Psychisch kranke Kinder - und wer hilft den Eltern?
Mit 15 Jahren bekam der Sohn von Susanne H. (Name von der Redaktion geändert) die Diagnosen Depressionen und Angststörung. Um besser mit der Situation umgehen zu können, suchte sie Hilfe. Doch die ist für Eltern mit psychisch kranken Kinder rar gesät.
Alles fing an, als Yannick H. das erste Mal eine Panikattacke in der Schule hatte. Von der erzählte er den Eltern noch, wie es danach weiterging, jedoch nicht. "Ich bekam einen Anruf von der Lehrerin, die sagte, dass mein Sohn öfter Panikattacken hätte und dass sie mir raten würde, dies näher untersuchen zu lassen". Ungewöhnlich schnell bekam sie für ihren Sohn einen Platz bei einer Therapeutin. "Nach ein paar Sitzungen erzählte diese mir dann, dass Yannick höchstgradig suizidal sei. Das war ein absoluter Schock für mich. Wir haben als Eltern nichts bemerkt."
Immer mehr Kinder und Jugendliche sind betroffen
Yanniks Selbstmordabsichten seien so stark gewesen, dass er als Akutfall in eine Klinik eingewiesen wurde. Mit seiner psychischen Krankheit ist Yannick jedoch nicht alleine: Laut der sogenannten "Copsy-Studie", für die das Hamburger Uni-Klinikum (UKE) seit der Corona-Pandemie einmal im Jahr 1.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren befragt, fühlt sich heute jedes dritte Kind psychisch belastet. Vor Corona war das noch bei jedem fünften Kind der Fall.
Kinder- und Jugendpsychologen können helfen
Wer unsicher ist, ob sein Kind Hilfe bräuchte, der sollte dessen Verhalten beobachten, erklärt Brigitte Göbel, Heilpraktikerin für Psychotherapie. Gibt es einen unerklärlichen Leistungsabfall in der Schule? Findet untypischer sozialer Rückzug statt? "Bei diesen möglichen Warnzeichen sollten Eltern das Gespräch mit dem Kind suchen", erklärt sie. Wenn dann professionelle Hilfe nötig ist, dann kommen Therapeuten zum Einsatz. Etwa ein Heilpraktiker für Psychotherapie oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Mit einer Verhaltenstherapie, einer Gesprächstherapie oder einem tiefenpsychologischen Verfahren kann dem Kind dann geholfen werden. Je nach Diagnose und Symptomen.
Die Wartezeiten bei Therapeuten sind oft lang
Brigitte Göbel unterstützt psychisch erkrankte Kindern, aber auch explizit die Eltern von psychisch kranken Kindern. "Viele Kliniken bieten während des Aufenthalts des Kindes zwar eine Familienberatung an; aber oft sind die Kliniken heillos überlastet und es stehen kaum Therapeuten zur Verfügung." Dabei sei eine Unterstützung der Eltern, auch nach eines Klinikaufenthaltes des Kindes, enorm wichtig. "Eltern müssen sich dann proaktiv um einen Therapeuten kümmern und sich auf die Suche machen." Genau wie bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gibt es aber auch für Erwachsene häufig lange Wartezeiten.
Selbstfürsorge ist auch für die Eltern wichtig
Susanne H. hatte Glück: Sie fand bei Brigitte Göbel einen Anker. "Wir wussten nicht, wie wir mit Yannick im Alltag umgehen sollten. Was falsch sein könnte und was förderlich. Weil auch immer die Angst mitschwingt, dass er sich etwas antut." Sie habe gelernt, dass sie als Eltern nicht dafür verantwortlich seien, dass das Kind eine Depression hat. Dass auch viele andere Faktoren dabei eine Rolle spielen. "Das mindert die Schuldgefühle." Selbstfürsorge habe sie bei der Therapeutin auch gelernt. Und das "für sich Einstehen". Denn nur so könne auch das Kind dies lernen und sich abschauen.
Die Angst bleibt
Susanne H. fühlt sich jetzt stabilisierter. Stärker für sich und ihren Sohn. Und: zuversichtlicher. Doch die Sorge, sagt sie, die fährt trotzdem immer wieder mit. "Mein Sohn meinte neulich, dass seine Suizidgedanken noch fast täglich da seien. Das macht mir Angst. Nicht zu wissen, ob der Sohn noch lebt, wenn man von der Arbeit kommt, ist schrecklich." Aber sie lerne nun, damit anders umzugehen und das gelernte Handwerkszeug im Alltag umzusetzen.
Wer selbst betroffen ist, der findet im Internet erste Hilfe. Unter 116117.de können Betroffene Psychotherapeuten in ihrer Umgebung suchen. Zudem bietetet der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen unter anderem mit dem kostenlosen "Seelofon" Hilfe und hat ein Angebot an Selbsthilfegruppen.