Ungewollt schwanger: Betroffene kämpfen mit Hürden
In Schleswig-Holstein sehen sich ungewollt Schwangere mit erheblichen Hürden konfrontiert, wenn sie sich für einen Abbruch der Schwangerschaft entscheiden - von langen Wartezeiten bis hin zu Versorgungsengpässen in der medizinischen Betreuung.
Als Anna-Lena Waterböhr aus Kiel vor drei Jahren erfährt, dass sie schwanger ist, hat sie bereits drei Kinder. Für die alleinerziehende Mutter ist schnell klar: Sie will kein weiteres. Doch der Weg zu einem Schwangerschaftsabbruch erweist sich als kompliziert.
"Mein erster Schritt war, bei meiner Gynäkologin anzurufen, um mich zunächst zu informieren", erzählt Waterböhr. Doch der nächste freie Termin ist erst in sieben Wochen verfügbar - zu spät für sie. Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland nur innerhalb der ersten zwölf Wochen nach Empfängnis möglich. Durch den Hinweis einer Freundin findet sie schließlich eine Praxis, die den Eingriff durchführen kann. Doch bevor dieser erfolgen darf, muss sie zu einer gesetzlich vorgeschriebene Beratung.
Gesetzliche Vorgaben: Beratung und Bedenkzeit
Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland grundsätzlich illegal. Geregelt wird dies durch Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs. Nur unter bestimmten Bedingungen bleibt ein Abbruch straffrei. Eine der Voraussetzungen dafür ist eine verpflichtende Beratung, die ungewollt Schwangere aufsuchen müssen. Danach folgt eine Bedenkzeit von drei Tagen. Für Anna-Lena Waterböhr ist diese Bedenkzeit besonders belastend. "Ich habe unter starken Schwangerschaftssymptomen wie Übelkeit und Erbrechen gelitten", berichtet sie. "Ich wusste genau, was ich wollte, musste aber trotzdem diese drei Tage abwarten." Für sie ist der körperliche und psychische Stress in dieser Phase groß, zumal sie ihre drei Kinder versorgen muss.
Schwierige Suche nach Informationen für Betroffene
Neben den gesetzlichen Hürden erschwert auch die mangelnde Transparenz die Suche nach Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Viele Ärztinnen und Ärzte machen dies aus Angst vor Anfeindungen nicht öffentlich bekannt. Das erschwert es Betroffenen, wie Anna-Lena Waterböhr, rechtzeitig eine Praxis zu finden. "Die Informationen waren nicht zentral gebündelt, ich musste über private Kontakte und viel Recherche im Internet herausfinden, welche Ärzte Abbrüche durchführen", sagt Waterböhr.
Versorgungsengpässe: Viele Ärztinnen und Ärzte gehen in Rente
Die allgemeine Versorgungslage für ungewollt Schwangere in Schleswig-Holstein gilt laut ELSA-Studie als vergleichsweise gut. Dennoch sehen einige Verbände Optimierungsbedarf. Laut Magdalena Thams von Pro Familia in Ahrensburg sollten Schwangerschaftsabbrüche fester Bestandteil der medizinischen Ausbildung sein. Aktuell ist dies nicht der Fall, was auch dazu führe, das weniger Ärztinnen und Ärzte Abbrüche anbieten, so Thams.
In Schleswig-Holstein führen aktuell 77 Praxen und Kliniken (Stand 2023) Schwangerschaftsabbrüche durch. Aber nicht alle bieten das gesamte Spektrum von Verfahren an. Einige Betroffene müssen daher weite Strecken zurücklegen, um eine medikamentöse Abtreibung zu erhalten. Die Situation könnte sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Laut Doris Scharrel, Landesvorsitzende des Berufsverbands der Frauenärzte, wird in den kommenden fünf Jahren jede dritte Gynäkologin und jeder dritte Gynäkologe in Schleswig-Holstein aus dem Beruf ausscheiden.
E-Learning erleichtert Verschreibung medikamentöser Abbrüche
Um drohenden Versorgungslücken entgegenzuwirken, hat sich Scharrel dafür eingesetzt, dass mehr Ärztinnen und Ärzte medikamentöse Abbrüche anbieten können. Auf ihre Initiative hin ist es nun möglich, diesen Eingriff auch ohne die bisher benötigte Genehmigung für "Ambulantes Operieren" durchzuführen. Ärztinnen und Ärzte können sich durch ein E-Learning bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein qualifizieren. Dieser Vorstoß ist jedoch umstritten. Scharrel wurde vorgeworfen, sie würde für Schwangerschaftsabbrüche werben.
Politische Debatte um Paragraf 218
Paragraf 218, der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland unter Strafe stellt, ist seit Langem Gegenstand politischer Diskussionen. Im April 2023 empfiehlt eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission, den Paragrafen zu streichen. Eine Entscheidung steht allerdings noch aus. Doch selbst wenn der Paragraf gestrichen würde, bleibt offen, wie der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen künftig gesichert werden kann. Die Zahl der Praxen und Kliniken, die Abbrüche durchführen, hat sich laut Statistischem Bundesamt in den letzten zwanzig Jahren nahezu halbiert. Dies verschärft die Situation vor allem in ländlichen Regionen.
Für Anna-Lena Waterböhr war der Abbruch die richtige Entscheidung, auch wenn der Weg dorthin voller Hürden war. Indem sie ihre Geschichte teilt, möchte sie auf die bestehenden Probleme aufmerksam machen und der Stigmatisierung von Betroffenen, wie ihr, etwas entgegensetzen.