Wohnungsbau: Krise im Norden spitzt sich dramatisch zu
Die schlechten Nachrichten prasseln von allen Seiten herein: Der Wohnungsmarkt in Norddeutschland steckt in einer handfesten Krise. Eine ganze Branche ist in Alarmstimmung.
Wer derzeit eine Wohnung zum Beispiel in Schleswig-Holstein sucht, wird es schnell merken: Der Wohnungsmarkt ist wie leergefegt. Viele suchen monatelang nach den neuen vier Wänden. Dabei steigen die Mieten immer weiter. Die Landesregierung räumte am Donnerstag ein: Die Situation ist sehr angespannt. Würde mehr gebaut werden, könnte das die Situation entspannen, doch sehr viele Bauvorhaben können nicht mehr umgesetzt werden. Laut Innenministerium liegt dies an sehr schnell gestiegenen Zinsen sowie ungebrochen hohen Baukosten.
Insbesondere der bezahlbare Mietwohnungsbau leidet unter dieser Situation. In der Mitteilung des Ministeriums heißt es wörtlich: "Freifinanziert sind Mietwohnungsbauprojekte faktisch nicht mehr wirtschaftlich realisierbar oder erfordern Kaltmieten von über 18 Euro pro Quadratmeter."
Sozialer Wohnungsbau: Fördertöpfe jetzt schon leer
Nun gibt es auch noch Hiobsbotschaften für den Sozialen Wohnungsbau. Die Fördertöpfe für das Jahr 2024 sind leer - und das schon nach wenigen Wochen im neuen Jahr. Zu groß war der Ansturm - viele Baufirmen haben sich darauf gestürzt - und das laut Landesregierung ziemlich schnell und kurzfristig. Oft ist nämlich Wohnungsbau nur noch mit dieser Förderung möglich. Es gab in den wenigen Wochen schon mehr als 100 Anträge zu Projekten im Mietwohnungsbau in Schleswig-Holstein. Das sind viele - zum Vergleich: In den Jahren 2022 und davor bekam die Investionsbank Schleswig-Holstein pro Jahr nur 60 Förderanträge.
Die Situation im Bereich Sozialer Wohnungsbau ist in Schleswig-Holstein eigentlich eine ganz komfortable: Die Fördersumme steigt von Jahr zu Jahr: Laut IB.SH können derzeit pro Jahr etwa 2.000 Mietwohnungen im Land gefördert werden, 2022 und in den Jahren davor waren es nur halb so viele. Nun denn: Es hat nicht gereicht, sagt die Sprecherin der Bank, Sabine Schmax: "Die Förderung hatte einfach auch eine hohe Attraktivität. Die hatte niedrige Zinsen, einen hohen Zuschuss und eine sehr hohe Flexibilität der Förderwege." Kein Wunder also, dass so viele Anträge gestellt wurden. Wann und wie wird es nun weitergehen? "Ich bin grundsätzlich ganz optimistisch, dass das mit der sozialen Wohnraumförderung weitergeht", so die IB.SH-Sprecherin. Erstmal gilt der Förderstopp laut IB.SH bis zum Herbst, danach sollen wieder Anträge gestellt werden können - auch für das kommende Jahr.
Historische Einbrüche beim Neubau in SH, HH und MV
Auch von den freien Immobilien- und Wohnungsunternehmen kommen am Donnerstag katastrophale Zahlen. Danach hat die private Wohnungswirtschaft im Norden im vergangenen Jahr beim Neubau historische Einbrüche hinnehmen müssen. 2023 gab es kaum noch neue Wohnungsbauprojekte. Schleswig-Holstein verzeichnete laut Verband einen Rückgang von knapp 72 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern brachen die Neubauprojekte um fast 60 Prozent auf gerade mal 89 Wohnungen ein. In Hamburg ist der Einbruch sogar noch drastischer: In der Hansestadt wurde 2023 nur mit dem Bau von 770 Wohnungen begonnen - ein Einbruch von mehr als 85 Prozent, im Vergleich zum Vorjahr.
Haus und Grund: Traum vom Eigenheim in weiter Ferne
Die Reaktionen auf all diese schlechten Nachrichten ließen nicht lange auf sich warten. Der Eigentümerverband Haus & Grund Schleswig-Holstein wies darauf hin, dass sich immer weniger Menschen den Traum vom Eigenheim leisten könnten. Der Vorsitzende Alexander Blažek forderte: "Wir brauchen auch frei finanzierten Wohnungsbau; sowohl Eigenheime als auch Mietwohnungen. Dafür muss die Landesregierung unverzüglich die Grunderwerbsteuer auf ein zumutbares Maß senken."
Düstere Prognosen im Baugewerbe
Auch das Baugewerbe meldete sich zu Wort und prognostizierte düstere Zeiten. Noch arbeite man Aufträge ab, heißt es vom Baugewerbeverband Schleswig-Holstein. Aber es gibt immer weniger Genehmigungen für Bauwerke. Hauptgeschäftsführer Georg Schareck mahnte an, dass den Betrieben schlicht und einfach die Planungssicherheit fehle. Und die hemmende Bürokratie - die müsse schnell abgebaut werden. Bessere Abschreibemöglichkeiten für den Wohnungsbau müssten ebenfalls schnell umgesetzt werden. "Die Prognosen gehen bei ungebremsten Verlauf der krisenhaften Entwicklung von einem erheblichen Verlust an Betrieben und Bauarbeitern aus", sagte Schareck. Heißt im Klartext: Firmen könnten dichtmachen und Bauarbeiter könnten abwandern.
Wandern die Handwerker ab?
Ein Unternehmer sagte NDR Schleswig-Holstein, er mache sich Sorgen, dass die ersten, die "sterben", die Projektentwickler sein könnten - dann folgen die Bauunternehmen. Die Folge: Handwerker, die keine Aufträge bekommen, suchen sich andere Jobs - beispielsweise Hausmeistertätigkeiten - und vermitteln ihr Wissen dann nicht mehr weiter. Gute Handwerker zu finden, könnte also in Zukunft noch schwieriger werden.