Northvolt und das Flächenproblem für seine Zulieferer
Seit Ende März dieses Jahres wird auf dem Gelände der Batteriefabrik des schwedischen Unternehmens Northvolt bei Heide im Kreis Dithmarschen gebaut. Das Großprojekt benötigt aber weitere Flächen für die Zulieferer.
Das schwedische Unternehmen Northvolt fordert eine möglichst schnelle Erschließung von Gewerbeflächen für Zulieferer neben der Batteriefabrik bei Heide. Die Planungshoheit liegt bei den vier betroffenen Kommunen im Kreis Dithmarschen. Sie wollen mitgenommen werden, wenn es um die Planung eines Gewerbegebiet geht - und sie haben viele Fragen an Northvolt und die zuständigen Behörden.
Gewerbeflächen - tiefer Einschnitt für Neuenkirchen
Die 1.000-Einwohner große Gemeinde Neuenkirchen zwischen Heide und Wesselburen ist geprägt von Landwirtschaft und Windkraftanlagen. Es gibt zahlreiche Reetdachhäuser in der Umgebung und mehrere Ferienwohnungen. Das Durchschnittsalter der Einwohner: 44 Jahre. Viele Familien sind in die Gemeinde gezogen. Es gibt einen Kindergarten und eine Grundschule und mit dem Auto ist man schnell in Heide, Büsum und Wesselburen. Doch mit der Ruhe in Neuenkirchen könnt es bald vorbei sein, wenn ein Gewerbegebiet für die Batteriefabrik von Northvolt gebaut wird. "Das wäre ein tiefer Einschnitt für unsere Gemeinde", sagt Bürgermeister Thies Wellnitz (SPD). Entscheidend sei eine Abfahrt und eine Zufahrt von der nahen Bundesstraße 5 zum Gewerbegebiet sowie eine entsprechende Anbindung. Denn die schmalen Straßen nach Neuenkirchen seien derzeit nicht für Schwerlastverkehr ausgerichtet, erklärt Wellnitz.
Bürgermeister fordert weitere Informationen
Neuenkirchens Bürgermeister fordert verlässliche Informationen - unter anderem zur Verkehrsanbindung und auch zu einem geplanten Güterbahnhof. Denn der könnte auf dem Gebiet seiner Gemeinde gebaut werden. "Kommt der Güterbahnhof? Wie groß wird er, hat er ein Gleis oder zwei oder drei Gleise? All das sind wichtige Fragen", sagt Wellnitz und ergänzt: Es gebe dazu Pläne und Entwürfe, aber nichts Konkretes. Diese Punkte würden auch die Grundstücksbesitzer beschäftigen, um deren Flächen es gehe. "Die Leute möchten natürlich Antworten haben, bevor sie sich entscheiden, ob sie verkaufen oder nicht, sagt der SPD-Politiker. Auch Anwohnerin Anja Garczarek macht sich so ihre Gedanken: "Wir hängen hier gerade ziemlich in der Luft, denn wir wissen ja gar nichts. Wir wollten eigentlich renovieren, aber ob sich das noch lohnt, keine Ahnung."
Herausforderung für Amtsverwaltung
Das Thema Gewerbegebiet beschäftigt auch die zuständige Amtsverwaltung. Das 170 Hektar große Gebiet soll auf den Flächen der Stadt Heide und der drei Gemeinden Norderwöhrden, Wesseln und Neuenkirchen entstehen. Alle drei Dörfer gehören zum Amt Heider Umland. Der Leitende Verwaltungsbeamte Björn Jörgensen sagt, sie hätten großen Respekt vor dieser Aufgabe: "Die Entwicklung dieses riesigen Gewerbegebietes ist eine große Herausforderung für unser Amt und für die drei Gemeinden." Die Mitarbeitenden des Amtes beraten die ehrenamtlichen Gemeindevertreter und bereiten die notwendige Bauleitplanung vor. Die Entscheidung, ob man für das Gewerbegebiet ist oder nicht, liegt laut Jörgensen dann bei jeder Gemeinde. Und das bedeutet: Die ehrenamtlichen Gemeindevertreter in den drei Dörfern entscheiden, ob auf ihrer Gemeindefläche Gewerbe angesiedelt wird oder nicht.
Northvolt braucht Flächen für Zulieferer
Der schwedische Batteriehersteller Northvolt baut seit Ende März. Derzeit laufen die Arbeiten für die Pfahlgründung. Bagger und schwere Lkw bereiten auf dem Gelände die Fläche für die weiteren Bauarbeiten vor. "Wir brauchen auch noch weitere Flächen, damit das hier auch wirtschaftlich ein Erfolg wird", meint Northvolt-Projektleiter Nicolas Steinbacher. Zulieferer sollen sich so schnell wie möglich nahe der Batteriefabrik ansiedeln können. "Ein Beispiel ist ein Hersteller für das Aluminium-Gehäuse der Batteriezellen. Da haben wir auch schon erste Gespräche mit einem Unternehmen geführt." Wenn sich die Firma, die das Gehäuse herstellt, in dem Gewerbegebiet ansiedele, hätte man kurze Wege und geringe Kosten, erklärt Steinbacher. Das sei wirtschaftlich und ökologisch ein großer Vorteil.
Der Northvolt-Projektleiter befürchtet, dass sich die Zulieferer ganz woanders ansiedeln könnten, wenn das Gewerbegebiet nicht neben dem Fabrikgelände gebaut wird. "Eventuell in einem anderen Bundesland", sagt Steinbacher und fügt an: Die Folge wäre ein längerer Transportweg, höhere Kosten und eine größere Umweltbelastung. Dazu komme, dass auch die geplante Wertschöpfung unter anderem durch die Steuereinnahmen nicht in der Region Heide bliebe.
Grundstücksgesellschaft soll Arbeit aufnehmen
Dithmarschens Landrat Thorben Schütt (CDU) will sich persönlich um das Thema Gewerbegebiet kümmern. "Wir sind jetzt alle gefordert - das Unternehmen Northvolt, das Amt, die Gemeinden. Und ich will mich da auch für einsetzen." Entscheidend sei nun die bereits gegründete Grundstücksgesellschaft des Kreises. Es fehlten aber noch einige wichtige Punkte, so der Landrat. "Die Gesellschaft soll ja über einen Fonds des Landes finanziert werden, und dazu brauchen wir noch die rechtlichen Rahmenbedingungen."
Diese Punkte müsse man sorgfältig abarbeiten, denn Kreis und Land seien schließlich den Steuerzahlern verpflichtet, erklärt Schütt. Er hofft, dass alles bis Ende des Jahres geklärt ist, damit die Grundstücksgesellschaft dann ihre Arbeit aufnehmen und Gespräche mit Landbesitzern in den Gemeinden führen kann. Derzeit hat die neue Grundstücksgesellschaft aber noch gar keine Mitarbeitenden. Das soll sich laut Dithmarschens Landrat in den kommenden Wochen ändern.
Experte: Nähe von Zulieferern sehr wichtig für Erfolg
Uwe Mantik von dem deutschlandweit tätigen Beratungsunternehmen CIMA in Lübeck betont die wichtige Rolle von Zulieferbetrieben bei Industrieansiedlungen. "Alle Erfahrungen, die uns zur Verfügung stehen, zeigen auf, dass Zulieferer eine herausragende Rolle für den Erfolg des gesamten Ansiedlungsprozesses haben." Aus seiner Sicht ist es auch für Northvolt entscheidend, dass bestimmte Komponenten und Services in einem nahen Umfeld angesiedelt werden können. Nach den Berechnungen seines Unternehmens geht Mantik von einem Potenzial von mehreren Tausend Mitarbeitenden von Zulieferbetrieben bei Northvolt aus.
Das bedeute - neben der Batteriefabrik selbst - zusätzliche Arbeitsplätze und zusätzliche Wirtschaftskraft für die strukturschwache Region Dithmarschen. Eine entscheidende Rolle komme nun der neuen Grundstücksgesellschaft des Kreises zu. Ebenfalls wichtig sei die Entwicklungsgesellschaft Region Heide (EARH), erläutert Mantik. Deren Fachleute hätten den gesamten Ansiedlungsprozess von Northvolt von Anfang an begleitet und verfügten über viele Kenntnisse und Kontakte, um die Entwicklung des Gewerbegebietes voranzubringen.