Wasserstoff-Umstellung: Diese Probleme hat ein Betrieb aus Itzehoe

Stand: 20.05.2024 05:00 Uhr

Ein mittelständischer Betrieb aus Itzehoe hat sich vorgenommen, bis 2028 in seiner Produktion statt Erdgas Wasserstoff einzusetzen. Ein Test zeigt: Technisch geht das. Doch wo der Wasserstoff herkommt, ist noch offen.

Deckelproduktion bei der Firma Pano Verschluss GmbH. © NDR
Auch bei ihrer Produktion entsteht noch viel CO2: Verschlussdeckel der Firma Pano aus Itzehoe.

Es ist laut in der Produktionshalle des Verschlussherstellers Pano in Itzehoe. Große silberne Blechtafeln werden hier lackiert, getrocknet, bedruckt, gestanzt und zu Deckeln und Dosen geformt - mehr als 700 Millionen Stück pro Jahr. Gut möglich, dass jeder schon einmal ein Marmeladen- oder Gurkenglas mit einem Deckel aus Itzehoe in der Hand gehalten hat. Das Markenzeichen von Pano: der blaue Dichtungsring. Bei der Deckelproduktion entsteht nicht nur Lärm, sondern auch jede Menge CO2 - 1.300 Tonnen im Jahr. Die will der Verschlusshersteller bestenfalls auf Null reduzieren - mithilfe von grünem Wasserstoff. Die ersten Schritte von Pano zeigen, wie schwer der Weg ist weg von fossilen Brennstoffen - gerade für kleine Betriebe aus dem Mittelstand.

Fast ein Jahr Vorbereitung für Fünf-Tage-Test

Pano möchte das machen, was Bund und Land als zwingend notwendig erachten für das Ziel Klimaneutralität. Sie sehen in grünem Wasserstoff den Energieträger der Zukunft, der vor allem in industriellen Prozessen Kohle, Erdgas oder Mineralöl ersetzen soll, die nicht elektrifiziert werden können. Im vergangenen Jahr hat der 130-Mitarbeiter-Betrieb aus Itzehoe die Umstellung getestet und fünf Tage Wasserstoff statt Erdgas genutzt. Vor einigen Jahren hatte das Unternehmen schon seine Produktionsanalgen modernisiert, auch um Energie zu sparen: In Itzehoe arbeitet seitdem eine effizientere Druckmaschine und einen sparsameren Ofen für die Lacktrocknung - die verbrauchen 40 Prozent weniger Gas als ihre Vorgänger.

Fast ein Jahr dauerten die Vorbereitungen für den Test, der von der Wirtschaftsförderung des Landes zur Hälfte bezahlt wurde. Schließlich mussten nicht nur Genehmigungsbehörden überzeugt werden, sondern auch Versicherungen und nicht zuletzt der Hersteller des 36 Meter langen Ofens. "Alle reden von der Umstellung auf Wasserstoff, aber letztlich ist das absolutes Neuland - es fehlt an Regularien", sagt Pano-Geschäftsführer Thomas Stock.

Neue Leitung, Sensoren, Sicherheitskonzepte

Und schließlich war der Wechsel auf Wasserstoff natürlich technisch eine Herausforderung - allein, den Transportdruck des Wasserstoffs von 200 Bar auf 150 Millibar herunterzuregeln, damit der Ofen mit ihm arbeiten kann. Neue Leitungen wurden gebaut, Sensoren und Sicherheitstechnik installiert und Sicherheitskonzepte inklusive Explosionsschutzzonen erarbeitet.

Grüner Wasserstoff nicht verfügbar

Getestet worden ist dann nicht mit grünem, sondern mit konventionellem Wasserstoff. Der wird in aller Regel aus Erdgas gewonnen und ist damit ökologisch noch schlechter als sein Ausgangsstoff. "Uns ging es erst einmal um die technische Machbarkeit - aber selbst wenn wir gewollt hätten, hätten wir keinen grünen Wasserstoff bekommen. Den gibt es ja im Grunde nicht", sagt Stock.

Thomas Stock von Pano Verschluss GmbH. © NDR
Pano-Geschäftsführer Pano-Stock will sein Unternehmen auf Wasserstoff umstellen und sagt: "Wasserstoff per Leitung wäre schön, ist aber unrealistisch".

Die Verfügbarkeit ist jetzt auch das größte Problem. Bis 2028 will Pano auf Wasserstoff umstellen. Um das Ziel erreichen zu können, wird es den Energieträger selber herstellen müssen - mit einem Elektrolyseur. "Natürlich wäre eine Pipeline um die Ecke und Wasserstoff per Leitung schön - aber das ist eher unwahrscheinlich beziehungsweise dauert einfach zu lange", sagt Thomas Stock.

Fokus liegt auf Großunternehmen

Tatsächlich konzentrieren sich Bund und Land zunächst auf große industrielle Abnehmer, die quasi direkt ans geplante Wasserstoff-Kernnetz angeschlossen werden. In Schleswig-Holstein ist der Hyperlink 3 Teil dieses Netzes, der vom Fernleitungsnetzbetreiber Gasunie quer durchs Land geplant und umgesetzt werden und Deutschland mit Dänemark verbinden soll.

In der Wasserstoffstrategie, die Schleswig-Holstein 2020 als eines der ersten Bundesländer für sich entwickelt hat, ist festgelegt, dass Unternehmen mit einem Bedarf von mehr als 1.000 Megawattstunden bis Ende diesen Jahres ein planungssicheres Angebot erhalten sollen. Laut Energiewende-Staatssekretär Joschka Knuth ist das auch bereits geschehen.

Panos Verbrauch - zu klein für einen Pipeline-Anschluss?

Bis Ende kommenden Jahres soll das auch für Abnehmer mit einer Anschlusskapazität von mehr als 100 Megawatt gelten und bis Ende 2026 für solche mit einem Bedarf von mehr als 10 Megawattstunden. Doch Pano hat einen Bedarf von 2,5 Megawatt. "Das ist schon eine größere Menge, aber natürlich kein Vergleich zu Großverbrauchern", sagt Thomas Stock.

Ein Trockenofen bei der Firma Pano Verschluss GmbH. © NDR
Die Lacktrockungsöfen in der Produktionsanlage verbrauchen viel Gas.

Hans Kemeny, der beim Mittelstandsverband BVMW für Hamburg und Schleswig-Holstein zuständig ist, befürchtet, dass kleine und mittlere Unternehmen wie Pano beim Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur und bei der Förderung der Umstellung vergessen werden. "Aktuell sieht es noch so aus, dass Wasserstoff besonders für diese Unternehmen zu teuer und damit unterwirtschaftlich ist. Hier würden gezielte Maßnahmen der Regierung helfen", so Kemeny.

SH Netz: Wasserstoff wird nicht überall verfügbar sein

Annika Erichsen leitet die Landeskoordinierungsstelle Wasserstoffwirtschaft und betont, mit der im vergangenen Jahr fortgeschriebenen Wasserstoffstrategie des Landes vor allem kleine und mittlere Unternehmen unterstützen zu wollen. Erichsen verweist darauf, dass es neben der Idee des Kernnetzes auch eine Vision gebe, wie über die Verteilnetzebene Wasserstoff auch in der Breite zur Verfügung gestellt werden könne - ähnlich wie Erdgas heutzutage.

Gemeint ist damit die H2 Hanse Netz Vision der SH Netz AG. Laut einer Sprecherin erarbeitet die derzeit zusammen mit dem Fernleitungsnetzbetreiber Gasunie Konzepte, um "einzelne Leitungen zukünftig mit Wasserstoff betreiben zu können." Allerdings werde Wasserstoff nicht überall zur Verfügung stehen und sein Einsatz teuer sein.

Die Umsetzung des kleinteiligeren Wasserstoffnetzes hängt der Sprecherin zufolge auch von der Realisierung von Hyperlink 3, also dem deutschen und europäischen Kernnetz ab. Geplant ist die bis 2030 - ob das noch der aktuelle Stand ist, darauf antwortete das zuständige Unternehmen Gasunie auf Anfrage nicht.

Pano wünscht sich mehr finanzielle Hilfe vom Staat

Geschäftsführer Thomas Stock findet, dass Unternehmen in Panos Größenordnung bislang vergessen werden - nicht nur, was die künftige Zulieferung von Wasserstoff anbelangt, sondern auch, was Förderungen betrifft. "Es gibt kein Programm, das Elektrolyseure in unserer Größenordnung fördern würde", so Stock.

Ohne Unterstützung sei die Umstellung aber kaum zu stemmen - Stock rechnet mit bis zu 3,5 Millionen Euro für die Anschaffung sowie dreimal höheren Betriebskosten. "In diesem Fall müsste zumindest anfangs und in Abhängigkeit davon, wie teuer Gas künftig sein wird, auch über eine Förderung der Herstellung nachgedacht werden", sagt Thomas Stock.

Staatssekretär Knuth will kleinen Mittelstand fördern

Das schließt Staatssekretär Joschka Knuth (Grüne) aus: "Das Land fördert ausschließlich in Form von Investitionszuschüssen." Knuth kündigt an, das Förderprogramm für Wasserstoffprojekte weiterentwickeln und die Förderrichtlinie so fortschreiben zu wollen, dass insbesondere auch kleinere mittelständische Unternehmen profitieren.

Darauf hofft auch Thomas Stock. Derzeit ist der Pano-Geschäftsführer zumindest schon einmal dabei, sich den künftigen Standort eines möglichen Elektrolyseurs genehmigen zu lassen.

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Schleswig-Holstein Magazin | 27.04.2024 | 19:30 Uhr

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