Orkan Christian: Als Wälder umknickten und Dächer flogen
Der Sturm Ende Oktober 2013 verursachte massive Schäden. Es gab drei Tote in SH. Gebäude wurden demoliert. Die gute Nachricht: Die Wiederaufforstung war erfolgreich.
Die Kameraden in der Niebüller Feuerwache trauten in der Abenddämmerung des 28.10.2013 ihren Augen nicht. Das Dach der großen Betriebshalle vom TÜV Nord auf der anderen Straßenseite hob sich in den Böen merklich an und senkte sich wieder. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die Kommunikation mit der Leitstelle ausgefallen. Dennoch rotierten die Einsatzwagen. In der Feuerwache herrschte Betrieb wie in einem Drive-In: Die Kollegen reichten aus dem Fenster kleine Notizzettel, wo der nächste Baum umgestürzt war oder Trampoline auf der Straße lagen. Am Abend fiel der Strom aus. Teile Nordfrieslands lagen im Dunkeln, während Holz und Sägespäne kilometerlang die Straßen säumten.
Uni-Dach stürzte auf den Parkplatz
Am nächsten Morgen offenbarte sich das gesamte Ausmaß, das der Orkan angerichtet hatte. An der Flensburger Universität war das Dach des Neubaus auf den Parkplatz gestürzt und hatte mehrere Autos unter sich begraben. Die Studierenden und Mitarbeiter waren glücklicherweise im Gebäude geblieben. "Die sind alle runtergestürmt. Es haben ein paar Mädchen geweint," berichtete damals eine Augenzeugin. Am Flensburger Stadtrand flog ein komplettes Bürodach von 15 mal 30 Metern aus Holz und Metall über die Eckernförder Landstraße hinweg.
Eingestürzte Häuser im Sönke-Nissen-Koog
Die Flensburger Wohnungsbaugenossenschaft SBV registrierte an 200 ihrer 1500 Häuser Schäden. Ein Bild der Zerstörung bot sich am Sönke-Nissen-Koog (Kreis Nordfriesland). Hier wurden fast sämtliche Gebäude demoliert, die weitgehend unter Denkmalschutz stehen. Auf Helgoland und am Ausgang der Flensburger Förde waren Windgeschwindigkeiten von mehr als 190 km/h gemessen worden. In Flensburg, Heiligenhafen und Nordfriesland kamen drei Menschen durch herabstürzende Äste, eine umgefallene Mauer und beim Autofahren ums Leben. Der Bahnverkehr fiel mehrere Tage lang komplett aus. Wochenlang waren die Wälder im Landesteil Schleswig gesperrt.
Windhose quer durch den Norden
Auf 1100 Hektar war der Wald allein in den Landesforsten großflächig abgeknickt, berichtet Abteilungsleiter Jens-Birger Bosse. Eine Windhose von Drelsdorf (Kreis Nordfriesland) bis Handewitt (Kreis Schleswig-Flensburg) hatte selbst stabilen Anpflanzungen keine Chance gelassen. Hinzu kamen etliche Einzelbäume, die mit riesigen Ballen aus der durchweichten Erde brachen. Das Zwei- bis Dreifache des jährlichen Einschlags fiel an Holz an - durch Christian und den im Dezember 2013 folgenden Orkan Xaver. Beim Aufräumen herrschte Zeitdruck, um eine Borkenkäferplage zu verhindern.
Wälder wachsen nach
Drei Jahre lang dauerte die Wiederaufforstung. Dabei setzten die Förster auf klimastabile Mischwälder mit Lärchen, Kiefern, Tannen, Buchen, Eichen und Douglasien. Der Anteil von Mischwald erhöhte sich in Schleswig-Holstein von 80 auf 90 Prozent. Etwa ein Drittel wurde direkt gepflanzt. Ansonsten ließen die Landesforsten den Wald weitgehend wachsen. Nur die Fichten wurden zum Teil wieder entfernt, da sie weniger resistent seien, sagt Bosse. Zum Schutz gegen Wildverbiss wurden außerdem 200 Kilometer an Zäunen errichtet.
Das Konzept ging auf: Die wieder aufgeforsteten Flächen erwiesen sich auch in den kritischen Trockenphasen ab 2018 als robust. Jetzt sind die jungen Bäume schon zwei bis fünf Meter hoch gewachsen.