Viel Gegenwind für die geplante Justizreform
Es hagelte Kritik: Verbände und Gerichte äußerten im Landtag Zweifel an den erhofften Einsparungen durch die Zusammenlegung von Gerichten im Land - und warnten vor den Folgen. Die Ministerin verteidigte die Reformpläne und verwies auf eine geplante Anhörung.
Der Schleswig-Holstein Saal ist der größte Ausschuss-Saal im Schleswig-Holsteinischen Landtag in Kiel. Und er war rappelvoll. Die geplante Justiz-Reform sorgt weiter für Aufregung - das zeigte sich auch bei der gemeinsamen Sitzung von Innen- und Rechtsausschuss und Petitionsausschuss.
Dort ging es um die Petition "Zugang zum Recht erhalten - Arbeits- und Sozialgerichte sichern" - die inzwischen mehr als 4.200 Menschen unterzeichnet haben. Darin wird bemängelt, dass Menschen es künftig schwerer haben könnten, zu den Arbeits- und Sozialgerichten im Land zu kommen. Denn sie alle sollen an einem zentralen Standort zusammengefasst werden.
Konkret geht es um die vier Sozialgerichte sowie die fünf Arbeitsgerichte im Land. Sie sollen an einem zentralen Standort - mutmaßlich in Neumünster - angesiedelt werden.
Weitere Wege und höhere Hürden befürchtet
Der Verfasser der Petition - Frank Hornschu vom DGB - und sämtliche anwesende Vertreter von Gewerkschaften, Verbänden und Gerichten befürchten eine ganze Reihe von negativen Folgen. Einige der Argumente der Kritiker:
- Für viele Beschäftigte wäre der Aufwand, den Dienstort zu wechseln zu groß. Etliche hätten schon angekündigt, nicht an einen zentralen Standort umzuziehen - auch bei ehrenamtlichen Richtern könnte die Bereitschaft sinken, so die Sorge.
- Gerade die Kläger an Sozialgerichten seien häufig körperlich beeinträchtigt oder sozial benachteiligt - sie hätten Schwierigkeiten, zu einem zentralen Gerichtsstandort zu kommen.
- Gerade in der Fläche seien viele Gerichte gut vernetzt, etwa mit Anwälten oder Verbänden vor Ort - das helfe, die Verfahrensdauer kurz zu halten. Das wäre bei einer Zentralisierung nicht mehr der Fall.
- Die vom Land erhofften Einsparungen seien nicht realistisch: So hätte das Ministerium etwa Umzugkosten und Fahrtkosten nicht mit einberechnet.
Offener Brief: "Zugang zu Gerichten hat Verfassungsrang"
Zuvor hatten sich die Leitungen der Gerichte im Land in einem offenen Brief an Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) gewandt. Sie schreiben darin, dass die geplanten Standortschließungen der Arbeits- und Sozialgerichte zu großer Aufregung und Zukunftsängsten bei den Beschäftigten geführt hätten.
Gleichzeitig vertreten sie die Auffassung, dass Gerichte für die Bürger auch in Zukunft sichtbar, präsent und erreichbar sein müssen: "Die Gerichte bilden das Rückgrat des Rechtsstaates. Der Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu den Gerichten hat Verfassungsrang."
Von der Decken will mit allen Beteiligten sprechen
Ministerpräsident Günther wollte sich zu dem Schreiben nicht äußern. Justizministerin von der Decken verteidigte im Ausschuss die Pläne. Ihre Argumente:
- durch Onlineverhandlungen und Gerichtstage könne Bürgernähe erhalten oder sogar verbessert werden
- im Justizbereich habe es schon häufiger Zentralisierungen gegeben und es seien keine Probleme bekannt
- mit Blick auf die Belastung der Beschäftigten werde man "gemeinsam gute und sozialverträgliche Lösungen finden"
- pauschale Personalkürzungen würden durch die Zusammenlegung von Standorten verhindert
Die Opposition tobt
Nach den Worten der Ministerin soll eine Anhörung der Beteiligten noch in diesem Monat starten. Ihre Kritiker würden sich aber wünschen, dass dieser Prozess ergebnisoffen geführt wird - und der Kabinettsbeschluss zur Justizreform zurückgenommen wird.
Die Planungen sollen während der Anhörung aber weiterlaufen. Lars Harms vom SSW hält das für eine "Katastrophe." Bernd Buchholz von der FDP nennt die von der Ministerin vorgelegten Zahlen eine "Milchmädchenrechnung" und der SPD-Politiker Marc Timmer findet sie eine "Frechheit."