Weltfrauentag in SH: Der Protest ist weiblich
Von der Organisation der Streckenplanung bis zur Rede bei der Kundgebung: Frauen sind bei Demonstrationen präsenter denn je. Neben Solidarität und Anerkennung schlägt vielen auch Sexismus entgegen - einige werden sogar bedroht.
Ihre Stimme schallt bei der Klimastreik-Kundgebung über den Lübecker Rathausmarkt: "Wir fahren zusammen?!" Die vielstimmige Antwort: "Wir streiken zusammen!" Katharina Kewitz steht in neongelber Weste auf der Bühne - sie hatte die gemeinsame Aktion von "Fridays for Future" und der Gewerkschaft ver.di koordiniert. Schon am Wochenende davor hatte sie ein Mikro in der Hand - beim Auftakt einer Demonstration gegen Rechtsextremismus durch die Lübecker Altstadt.
Die 25-jährige Medizinstudentin will zögerlicher Klimaschutzpolitik, schlechten Arbeitsbedingungen im ÖPNV und dem Rechtsruck etwas entgegensetzen, deshalb organisiert sie Demos - seit rund drei Jahren ist sie vor allem in der Klimabewegung aktiv, erzählt sie. Die Zuversicht, etwas ändern zu können, spornt sie an: "Veränderung kommt nicht von selbst, wir müssen dafür auf der Straße kämpfen" sagt Katharina Kewitz. "Aber wir wissen auch, dass es möglich ist, wenn wir uns zusammentun - wenn wir viele werden."
Soziologe: Mehr Frauen im Protest
Immer mehr Frauen engagieren sich öffentlich in Protestbewegungen, sagt der Soziologe Prof. Dr. Dieter Rucht vom IPB, Institut für Protest- und Bewegungsforschung in Berlin. Forschung zu Frauen im Klimaprotest gibt es aus Österreich: Prof. Dr. Antje Daniel, Protest- und Genderforscherin am Institut für Internationale Entwicklung der Universität Wien hat an einer Befragung in 13 europäischen Städten mitgearbeitet. "Wir sehen in einigen Bereichen eine Zunahme an Frauen in den politischen Aktivitäten, aber auch auf den Demonstrationen." sagte sie im Interview mit der österreichischen "Kleine Zeitung" - so seien demnach 60 Prozent der Demonstrierenden auf Klima-Demos weiblich gewesen.
Sonja Klüver setzt sich schon von Berufswegen her besonders für Vielfalt und Demokratie ein. Die 33-Jährige mit Wurzeln in Bosnien-Herzegowina ist Teil des Leitungsteams der interkulturellen Begegnungsstätte "Haus der Kulturen" in Lübeck und hat unter anderem eine Demo gegen Rechtsextremismus in Lübeck mitorganisiert und dort eine Rede gehalten. Auch sie beobachtet, dass viele junge Frauen im Protest präsent sind - ihrer Ansicht nach ein globales Phänomen: "Wir haben im Iran die Protestbewegungen der Frauen, die ja natürlich ein ganz anderes Ausmaß haben als hier. Wenn die Frauen dort auf die Straße gehen, laufen sie Gefahr, festgenommen, gefoltert, im schlimmsten Fall ermordet zu werden."
Mia: "Wir wurden nachts mit Telefonanrufen bombardiert"
Mia aus Henstedt-Ulzburg hat in den letzten Jahren immer wieder Demos auf die Beine gestellt - gemeinsam mit ihren Freundinnen und Freunden vom "Bündnis für Demokratie und Vielfalt". Zunächst seien kaum Leute gekommen - bei der Aktion Ende Januar waren dann rund 3.500 Menschen auf der Straße. "Es lohnt sich, stundenlang Pläne auszuhecken", sagte sie im Schleswig-Holstein Magazin: "Jetzt sind so viele da und stehen für die Vielfalt in unserem Land."
Die junge Frau heißt eigentlich anders - ihren richtigen Namen möchte Mia aus Sicherheitsgründen nicht nennen. "Wir wurden mit nächtlichen Telefonanrufen bombardiert", erzählt sie. Auch die Klima- und Demokratie-Aktivistin Katharina fühlte sich schon bedroht: "Wenn Videos von mir in rechten YouTube Kanälen landen, gibt es einem ein mulmiges Gefühl. Gleichzeitig ist das kein Grund aufzugeben, weil es ja zeigt, dass wir damit einen Nerv treffen."
Mit Ironie gegen sexistische Sprüche
Auch frauenfeindliche und abwertende Kommentare seien keine Seltenheit: "Alte Männer sagen mir immer mal wieder: Wenn ich zwei Kinder und ein Einfamilienhaus habe, würde ich alles ganz anders sehen", sagt Katharina Kewitz. "Das ist Quatsch und spiegelt ja auch nicht die Lebensrealität vieler Frauen wider und vor allem spricht es uns nicht ab, Meinungen zu gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten zu haben und dagegen zu kämpfen."
Sonja Klüver bekommt für ihre Arbeit im "Haus der Kulturen" und für ihr Engagement viel Zuspruch, manchmal allerdings klinge eine gewisse Überraschung durch: "Als wenn mir als Frau oder als Migrantin eigentlich gar nicht so viel zugetraut wird", sagt sie. Sie fragt dann ironisch nach, ob sie besser hätte zuhause bleiben und etwas kochen sollen. "Dann wird natürlich erst mal komisch geguckt, weil erwartet wird, dass man sagt: Oh ja, Dankeschön. Aber das ist einfach nicht mein Ansatz."
Klima- und Demokratie-Aktivistin: "Bildet Banden!"
Ihr Ansatz, ihre Motivation: Sonja Klüver will zu einem Wandel in der Gesellschaft beitragen. "Bis Menschen, die hier leben, gleichberechtigt sind - egal ob Mann, Frau, Migrantin oder Migrant." Mia in Henstedt-Ulzburg hofft, dass rechtsextremes Gedankengut aus den Köpfen verschwindet - bestenfalls auch die AfD. Die vom Patriarchat geprägte Welt besser und gerechter machen - das treibt Katharina an. Sie ist froh über die vielen Frauen in Protestbewegungen und hofft, dass es noch mehr werden: "Bildet Banden! Tut euch zusammen."