Warum so viele Pflege-Azubis durchfallen und was dagegen hilft

Stand: 30.04.2024 17:20 Uhr

Im Schichtsystem arbeiten. Alte, kranke und sterbende Menschen versorgen. Der Job als Pflegekraft ist psychisch und physisch eine Herausforderung. Das zeigt sich auch schon in der Ausbildung.

Eine Auszubildende an einem Krankenbett. © NDR
Die indische Auszubildende Elsa Philo Aloysius übt eine Patientengespräch am Krankenbett.

Jeder fünfte Auszubildende in der Pflege besteht die Ausbildungsprüfung nicht beim ersten Mal. Das geht aus einer kleinen Anfrage der SPD an die Landesregierung von Ende März hervor. Die Quote liegt damit laut Gesundheitsministerium acht Prozentpunkte höher, als in anderen dualen Ausbildungsberufen. Auch wenn sich die Zahlen beim zweiten Prüfungsversuch nur noch um vier Prozentpunkte unterscheiden, steht die Pflege-Ausbildung schlechter da. Zum Vergleich: In den klassischen Industrie- und Handelsberufen bei der IHK liegt die Quote derer, die beim ersten Versuch nicht bestehen, bei etwa zehn Prozent. Angesichts des fortschreitenden demografischen Wandels und einem zunehmenden Fachkräftemangel sieht die SPD in den Zahlen eine dramatische Entwicklung.

Warum viele bei der Prüfung durchfallen

Dass nur 80 Prozent ihre Prüfung beim ersten Mal schaffen, liegt laut Gesundheitsministerium an der anspruchsvollen Fachausbildung. Außerdem würden sich Auszubildende immer stärker unterscheiden. Nicht nur im Alter - sie stehen auch auf unterschiedlichen Lern- und Leistungsniveaus. Laut Ministerium gebe es zudem immer weniger geeignete Bewerber, teilweise haben sie unzureichende schulische Qualifikationen, sprachliche Defizite und es fehle oft an Reife und Sozialkompetenz. Das schlage sich auch in den nicht bestandenen Prüfungen wieder.

Bei der AWO heißt es, dass auch persönliche Umstände von Auszubildenden eine Rolle spielen können: familiäre Belastungen, weil sie Angehörige pflegen oder psychische erkrankt sind. Auch angeworbene Auszubildende aus dem Ausland, für die Deutsch nicht die Muttersprache ist, spielen eine Rolle. Aber auch deutsche Auszubildende haben Probleme mit der Fachsprache oder Schwierigkeiten eigenverantwortlich zu lernen.

Die generalistische Pflegeausbildung, die Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege miteinander vereint, gibt es seit vier Jahren. Der erste Ausbildungsjahrgang ist 2023 fertig geworden. Die Anforderungen sind durch die Zusammenlegung der unterschiedlichen Kompetenzbereiche gestiegen, sagt Birgit Walkenhorst von der Koordinierungsstelle Netzwerk Pflegeausbildung. Nicht nur für Auszubildende, auch für die Ausbilder. Es handele sich immer noch um einen "Lernprozess auf allen Ebenen", so Walkenhorst. Auch das würde beim Nichtbestehen der Abschlussprüfung eine Rolle spielen.

Eine Trainerin erklärt einer Gruppe Frauen an einem Krankenbett Arbeitsschritte. © NDR
Lehrerin Elena Streck nimmt sich im Lernatelier Zeit für die neuen Azubis aus Indien.

Der Klinikgeschäftsführer vom Helios Klinikum Schleswig Johannes Rasche sagt, man dürfe nicht die falschen Schlüsse ziehen und die Qualität herunterschrauben. Es gehe auch darum, die Lehrqualität kritisch zu reflektieren.

Individuelles Lernen am AWO Bildungscampus in Preetz

Am AWO Bildungscampus in Preetz sind die Quoten deutlich besser als im Landes-Durchschnitt, sagt die pädagogische Leiterin Laura Gerbrecht. Das führt sie auf die individuellen Förderungsangebote zurück. Nicht nur ausländische Auszubildende werden mit Deutschkursen unterstützt und mit Hilfe zugespitzter Lern-Angeboten gefördert. Es gibt auch für alle Auszubildende, die Möglichkeit an individuellen Lern-Coachings teilzunehmen. Bis zu zehn Sitzungen können Sie bei Lerncoach Andreas Hermann buchen. "Die Anlässe sind immer unterschiedlich", sagt er. "Sie reichen von Prüfungsangst über Lernblockaden bis hin zu Motivationsproblemen". Seit der Pandemie werde das Angebot verstärkt genutzt.

Zwei Personen sitzen in einem Raum und sprechen miteinander. © NDR
Lerncoach Andreas Herrmann im Gespräch mit einer Auszubildenden, die Prüfungsangst hat.

Mit Hilfe der Termine soll es weniger Ausbildungsabbrüche geben. 13 Prozent der Pflege-Azubis brechen ab. Damit ist die Quote in der Pflege ähnlich, wie in anderen dualen Ausbildungsberufen. Wenn jemand anfängt an der Ausbildung zu zweifeln, suchen die Lernbegleiter am Bildungscampus in Preetz frühzeitig das Gespräch, sagt Laura Gerbrecht. "Wir fragen sie, welche Alternativen wir ihnen anbieten können". Oft werde den Auszubildenden angeboten, statt einer dreijährigen generalistischen Ausbildung zur Pflege-Fachkraft, erst mal eine einjährige Ausbildung zur Pflege-Hilfskraft abzuschließen.

Azubis aus dem Ausland haben es besonders schwer

Um auch ausländische Auszubildende erfolgreich zum Abschluss zu bringen, gibt es an vielen Pflegeschulen im Land Deutschkurse, auch in Preetz. Dort lernen seit einem halben Jahr auch fünf Auszubildende aus der indischen 33 Millionen-Stadt Kerala. Vor allem die Sprache ist für Sie eine Herausforderung. Obwohl sie in ihrer Heimat ihr B2-Zertifikat in Deutsch gemacht haben, kommen sie mit ihrem Wortschatz in der Praxis oft an ihre Grenzen. Neben Sprachkursen gibt es für sie in Preetz auch ein Lernatelier, in dem sie gefördert werden.

Eine Gruppe junger Frauen lächelt in die Kamera. © NDR Foto: Alexandra Bauer
Seit sechs Monaten lernen fünf Pflege-Azubis aus Indien am AWO Bildungscampus in Preetz.

Dort unterrichtet Lehrerin Elena Streck. Sie ist selber vor 20 Jahren aus Tschetschenien nach Deutschland gekommen, um hier als Pflegekraft zu arbeiten und weiß, was Auszubildende brauchen, um gut in Deutschland anzukommen. In ihrem Nachhilfeangebot werden Inhalte wiederholt und die Azubis auf Prüfungen vorbereitet. Lesen, Hören und Verstehen spielt dabei eine zentrale Rolle. Denn Sprache braucht man als Pflegekraft in jeder Situation. Das kennt auch die indische Auszubildende Grace Mariya Shaju. Sie sagt, in der Praxis müsse sie alle Bewohner gut verstehen. Der Unterricht sei deshalb "sehr hilfreich". Ihre Kollegin Elsa Philo Aloysius ist zuversichtlich, das sie mit der Unterstützung in Preetz ihre Ausbildung schaffen: "Ich habe Hoffnung", sagt sie lächelnd.

Gezielte Förderung müssen sich Träger leisten können

Doch die individuellen Lernangebote, die sie in Preetz anbieten, werden nicht alle durch das Land refinanziert, schildert die pädagogische Leiterin Laura Gerbrecht. Das Lern-Coaching sei ein "Luxus, den wir uns hier leisten". Andere Schulen, wie zum Beispiel die Ludwig-Fresenius Schule Lübeck, haben bislang keine Angebote zur Förderung für Auszubildende aus Deutschland. Dafür bräuchte es weitere finanzielle Mittel von Land und Bund, sagt die Pflege-Bereichsleiterin Britta Magers.

Geht es nach der sozialpolitischen Sprecherin Birte Pauls von der SPD, die selbst 25 Jahre lang als Krankenpflegerin gearbeitet hat, sollte die Betreuung von Pflege-Azubis weiter verbessert werden. Ihrer Erfahrung nach, sind Auszubildende nach einem erfolgreichen Abschluss hoch motiviert, bekommen nach der Ausbildung in den Einrichtungen aber schnell, den ökonomischen Druck zu spüren. Für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege will sich auch die Landesregierung weiter einsetzen, um so den Job für neue Azubis attraktiv zu machen. Sie verweist auf eine Reihe von Förderprogrammen sowie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Eine Frau spricht in einem Interview. © NDR
Die pädagogische Leiterin Laura Gebrecht ist von ihrem Konzept überzeugt.

Am AWO Bildungscampus in Preetz würden sie sich über mehr finanzielle und personelle Unterstützung freuen. Die individuellen Lernangebote, scheinen sich dort auszuzahlen. In Preetz fällt nur etwa jeder 20. Auszubildende durch die erste Prüfung. Deutlich weniger als im Landesdurchschnitt, da ist es jeder fünfte.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 30.04.2024 | 19:30 Uhr

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