Wildschweine im Wohngebiet: Anwohner in Glinde in Angst
In einem Wohngebiet in Glinde sorgen Wildschweine seit einigen Monaten für Unruhe. Jäger sollen die Population jetzt unter Kontrolle bringen. Aber das ist nicht so leicht.
Corina und Oliver Scheer wollen nachschauen, was die Wildschweine in der vergangenen Nacht in ihrem Garten angerichtet haben. Vorbei an einem kaputten Sichtschutzzaun laufen sie über den umgegrabenen Rasen in Richtung Beet. Seit 15 Jahren wohnen sie am nördlichen Stadtrand von Glinde (Kreis Stormarn) und bekommen seit rund einem Jahr tierischen Besuch - mittlerweile fast jede Nacht. "Um 22 Uhr geht es los", erzählt Oliver Scheer, während er die herausgerissenen Steine wieder an die Beet-Grenze legt. "Dann kommen die Wildschweine über den Wall und machen hier alles kaputt." Ein Gartenbauer habe den Schaden auf rund 25.000 Euro geschätzt. Eine Versicherung kommt dafür nicht auf.
Anwohner in Angst
Ihren Garten, oder das, was davon übrig ist, können die Scheers wegen der nächtlichen Besuche nur noch tagsüber nutzen. Sie fühlen sich von den Tieren bedroht. "Die Terrasse haben wir abends in diesem Sommer kein einziges Mal genutzt", erzählt Corina Scheer und ergänzt: "Ich habe einfach Angst." Auch wenn Oliver Scheer morgens früh das Haus verlassen und zur Arbeit muss, stehen die Wildschweine oft direkt vor der Tür. "Heute morgen konnte ich das Haus erst verlassen, nachdem ich die Wildschweine mit lauten Geräuschen vertrieben habe", sagt er.
Jäger sollen die Population unter Kontrolle bringen
Wie den Scheers geht es auch anderen Grundstückseigentümern im Norden von Glinde. Auf den angrenzenden, unbewirtschafteten Feldern finden die Wildschweine tagsüber Ruhe und Platz zum Verstecken. Deshalb hat die Stadt die Kreisjägerschaft Storman gebeten, die Population unter Kontrolle zu bringen. "Wildschweine sind sehr anpassungsfähig und schlau", erklärt Jäger Michael Medag. "In den Gärten im Wohngebiet kommen sie leicht an Nahrung, und lernen, dass von den Menschen hier keine Gefahr ausgeht." Außerdem vermehren sie sich extrem schnell und ihre natürlichen Lebensräume gehen immer mehr verloren.
Wildschweinbestände wachsen
Die milden Winter, ausreichend Nahrung durch Monokulturen wie Maisanbau und fehlende natürliche Feinde - all das führt dazu, dass Wildschweine sich in den vergangenen Jahrzehnten stark vermehrt und in ganz Schleswig-Holstein ausgebreitet haben. Wurden vor vierzig Jahren noch rund 2.400 erschossene Tiere gemeldet, waren es im vergangenen Jahr mehr als 10.000. Mittlerweile gibt es fast überall im Land das ganze Jahr über Schwarzwild. Dadurch werden auch Kontakte mit dem Menschen häufiger.
Schwierige Jagd in der Nähe zu Wohngebieten
Michael Medag läuft über eine wild bewachsene Wiese auf den Hochsitz zu. Insgesamt drei haben die Jäger hier im Juli extra für die Wildschweinjagd errichtet. An den Kosten von 6.000 Euro hat sich die Stadt beteiligt. Seitdem jagen sie zwei bis drei Mal in der Woche. Und das ist hier nicht einfach - so nah am Wohngebiet und der Straße. "Da ist so viel Wucht hinter den Kalibern, dass wir von oben durch das Schwein auf den Boden schießen müssen", erklärt Michael Medag auf dem Hochsitz. "Weil die Kugel sonst aufditschen, weiterfliegen, und andere Menschen gefährden würde."
Zehn Wildschweine haben sie schon erlegt. "Sie haben sich dieses Gebiet als Lebensraum erobert und fühlen sich offensichtlich sehr wohl", glaubt Michael Medag. "Deshalb können wir versuchen, durch die Jagd den Druck zu reduzieren. Aber dass die Wildschweine komplett aus dem Gebiet verschwinden, glaube ich nicht." Die Scheers wollen bald einen Wildschutzzaun ziehen, damit sie ihren Garten irgendwann wieder genießen können.