Verfassungsschutz: Islamisten in SH wollen Nahostkonflikt für sich nutzen
Der Ton wird rauer - und das Weltgeschehen hinterlässt auch in Schleswig-Holstein seine Spuren. Das gilt für den russischen Angriffskrieg - und für Nahost. So steht es im Verfassungsschutzbericht 2023, den Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack am Donnerstag in Kiel vorgestellt hat.
Mit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 und dem Beginn des Israel-Gaza-Kriegs hat sich auch die Sicherheitslage in Deutschland und Schleswig-Holstein verändert. Laut Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) folgten darauf "in Teilen explizit antisemitische Reaktionen der extremistischen Szene im Land."
Gemeint sind damit einerseits Rechtsextreme, die die Ereignisse für unterschiedliche Erzählungen nutzten. Manche waren antisemitisch gegen Israel gerichtet - andere fremdenfeindlich und anti-muslimisch gegen die Hamas.
Islamisten wollen Nachwuchs gewinnen
Aber auch aus der islamistischen Szene kamen Reaktionen. Die seien "emotional, durchweg anti-israelisch und gegen den Westen gerichtet", sagte Sütterlin-Waack. Manche Islamisten nutzten der Ministerin zufolge die Lage offensiv, "um ein Opfernarrativ der Muslime in der westlichen Welt zu festigen und Kritik am deutschen Staat zu äußern." Ziel der Extremisten ist es laut Verfassungsschutzbericht, "neue Anhängerinnen und Anhänger zu gewinnen."
Die aktuellen Ereignisse des Nahostkonflikts werden von Islamistinnen und Islamisten gezielt genutzt, um neue Anhängerinnen und Anhänger zu gewinnen. Hierbei wird ein Freund-Feind-Weltbild konstruiert und verbreitet, wobei Muslime als Opfer dargestellt werden. Der Konflikt könnte dazu beitragen, eine Spaltung der Gesellschaft herbeizuführen, in der sich Teile der Musliminnen und Muslime nicht mehr mit ihren Meinungen wahrgenommen fühlen und sich nicht mehr als Teil der Gesellschaft sehen. Verfassungsschutzbericht 2023 Schleswig-Holstein, S. 18
Abstrakte Terrorgefahr bleibt
Die Gefahr des islamistischen Terrorismus bleibt aus Sicht der Sicherheitsbehörden in ganz Deutschland unverändert abstrakt hoch. Der Nahostkonflikt könnte für einzelne Personen aus der jihadistischen Szene als moralische Rechtfertigung für Straftaten dienen, so Sütterlin-Waack. Der Abteilungsleiter des Verfassungsschutzes, Dr. Torsten Holleck sagte, der Nahostkonflikt sei geeignet, wie ein "Brandbeschleuniger" zu wirken.
Cyberangriffe aus Russland nehmen zu
Das zweite Thema, das ihm besonders große Sorgen macht, sind Cyberangriffe aus Russland: Ihre Anzahl steigt laut Verfassungsschutz seit Beginn des russsischen Angriffs auf die Ukraine. Und bedeutet gerade für Unternehmen der kritischen Infrastruktur auch in Schleswig-Holstein eine hohe und stetig steigende Gefahr.
In den übrigen Extremismus-Bereichen bleibt der Rechtsextremismus ein Schwerpunkt: Personell wuchs die rechte Szene zwar nicht, aber es wurden mehr Straftaten verübt. Die Zahl der Gewalttaten stieg laut Verfassungsschutzbericht deutlich von 46 auf 81.
Die Zivilgesellschaft in SH lässt sich bisher nicht unterwandern
Der Versuch der Rechten, demokratische Proteste - etwa bei Demonstrationen - zu unterwandern, blieb aber demnach erfolglos. Auch die linksextremistische Szene schaffte es den Verfassungsschützern zufolge nicht, sich mit der Zivilgesellschaft zu vernetzen. Die Zahl der Gewalttaten ging in diesem Bereich zurück, die Behörden sehen aber nach wie vor ein hohes Gewaltpotential.
Die Reichsbürgerszene hat weiterhin starken Zulauf: Inzwischen zählen die Sicherheitsbehörden dort rund 700 Personen.
Die Landtagsfraktionen zeigen sich besorgt: Bernd Buchholz von der FDP spricht angesichts der gestiegenen Zahl der rechtsextremen Gewalttaten von einem "Warnsignal" - der SPD-Politiker Niclas Dürbrook findet die Entwicklung "erschreckend", SSW-Fraktionschef Lars Harms nennt sie "verstörend" und Jan Kürschner von den Grünen meint: "Die Gefahr für unseren Staat steht rechts."