Windkraft: Möglicher Wegfall der Höhenregel sorgt für Unmut

Stand: 19.12.2023 06:52 Uhr

Das Land will die höhenbedingte Abstandsregelung für Windkraftanlagen heute per Kabinettsbeschluss streichen. Dadurch soll die Effizienz bestehender Flächen erhöht werden. Windpark-Anlieger befürchten Einbußen und ein Entflammen alter Konflikte.

von Fabian Boerger

Im Nordwesten der Insel Fehmarn (Kreis Ostholstein) betreibt Clemens Rahlf einen Ferienhof für Familien. Es gibt Ponys zum Reiten, Hasen zum Streicheln, Camping, Apartments und reichlich Platz. Doch die Idylle könnte bald getrübt werden, befürchtet er. Ein paar hundert Meter von seinem Grundstück entfernt liegen drei Windparks. Noch sind die rund 100 Meter hohen Windkraftanlagen zum Großteil von den Wipfeln der umliegenden Bäume verdeckt. Doch im Zuge von Repowering-Maßnahmen könnten bald ältere Anlagen durch modernere ersetzt werden. Statt 100 Meter könnten die Windkraftanlagen dann bis zu 200 Meter in die Höhe ragen.

3H-/5H-Regelung soll fallen 

Eigentlich ist das nichts, das Sorgen bereiten sollte. Denn in Schleswig-Holstein ist derzeit geregelt, dass neue Anlagen nur dann entstehen dürfen, wenn sie einen Abstand von ihrer fünffachen Höhe zu Wohnsiedlungen und ihrer dreifachen Höhe zu allein stehenden Wohnhäusern haben. Dabei handelt es sich um die 3H-/5H-Regelung. Für Clemens Rahlf würde das bedeuten, dass die neuen Anlagen weiter wegrücken würden. Doch diese Regel soll heute in einem Kabinettsbeschluss gekippt werden.

Bundesgesetz ist Grund für Änderung

Der geplante Wegfall der Regelung geht auf das sogenannte Windflächenbedarfsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zurück. Es schreibt den Ländern eine Mindestquote für die Ausweisung von Windkraftgebieten – den Flächenbeitragswert -- vor. Diese beträgt im Land aktuell rund zwei Prozent der Landesfläche. Das Problem: Innerhalb dieser Fläche dürfen keine Gebiete mit Einschränkungen liegen.

Sütterlin-Waack: "Haben auf Gesetz des Bundes reagieren müssen"

Allerdings gibt es eine solche Einschränkung mit der 3H-/5H-Regelung in Schleswig-Holstein. Deshalb habe das Land reagieren müssen, sagt Schleswig-Holsteins Innenministerin, Sabine Sütterlin-Waack (CDU). "Denn die neuen Gesetze des Bundes geben klare Richtlinien vor, die eindeutig besagen, dass Vorrangflächen für Windenergie nur noch angerechnet werden, wenn sie unter anderem keine Höhenbeschränkungen mehr vorsehen." Es ist daher wahrscheinlich, dass die Landesregierung bei ihrer heutigen Kabinettssitzung die Regelung kippen wird.

Anlieger befürchten, dass Touristen wegbleiben

Clemens Rahlf. © NDR Foto: Fabian  Boerger
Clemens Rahlf betreibt einen Ferienhof auf der Insel Fehmarn. Er befürchtet, dass sich Touristen durch die größeren Anlagen belästigt fühlen.

Für Clemens Rahlf hätte der Wegfall der Regelung zur Folge, dass die neuen Anlagen nicht wegrücken müssten. Sie würden dann gut sichtbar über die Baumspitzen ragen. Rahlf: "Dann haben wir den ganzen Rotor in voller Breite im Blick. Das ist geschäftsschädigend." Er befürchtet, dass sich Touristen von der Lautstärke, dem Schattenschlag und Schall der größeren Anlagen belästigt fühlen und wegbleiben. Je größer die Anlage sei, desto weiter müsse sie von Menschen weg sein, so Rahlf. Dass nun das Gegenteil der Fall sei, könne nicht im Sinne der Anwohner sein.

Sorge vor neuen Konflikten

Auch Holger Diedrich, Fraktionsvorsitzender der BUG-Wählergemeinschaft in Riepsdorf (Kreis Ostholstein), hat in der Vergangenheit leidvolle Erfahrungen mit dem Thema Windkraft gemacht. Zehn Jahre schwelte ein Konflikt in seiner Gemeinde mit den Betreibern eines angrenzenden Windkraftgebiets. Auch dort werden Anlagen repowert – also kleine Anlagen durch größere Anlagen ersetzt. Zusätzlich sollten die Anlagen näher an die Wohnhäuser heranrücken, "teilweise bis zu 600 Meter", so Diedrich.

Wegfall der Regelung könnte Windkraftfrieden gefährden

Der Streit wurde in sieben Verhandlungsrunden vor Gericht ausgetragen. Auf der einen Seite standen laut Diedrich die Betreiber, die ihre Flächen so weit wie möglich ausnutzen wollten. Auf der anderen Seite waren einige Anwohner, die fürchteten, dass ihre Immobilien an Wert verlieren könnten. Zugleich sei die Gemeinde tief gespalten gewesen. Freundschaften seien zerbrochen. Es habe Anfeindungen und Ausgrenzungen gegeben.

Holger Diedrich von der Gemeindevertretung Riepsdorf. © NDR Foto: Fabian  Boerger
Holger Diedrich (BUG) von der Gemeindevertretung Riepsdorf befürchtet, dass sich durch den Wegfall der 3H-/5H-Regelung alte Gräben wieder auftun könnten.

Beim letzten Mal nahm der Streit ein gutes Ende, so Diedrich. Beide Seiten, Betreiber und Windkraftgegner, hätten Abstriche gemacht, um einen Kompromiss zu finden. Doch fällt die 3H-/5H-Regelung, befürchtet er, dass die Kompromisse erneut aufgeweicht werden und alte Konflikte wieder ausbrechen.

Hrach: Ausgewiesene Flächen könnten besser bebaut werden

Während Anlieger Einbußen und das Aufbrechen alter Konflikte befürchten, befürwortet der Geschäftsführer des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE) Schleswig-Holstein, Marcus Hrach, den möglichen Wegfall der Regelung. "Durch den Wegfall des Kriteriums können die ausgewiesenen Flächen besser bebaut werden, dadurch erhöht sich die Flächeneffizienz." Es handele sich bei der Regelung um ein politisch gesetztes Kriterium, heißt es vonseiten des Landesverbands, für das keine gesetzliche Notwendigkeit bestehe. So werde die Einhaltung von festgelegten Richtwerten zu Schall-Emissionen und Schattenwurf bereits durch Vorgaben des Immissionsschutzrechts geregelt.

Rahlf: "Die großen Anlagen gehören aufs Meer"

Für Clemens Rahlf ist das Ganze unverständlich. Er findet, dass die großen, modernen Windkraftanlagen nicht an Land gehören. Sie würden aus seiner Sicht nicht ins Landschaftsbild passen. "Die kann man gut und gerne aufs Meer setzen", sagt er. Das wäre aus seiner Perspektive ein sinnvoller Kompromiss.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 18.12.2023 | 19:30 Uhr

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