Freispruch für Corona-Kritiker und umstrittenen Arzt Bhakdi
Vor dem Amtsgericht Plön hat am Dienstag einer der bekanntesten Gegner der Corona-Maßnahmen vor Gericht einen Freispruch erwirkt. Der Mikrobiologe Sucharit Bhakdi wurde beschuldigt, den Holocaust verharmlost zu haben.
Die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein hatte dem Mediziner, Mikrobiologen und Autoren Volksverhetzung in zwei Fällen vorgeworfen. Vor dem Amtsgericht Plön wurde Bhakdi, einer der bekanntesten Impfgegner, aber freigesprochen.
Am späten Nachmittag, neun Stunden nach Beginn der Verhandlung, fiel das Urteil: Der Vorsitzende Richter sah die Tatvorwürfe als nicht hinreichend begründet an. Die Staatsanwaltschaft hat nun eine Woche Zeit, Antrag auf Revision zu stellen.
Verteidigung forderte Freispruch - und bekam Recht
Die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft forderte eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 90 Euro, also etwas mehr als 16.000 Euro. Die Verteidigung Bhakdis bezeichnete die Klage als böswillig und plädierte für einen Freispruch ihres Mandanten. Sie begründete die Forderung damit, dass die Generalstaatsanwaltschaft die Vorwürfe nur behauptet, aber nicht bewiesen habe. Zudem habe die zuständige Staatsanwaltschaft das ursprüngliche Verfahren nach gründlicher Prüfung eingestellt, so die Verteidigung weiter.
Vorwurf: Antisemitismus und Holocaust-Verharmlosung
Bhakdi wurde vorgeworfen, im April 2021 in einem im Internet veröffentlichten Interview zum Hass gegen in Deutschland lebende Jüdinnen und Juden aufgestachelt zu haben. Das soll im Zusammenhang mit kritischen Äußerungen über die Impfpolitik Israels geschehen sein. Laut dem Richter sei nicht auszuschließen, dass Bhakdi nur die Regierung und ihre politischen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Politik gemeint habe.
Außerdem hatte Bhakdi laut Anklage bei einer Rede im September 2021 in Kiel die Zulassung von Covid-Impfstoffen in Verbindung mit einem "Endziel" gebracht und von einem zweiten Holocaust gesprochen. Die Generalstaatsanwaltschaft sah dadurch das Schicksal von Jüdinnen und Juden unter der NS-Herrschaft verharmlost. Auch in diesem Punkt wurde Bhakdi freigesprochen: Der Vergleich zwischen dem Holocaust und einer Impfpflicht sei nicht akzeptabel, aber nicht jeder Vergleich sei Volksverhetzung, heißt es in der Begründung des Urteils.
Prozess wurde bereits kurz nach Start unterbrochen
Bereits kurz nach Beginn wurde der Prozess unterbrochen: Der Anwalt des Angeklagten beantragte, dass die Anklage nicht verlesen werden sollte. Seiner Ansicht nach wurde unzureichend ermittelt und die Beweismittel nicht ausreichend geprüft. Die zuständige Staatsanwaltschaft widersprach den Vorwürfen. Das Gericht unterbrach den Prozess nach dem Antrag der Verteidigung zur Beratung - anschließend wurde die Anklage aber verlesen.
Anhänger demonstrierten vor Gerichtsgebäude
Vor Prozessbeginn hatten sich rund 300 Anhänger Bhakdis mit Transparenten vor dem Gerichtsgebäude versammelt. Sie applaudierten dem Angeklagten und forderten seinen Freispruch. Zu Zwischenfällen kam es nicht. Die Polizei war angesichts befürchteter Proteste mit etwa 50 Beamtinnen und Beamten vor Ort. Auch die Justiz verstärkte ihr Personal.
Gericht: Bhakdi war nicht wegen Corona-Kritik angeklagt
Gerichtssprecher Markus Richter betonte, dass Bhakdi nicht deshalb angeklagt sei, weil er sich gegen Corona-Impfungen ausgesprochen hat. Das wurde zuvor vor allem in sozialen Netzwerken verbreitet. "Sich kritisch zur Covid 19-Politik oder auch sonst zur Politik der Regierung zu äußern, ist nicht strafbar und insbesondere nicht als Volksverhetzung strafbar", erklärte Richter. Wenn in diesem Zusammenhang aber einzelne Gruppen herabgewürdigt würden, könne das durchaus strafbar sein. "Oder wenn, wie es hier ebenfalls passiert sein soll, die Taten, die während des Dritten Reichs an den Juden verübt wurden, heruntergespielt werden", sagte der Gerichtssprecher vor dem Termin.
Generalstaatsanwaltschaft erhob Anklage
Nachdem die Staatsanwaltschaft Kiel es abgelehnt hatte, Bhakdi wegen Volksverhetzung anzuklagen, zog die Generalstaatsanwaltschaft den Fall an sich und kam zu einem anderen Schluss. Die Zulassung der Anklage und die Eröffnung der Hauptverhandlung durch das Amtsgericht Plön zeigt, dass man dort ebenfalls von einem hinreichenden Tatverdacht ausging.
Zentralrat der Juden in Deutschland kritisiert Freispruch
Der Zentralrat der Juden in Deutschland reagierte am Mittwoch äußerst kritisch auf das Urteil. Präsident Josef Schuster nannte das Urteil am Mittwoch empörend. "Das Gericht legitimiert hier reinen Antisemitismus", meinte er. Mit der Auslegung des Begriffes "Volk der Juden" als vermeintliche Kritik an der israelischen Regierung folge das Gericht dem Narrativ, das jeden Juden überall für die Aktivitäten des Staates Israel verantwortlich mache. Diese Haltung von einem deutschen Gericht als Argumentationsgrundlage zu hören, "ist nichts weniger als skandalös", beklagte Schuster. Auch kritisierte er, dass das Gericht zwar die Verharmlosung des Holocausts durch Bhakdi zweifelsfrei gesehen habe - aber Meinungsfreiheit bei einer Wahlkampfrede höhergestellt habe. "Zum wiederholten Mal sehe ich mich gezwungen darauf hinzuweisen, dass Antisemitismus keine Meinung ist", so Schuster.
Bhakdi als Gallionsfigur der "Querdenker"-Bewegung
Bhakdis Buch "Corona Fehlalarm?" war eines der meistverkauften Sachbücher des Jahres 2020. Doch viele seiner Thesen zur Corona-Pandemie wurden von Universitäten und Wissenschaftlern als irreführend oder falsch eingeordnet.
Das rheinland-pfälzische Wissenschaftsministerium prüft, dem Mediziner die Führung seines Professoren-Titels zu untersagen. Bhakdi war Professor für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene in Mainz. Das Verfahren sollte laut eines Sprechers bis zum Ergebnis des Strafverfahrens ruhen.