Unterwegs mit einer Palliativärztin: Ein Leben in Dauerbereitschaft
Sie sind immer erreichbar und haben oft wenig Zeit für ein eigenes Privatleben: Palliativärzte stehen ihren sterbenskranken Patienten zur Seite - bis zu deren Tod. Ein herausfordernder Beruf zwischen Hoffnungslosigkeit und Zuversicht.
"Die Dankbarkeit und Wertschätzung, die kompensiert", sagt Ärztin Sabine Drengenberg. "Wenn ich von den Patienten auf dem Wege nach Hause bin, dann fahre ich tatsächlich mit einem Lächeln heim. Es ist so bereichernd, diesen Menschen zu helfen und den letzten Weg für sie möglichst einfach zu machen und Steine aus dem Weg zu räumen", erklärt die Ärztin. Seit 2014 arbeitet sie als Palliativärztin in der Umgebung um Hanerau-Hademarschen (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Eine Arbeit mit wenig Aussicht auf Freizeit oder Hobbies.
Menschen haben ein Recht auf häusliche Palliativbetreuung
"Das liegt natürlich an der Arbeitszeit, die 24-Stunden-Bereitschaft. Und Sie können ja nichts unbeschwert unternehmen. Nicht an den Strand nach Sankt Peter fahren und surfen. Wenn ein Notfall ist, dann müssten Sie ja vom Brett steigen und gleich losfahren und die Familie sitzt am Strand in einer Sandburg", meint sie lachend. Seit 2007 hat jeder sterbende Mensch ein Anrecht auf häusliche Palliativbetreuung. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen.
Palliativmedizin: Mehr Bedarf als Ärzte
"Der Bedarf ist da und der ist groß. Aber es sind nicht genügend Kollegen da. Es gibt berentete Ärzte, die machen die Arbeit weiter, weil es nicht genug aktive jüngere Kollegen gibt", beklagt sie. Sie erklärt, dass es zwar Ärzte gibt, die die Weiterbildung zum Palliativarzt absolvieren, dann in dem Bereich aber nicht arbeiten. Und das ist vielleicht auch der Grund, warum sie selbst derzeit 25 Menschen betreut. Manchmal fährt sie bis zu fünfzehn von ihnen täglich ab. "Mit meiner 40-Stunden-Woche in der Praxis und der Arbeit als Palliativärztin habe ich gut und gerne auch mal eine 80 bis 100-Stunden-Woche."
Die verlorene Hoffnung
Einer ihrer 25 Patienten ist Kai Marsau. Der 54-Jährige leidet an der unheilbaren Krankheit "Spinozerebelläre Ataxie“ - eine Muskelerkrankung, bei der die Nerven und die Muskeln langsam nachlassen. "Ich bin auf Geräte bei der Atmung und der Ernährung angewiesen, kann nicht mehr gehen, brauche Unterstützung beim Waschen und habe Spastiken", erklärt er seine Krankheit. Vor drei Jahren, bevor er Sabine Drengenberg kennenlernte, war er an einem Tiefpunkt. "Mir ging es sehr schlecht. Ich sah kein Licht mehr am Ende des Tunnels. Wenn ich aus dem Fenster gesehen habe, dann habe ich immer nur einen Treppe in den Himmel gesehen", erzählt er.
Die wiedergefundene Hoffnung
Über seine Hoffnungslosigkeit sprach er mit seinen Ärzten der Palliativstation am Westküstenklinikum Heide (Kreis Dithmarschen). Schließlich bekam er über diese Sabine Drengenberg als Palliativärztin an die Seite gestellt. Sie hat bei jedem Besuch nicht nur Blutdruckmesser und Medikamente dabei, sondern auch immer ein offenes Ohr, eine stützende Schulter, Freude und Zuversicht. "Sie ist nicht nur Ärztin, sie ist mittlerweile eine Freundin. Ohne sie und mein Team aus Pfleger und Therapeuten wäre ich wohl nicht mehr hier", sagt er.
Der Job: Für beide Seiten ein Gewinn
Beide schauen sich an und fallen sich spontan in die Arme. Der Besuch ist für heute nach rund 30 Minuten zu Ende. "Die Dankbarkeit und Wertschätzung, das macht ganz, ganz, ganz viel aus. Und es ist so schön, denn ich lerne immer tolle Leute kennen. Manchmal ärgere mich dann und frage mich, warum ich sie nicht schon eher kennengelernt habe. Aber zumindest habe ich sie dann kennengelernt", lächelt sie.
Mehr Ärzte für selbstbestimmteres Sterben
Sie und ihr Patient wünschen sich, dass viel mehr Ärzte die Weiterbildung zum Palliativarzt absolvieren und dann auch als solcher arbeiten. Damit jeder sterbende Mensch seinen letzten Weg in Würde und behütet zu Hause gehen kann.