuell keinen direkten Kontakt zu Northvolt, vertraue aber auf die Vertreter der Landesregierung und des Kreises Dithmarschen, die mit Northvolt im Gespräch seien. Im nächsten Schritt müssten die Stadt und Northvolt einen Durchführungsvertrag unterzeichnen. Erst wenn darin alle Einzelheiten geregelt sind, kann die Heider Ratsversammlung einen B-Plan beschließen und damit Baurecht schaffen. Doch das ist nicht in Sicht.

Ähnlich ist es in der Kleinstadt Wesselburen: Auch dort wollte Northvolt ursprünglich Bauarbeiter unterbringen. Doch auf der Fläche eines Landwirts sollen laut Bürgermeister jetzt erst einmal weiter Schafe grasen.

"Achterbahnfahrt mit den ständigen Auf und Abs"

Die ländliche Idylle bleibt vorerst auch auf den Flächen erhalten, die direkt an die geplante Batteriefabrik angrenzen. Das zuständige Amt Heider Umland wollte eigentlich damit beginnen, ein großes Industrie- und Gewerbegebiet für Northvolts Zuliefererbetriebe zu schaffen. Weitere Steuergelder setzt das Amt aufgrund der aktuellen Lage dafür aber zunächst nicht mehr ein. "Wir wissen nicht, wie es weiter geht mit Northvolt. Das betrifft alle Bereiche des Ansiedlungsprojektes", sagt Amtsleiter Björn Jörgensen. Er und sein Team haben das Thema Northvolt seit drei Jahren auf dem Tisch. "Das ist eine Achterbahnfahrt mit den ständigen Auf und Abs in Sachen Northvolt. Wir würden jetzt nach der langen Planung gerne umschalten in den Umsetzungsmodus." Das sei aber nicht möglich, weil man nach dem Insolvenzantrag des Mutterkonzerns auf die Entscheidungen des schwedischen Insolvenzverwalters warten müsse, so Jörgensen.

Anfragen bei der Wirtschaftsförderung

Die Entwicklungs-Agentur Region Heide hat das Ansiedlungsprojekt von Northvolt von Anfang an begleitet. Auch bei den Wirtschaftsförderern liegen die Planungen, die mit größeren Investitionen für die Batteriefabrik verbunden sind, auf Eis. Dabei geht es zum Beispiel auch um die Flächen für Zulieferbetriebe der Batteriefabrik. Eine Potential-Analyse, bei der alle Chancen und Möglichkeiten der einzelnen Grundstücke geprüft werden sollen, soll erst später kommen. Trotzdem gibt es derzeit für das Team der Entwicklungs-Agentur viel zu tun. Der Leiter der Agentur, Dirk Burmeister, verweist auf zahlreichen Anfragen von Unternehmen. "Die Entwicklungen rund um die Insolvenz des Mutterkonzerns Northvolt AB in Schweden haben die Nachfrage-Dynamik nochmal deutlich erhöht. Das sind zum Beispiel Firmen aus dem Bereich Energiewende, zum Beispiel Anlagentechnik für Windkraft oder Transformatoren." Die Unternehmen würden aus Europa und aus Asien kommen, so Burmeister. Man bleibe grundsätzlich zuversichtlich und sei auch in ständigem Austausch mit der Wirtschaftsförderung des Landes.

Eine Konzeptzeichnung der Northvolt Gigafactory in Heide. © Northvolt Eine Drohnenaufnahme 2025 in Heide. © NDR

Erdarbeiten gehen weiter

Auf der Baustelle in Norderwöhrden und Lohe-Rickelshof gehen die Arbeiten weiter - allerdings deutlich langsamer als vor einem Jahr geplant. Die Gründungsarbeiten mit den von weitem sichtbaren Pfahlbohrmaschinen dauern weiterhin an, ebenso die Erdarbeiten. Auf einem aktuellen Satelliten-Bild ist zu erkennen, dass der Großteil der Fläche inzwischen eingeebnet ist. Laut einer Northvolt-Sprecherin werden derzeit 20.000 Bäume auf einem Sichtschutzwall gepflanzt und auch ein Zaun rund um das 110-Hektar-Gelände soll entstehen. Die Bodenplatten fehlen hingegen noch. Damit wäre die Fläche aus Sicht von Experten ausschließlich für die riesigen Hallen geeignet, die Northvolt bauen will. Für eine gänzlich andere Nutzung wäre das Grundstück dann nicht mehr so attraktiv.

Eine Satellitenaufnahme 2021 in Heide. © Vertical 52 Eine Satellitenaufnahme 2025 in Heide. © Vertical 52

Alles auf Anfang bei der Bauleitplanung?

Aus Sicht von Amtsleiter Björn Jörgensen ist derzeit völlig offen, ob tatsächlich eine Batteriezellenfabrik dort gebaut wird - oder vielleicht eine andere Nutzung kommt. Das bedeute, dass die beiden Standortgemeinden Norderwöhrden und Lohe-Rickelshof vielleicht noch einmal neu entscheiden müssen. "Es ist ja Baurecht geschaffen worden für eine Batteriefabrik von Northvolt. Die B-Pläne und auch die Durchführungsverträge haben genau das zum Inhalt", erläutert Jörgensen. Jede Änderung müsse man sich nun genau anschauen, und wahrscheinlich brauche man dann bei einem neuen Investor oder einer neuen Nutzung neue Beschlüsse der beiden Gemeindevertretungen. Konkret: neue B-Pläne und neue Durchführungsverträge.

Hängepartie geht weiter - Insolvenzverwalter gefordert

Trotz der laufenden Bauarbeiten ist die Verunsicherung in der Region überall zu spüren, nicht nur beim Amt Heider Umland. Amtsleiter Jörgensen blickt nach Stockholm. "Aus meiner Sicht sitzt der Insolvenzverwalter in Schweden jetzt am Steuer und mit Fuß auf dem Gaspedal." Man müsse sich nun erstmal gedulden und auf die Entscheidungen des Insolvenzverwalters warten. "Wir tun gut daran, hier sachlich und ruhig weiter zu machen. Wir können jetzt nur abwarten, aber denken weiter positiv nach vorne."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 25.03.2025 | 17:00 Uhr

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