Tierheime in SH am Limit - kein reines Ferien-Problem
Die Tierheime in Flensburg und Neumünster können im Moment keine Tiere mehr aufnehmen, weil alle Plätze belegt sind. Der Landesverband des deutschen Tierschutzbundes spricht von einem Dauerproblem in Schleswig-Holstein.
In den Sommerferien zwei Wochen in den Urlaub fahren - aber wohin mit dem Familienhund? Was ist, wenn die Katze eine größere Operation braucht, sie aber zu teuer ist? Einige sehen dann nur eine Option: Das Haustier in ein Tierheim bringen. In Schleswig-Holstein platzen die meisten Tierheime aber mittlerweile aus allen Nähten - und das nicht erst seit Beginn der Sommerferien.
20 Tierheime in Schleswig-Holstein sind Mitglied im Landesverband des deutschen Tierschutzbundes. Dort warten nach eigenen Angaben zur Zeit schätzungsweise 380 Hunde und 1.600 Katzen auf ein neues Zuhause. "Komplett überfüllt" meldet das Tierheim Neumünster auf Nachfrage, einen Aufnahmestopp gibt es nicht nur dort, sondern auch in Flensburg.
Volle Tierheime wegen Online-Handel und gestiegener Tierarzt-Kosten
Grundsätzlich würden Haustierbesitzer den Aufwand, den ein Tier mit sich bringt, unterschätzen, erklärt Julia Steen, Leiterin im Tierheim Uhlenkroog Kiel. "Leute denken im Vorwege nicht darüber nach, was mit dem Tier passiert, wenn ich krank werde oder einfach die finanziellen Mittel nicht mehr habe." Insbesondere in den Ferien steigt die Zahl von abgegebenen Katzen und Hunden in den Tierheimen schon fast traditionell an - der Tierschutzbund sieht aber weitere Gründe, die volle Tierheime zu einem Dauerproblem machen:
- Online-Handel: Der Online-Handel mit Tieren boomt seit längerer Zeit. Und nicht selten verkaufen unseriöse Züchterinnen und Züchter kranke Welpen oder Katzenbabys. Wenn die dann zum Tierarzt müssen, wird es einigen Besitzern häufig zu teuer - und schon landen behandlungsbedürftige Katzen oder Hunde im Tierheim. Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) fordert schon länger, dass der Online-Handel eingedämmt wird und hat dazu einen Antrag in den Bundesrat eingebracht. Eine damit verbundene Änderung des Tierschutzgesetztes soll laut Ministerium im Dezember dieses Jahres verkündet werden.
- Gestiegene Kosten für Tiere: Ende 2022 ist eine neue Gebührenordnung für Tierärzte in Kraft getreten. Die Gebühren sind dadurch laut Tierschutzbund durchschnittlich um 30 Prozent gestiegen. Auch Futter ist teils teurer geworden, ebenso die Energiekosten.
- Nachwirkungen von Corona: Hobby-Züchter werden ihre Welpen nicht mehr so los wie zu Corona-Zeiten, berichtet die Sprecherin des Landesverbands des deutschen Tierschutzbunds, Ellen Kloth. Damals waren viele zuhause, konnten nicht verreisen und haben sich alternativ ein Haustier angeschafft.
Großes Problem: Fehlende Kastrationspflicht in SH
In vielen Tierheimen ist besonders die Zahl an herrenlosen Katzen hoch. In Neumünster ist mit 40 zum Beispiel das Maximum erreicht. Für Ellen Kloth vom Tierschutzbund SH ist das Problem klar: Im Tierschutzgesetz Schleswig-Holstein ist die Kastrationen von Katzen nicht verbindlich geregelt. Eine bundes-oder zumindest landesweite Pflicht für freilaufende Katzen würde die Population begrenzen und nicht so viele herrenlose Tiere in die Tierheime spülen.
Offenbar fühlt sich aber niemand verantwortlich: Der Bund hatte die Verantwortung 2013 im Tierschutzgesetz auf die Länder übertragen. Schleswig-Holstein wiederum hat die Auswahl der Gebiete an die Ämter und amtsfreien Gemeinden übertragen. Nur: So gibt es laut Tierschutzbund keine einheitlich Regelung. Einzelne Kommunen, wie zuletzt Itzehoe, haben eine Katzenschutzverordnung eingeführt. Die sieht vor, dass Freigänger kastriert, gechipt und registriert sein müssen. Kommen Katzenbesitzer dem nicht nach, kann das bis zu 5.000 Euro kosten. Auch in Mölln und Ratzeburg (Kreis Herzogtum Lauenburg) gibt es eine Katzenschutzverordnung.
Landesregierung gegen landesweite Katzenschutzverordnung
Itzehoes Tierschutzverein begrüßt die Entscheidung: Kastration sei der effektivste Weg, Katzenleid zu reduzieren. Es gebe dann weniger streunende Tiere mit Krankheiten, die sich unkontrolliert fortpflanzen. Auch Tierheime in Kiel, Flensburg und Neumünster unterstützen eine landesweite Kastrationspflicht, ebenso Tierschutzvereine wie PETA. Politisch ist das Thema aber umstritten: SPD und SSW im schleswig-holsteinischen Landtag fordern eine Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für Freigängerkatzen, die schwarz-grüne Landesregierung hatte das im vergangenen Jahr abgelehnt, weil sie eine bundesweite Katzenschutzverordnung favorisieren. Bei Bedarf könnten Gemeinden in Schleswig-Holstein aber bereits jetzt zielgerichtet Katzenschutzverordnungen beschließen, erklärt das Landwirtschaftsministerium.
Aus Sicht des tierschutzpolitischen Sprechers der Grünen, Dirk Koch-Rohwer wäre eine landesweite Pflicht "bürokratischer Unsinn" - und aus seiner Sicht auch unverhältnismäßig: "Die Situation in den Gemeinden vor Ort ist unterschiedlich und eine Überwachung einer landesweiten Regelung wäre sehr aufwändig." Dem widerspricht die tierschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sandra Redmann: "Die Tierheime sind überfüllt und die Situation der Tiere wird immer prekärer. Auch die Mitarbeitenden sind am Limit. Es ist höchste Zeit, dass politisch endlich gehandelt wird, um das Leid der Tiere zu beenden und die Situation in den Tierheimen zu verbessern."
Landwirtschaftsministerium weist auf Katzenkastrationsaktionen hin
Die Kosten für eine Kastration sind mit 190 Euro auch nicht gering, erklärt der Leiter des Tierheims Flensburg. Auch wenn es keine landesweite Kastrationspflicht gibt, finden im Land immer wieder Kastrationsaktionen statt. Darauf weist auch das Ministerium für Landwirtschaft, Ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz hin: "Nach der Frühjahrsaktion im Februar 2024 können auch im Oktober 2024 in Teilen Schleswig-Holsteins wieder freilebende Katzen, das heißt Tiere, die sich nicht in fester menschlicher Obhut befinden, über einen von der Tierärztekammer Schleswig-Holstein verwalteten Fonds kastriert werden." Im vergangenen Jahr wurden bei den Aktionen insgesamt 2.300 Katzen und Kater kastriert, so das Ministerium.
Eins ist aber auch klar, so das Landwirtschaftsministerium: "Wer sich ein Tier anschafft, übernimmt damit eine Verantwortung für die ganze Lebenszeit dieses Tieres."