Pflegebedürftige aus Norderstedt findet kein Personal
Sarina Hennings aus Norderstedt sitzt im Rollstuhl, braucht rund um die Uhr Betreuung. Dafür Fachkräfte zu finden wird für sie aber immer schwieriger, denn es gibt einen Personalmangel im Pflege- und Gesundheitsbereich.
In Sarina Hennings Küche duftet es nach Gewürzen, auf dem Herd gart noch das Gemüse. "Heute gibt es eine asiatische Pfanne - mit Fleisch, Karotten und Asia-Nudeln", erklärt die 35-Jährige. Doch für das Gericht selbst am Herd stehen, Gemüse schneiden oder die Zutaten vermengen - all das kann sie kaum allein. Denn Sarina Hennings hat die Erbkrankheit Gliedergürtelmuskeldystrophie - eine Krankheit, bei der nach und nach Muskelstränge absterben. "Es gab als Kind schon Anzeichen für die Krankheit. Mit acht Jahren kam die Diagnose", so Hennings. Zunächst waren die Einschränkungen nicht allzu groß: Hennings machte einen Schulabschluss, absolvierte anschließend eine Ausbildung. Vor etwa zehn Jahren bekam sie dann aber eine schwere Lungenentzündung. "Das hat meinen Körper sehr geschwächt." Seitdem ist sie beatmungspflichtig, sitzt im Rollstuhl. Weil ihr mittlerweile Schlucken schwerfällt, hat Hennings derzeit auch eine Magensonde.
Betreuung rund um die Uhr
Ihren Alltag bewältigt die Norderstedterin heute mit Assistentinnen. "Einkaufen, putzen, kochen - das alles dauert bei mir länger. Und ich brauche bei vielen Dingen zuhause Unterstützung. Jeden Tag, rund um die Uhr." Wenn die 35-Jährige schläft, wird sie beatmet - das muss überwacht werden. "Denn wenn das Beatmungsgerät nicht richtig läuft, könnte ich ersticken." Ihre Mitarbeiterinnen übernehmen deswegen jeweils 12-Stunden-Dienste. Eine Arbeit, die Hennings sehr zu schätzen weiß. "Ich bin dankbar für den Support. Ohne meine Pflegerinnen könnte ich nicht in meiner Wohnung leben."
Assistenz dringend gesucht
Nur: Derzeit ist das Team von Hennings kleiner, als ihr lieb ist. Zwei Personen arbeiten in Vollzeit, zwei weitere als Mini-Jobber. "Eine Mitarbeiterin macht eine mehrmonatige Weltreise", erklärt Hennings. Seit knapp drei Monaten sucht sie deswegen einen Ersatz - bisher ohne Erfolg. "Ich habe mehrere Anzeigen geschaltet, auch in den sozialen Medien. Die Resonanz war bisher aber sehr zurückhaltend." Für ihr Team bedeutet das: mehr Schichten, mehr Überstunden. Sie müssen die Arbeit einer fehlenden Teilzeit-Stelle auffangen. "Auf Dauer geht das aber nicht", erklärt Hennings.
Zu viel Arbeit, zu wenig Geld?
Der bestehende Fachkräftemangel in Pflege- und Gesundheitsberufen wirkt sich in ihrem Leben ganz konkret aus. Für die Norderstedterin ist klar: Dass die Arbeit als Assistentin oder Pflegerin für viele unattraktiv ist, liegt auch an der Bezahlung. Für den Lohn ihres Teams erhält sie jeden Monat ein festes Budget von der Krankenkasse. "Aber Geld und Verantwortung passen da einfach nicht zusammen", meint Hennings. Sie würde ihren Mitarbeiterinnen gerne mehr Geld zahlen - auch, um ihre Wertschätzung auszudrücken. Doch das gibt das Budget nicht her. Und: In Zukunft dürfte es kaum leichter werden, Pflegepersonal zu finden.
Hennings Problem kein Einzelfall
Janine Kolbig vom Zentrum für selbstbestimmtes Leben in Norddeutschland weiß: Sarina Hennings Problem ist kein Einzelfall. "Es mangelt an Personen, die als persönliche Assistenten arbeiten wollen. Und das liegt auch an den Löhnen." Wie viele Arbeitskräfte in dem Bereich genau fehlen, lässt sich laut Kolbig nicht exakt beziffern. "Klar ist aber: Auch in diesem Bereich haben wir einen deutlichen Personalmangel."
Für Sarina Hennings steht fest: Sie möchte ihren Alltag weiterhin mit der Hilfe von Assistentinnen Zuhause gestalten. "Ein Heim oder ein Pflegedienst sind für mich keine Optionen. Außerdem gibt es auch dort den Personalmangel." Gemeinsam mit ihrem Team hofft sie deswegen auf baldige Unterstützung - durch ein neues Mitglied.