Ein Wildschwein läuft durch einen Wald. © picture alliance / Zoonar Foto: Helge Schulz

Wildschwein-Plage: "Hoffen, dass das endlich ein Ende hat"

Stand: 02.08.2024 08:51 Uhr

Mehr als 30 Wildschweine leben seit Wochen in Sankt Andreasberg (Landkreis Goslar). Inzwischen dringen die Tiere bis in die Wohngebiete vor. Lebendfallen sollen die Plage beenden.

von Tino Nowitzki

Ina Schubert hat Angst. Angst, auf die Straße zu gehen, Angst, in den Garten zu gehen - selbst tagsüber. "Nicht nur mir geht's so, sondern praktisch fast allen Nachbarn", sagt die St. Andreasbergerin. Ein Blick in die Gärten in ihrer Straße zeigt, warum: zerwühlte Beete, ausgerissene Blumen, demolierte Zäune. Der Verursacher: Wildschweine, vermutlich eine ganze Rotte. Ina Schubert deutet auf eine steile Treppe: "Selbst hier sind sie hochgelaufen. Ich hätte nie gedacht, dass Wildschweine so etwas können!" Und schon gar nicht, dass die Tiere so weit in den Ort vordringen.

Müll und Komposthaufen locken die Tiere an

Wildschweine stehen auf einem Waldweg bei St. Andreasberg. © NDR
Wildschweine stehen auf einem Waldweg bei Sankt Andreasberg.

Doch genau das tun sie, seit Wochen. Mehr als 30 Tiere, schätzt Volker Jung von der Jagdgenossenschaft St. Andreasberg, haben sich inzwischen im Ort niedergelassen. Was sie anlockt? "Hausmüll, Komposthaufen, alles, was man fressen kann", sagt Jung. Das Problem sei nicht neu, nur hätten sich die Tiere bisher eher am Ortsrand aufgehalten. Jetzt würden sie immer mutiger und erschreckten die Menschen. Natürlich würden die Tiere den Menschen nicht auflauern, sagt Jung. Aber eine Bache, die auf ihre Frischlinge aufpasst und sich gestört fühlt, könne schon extrem gefährlich werden: "Nicht auszudenken, wenn sie auf Schulkinder trifft."

Landkreis genehmigt Lebendfallen

Auch die Verwaltung hat das Problem erkannt und gleich mehrere Maßnahmen ergriffen. Eine davon: die Entnahme der Wildschweine, die in St. Andreasberg quasi heimisch geworden sind. "Im Ort einfach herumballern dürfen unsere Jäger natürlich nicht", sagt der Leiter der Jagdgenossenschaft, Volker Jung. Stattdessen hat sich die Stadt Braunlage, zu der St. Andreasberg gehört, vom Landkreis Goslar genehmigen lassen, im Ort Lebendfallen aufzustellen. Das Prinzip: Die Wildschweine werden mit Futter in die Fallen gelockt, eine Klappe schnappt zu, die Wildschweine können nicht mehr entkommen. Jäger erschießen die Tiere dann an Ort und Stelle.

Wildschweine im Ort erschießen: Die "Ultima Ratio"

Um die Fallen möglichst zielgenau und an den neuralgischen Lieblingsplätzen der Wildschweine aufzustellen, hat die Verwaltung keine Kosten und Mühen gescheut: "Wir haben Wildkameras eingesetzt und auch Drohnen mit Wärmebildkameras fliegen lassen", sagt Braunlages Bürgermeister Wolfgang Langer (Bürgerliste). Wo genau die Fallen aufgestellt werden, bleibe geheim - wohl auch aus Angst, Tierschützer auf den Plan zu rufen, die die Fallen abbauen könnten. Er selbst finde die Vorstellung, Wildschweine mitten im Ort zu erschießen, nicht so rosig, sagt Langer. "Aber es ist eben unsere Ultima Ratio", erklärt der Bürgermeister.

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2.500 Euro Zwangsgeld für ungesicherte Komposthaufen

Aber nicht die einzige Lösung: Die St. Andreasberger sind nun per Verordnung verpflichtet, Wildschweine nicht zu füttern und Gartenabfälle und Komposthaufen zu sichern. Wer das nicht tut, muss mit einem Zwangsgeld von 2.500 Euro rechnen. Für die Bioabfälle hat die Gemeinde einen großen Stahlcontainer an zentraler Stelle aufgestellt. Denn: Private grüne Tonnen gibt es im Ort nicht - durch die Bergbaugeschichte sind Bioabfälle hier zu stark kontaminiert.

Wildschweinplage: Bürger bangen weiter

Außerdem werden derzeit an vielen Stellen im Ort Büsche und kleine Wälder zurückgeschnitten. Das soll den Wildschweinen die Deckung nehmen - in der Hoffnung, dass sie dann wieder in den Wald zurückkehren. Das hofft auch Ina Schubert. Doch noch hat sie Angst, vor allem um ihren Hund, denn erst vor wenigen Wochen wurde ein Dackel im Ort von einem Wildschwein getötet. Dass die Wildschweine nun geschossen werden sollen, tue ihr zwar leid, so Schubert. Aber es sei auch eine Frage der Sicherheit. "Wir hoffen einfach, dass das hier alles endlich ein Ende hat."

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