ÖPNV auf dem Land: Immer wieder leere Busse unterwegs
Seit dem 1. Januar 2021 bietet der Kreis Rendsburg-Eckernförde ein regionales Busnetz an: zusätzliche Linien, mehr Busse, dichtere Taktung. Trotzdem werden einige der Verbindungen kaum genutzt.
Es klingt alles so toll: Mit "45 Prozent mehr Bus" wirbt der Kreis Rendsburg-Eckernförde für das neue Liniennetz: Von frühmorgens bis spätabends von Eckernförde bis Hohenweststedt, von Fockbek bis Kronshagen, 140 Fahrzeuge so getaktet, dass die Menschen im Kreis oft ohne Wartezeiten von Linie zu Linie umsteigen können sollen. Aber ab August werden nun einige Verbindungen wieder gestrichen - weil die Busse hier fast leer durch die Gegend fahren.
Nachmittags oft leere Busse in Bordesholm
Besonders in Bordesholm regt sich Unmut über die großen, leeren Busse. Vor allem nachmittags, wenn der Schülerverkehr durch ist, würde kaum jemand nach Hanerau-Hademarschen, Krogaspe oder Flintbek fahren, berichten mehrere Passanten. Aber weil der Fahrplan eingehalten werden muss, fahren die Busse natürlich trotzdem. Egal, wie viele Leute darin sitzen. Ronald Büssow (SPD), Bürgermeister von Bordesholm, ärgert sich darüber: "Wir machen zum Beispiel beim Stadtradeln mit, kämpfen um jede Tonne CO2-Einsparung und müssen das dann parallel sehen. Das ist absurd."
Trotzdem ist es ihm wichtig zu betonen, dass er die Idee grundsätzlich gut findet: "Ich bin ein großer Fürsprecher, die ländlichen Gemeinden besser anzubinden, keine Frage. Auf der anderen Seite bin ich aber auch Realist. Und wenn ich merke, dass die Linien nicht funktionieren, dann sollte so ein System auch in der Lage sein, was zu verändern."
Fahrrad, Zug und Auto sind attraktiver als die Busse
Aber wenn das Angebot so gut ist, warum nutzen es dann so wenige? Passanten in Bordesholm sagen, sie fahren lieber mit dem Fahrrad. Oder es gebe keine passende Verbindung zum Feierabend. Zudem ist Bordesholm gut an das Schienennetz angebunden, da ist der Zug zumindest nach Kiel und Neumünster die schnellere Alternative.
Bürgermeister Büssow hat zudem beobachtet, dass das Auto für viele doch noch die erste Wahl sei: "Wenn ich von Alt-Bordesholm zu einem Supermarkt fahren möchte, dann ist das mit dem Auto wesentlich einfacher, mobiler und punktgenauer. Da würde ich mich nicht in den Bus setzen."
Busnetz ist einmalig, aber hat regionale Grenzen
Damit spricht er aus Sicht des Fahrgastverbandes Pro Bahn einen entscheidenden Punkt an: "Wenn Sie überall kostenfrei parken können, es Hunderte freie Parkplätze gibt, dann erübrigt sich nun mal für viele die Frage nach dem Busverkehr", sagt Karl-Peter Naumann. Der Landessprecher des Verbandes beobachtet das Projekt seit Jahren. Auch er möchte festhalten, dass es in keinem anderen Kreis ein annähernd vergleichbares Angebot gibt. "Ein Busnetz in der Größe ist in Schleswig-Holstein einmalig."
Allerdings könne es eben auch nur auf dieser Ebene innerhalb des Kreises klappen - nicht darüber hinaus: "Die optimale Verknüpfung mit dem System Eisenbahn kann nicht funktionieren. Das sind unterschiedliche Zuständigkeiten. Das eine macht das Land, das andere macht der Kreis", so Naumann. "Und wenn der Übergang nicht vernünftig ist, dann bringt es für viele Leute nichts, den Bus zu nutzen, wenn man dann 20, 30 Minuten irgendwo am Bahnhof steht."
Kreisverwaltung schärft nach und stellt Verbindungen ein
Die Kreisverwaltung in Rendsburg ist sich all dessen bewusst. Die Fahrgastzahlen würden dauerhaft evaluiert werden, das Projekt werde von Verkehrswissenschaftlern begleitet, sagt Thomas Voerste aus der Verwaltung. Als gescheitert würde er das regionale Busnetz auf keinen Fall bezeichnen: "Wir sind stolz und sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie wir diese Taktung gestalten und die Fahrplankilometer ausweiten konnten. Dennoch sehen wir natürlich, dass es einige Routen gibt, die wirklich unwirtschaftlich sind in den Tagesrandzeiten."
40 Fahrten werden gestrichen
Deshalb werden ab August nun 40 Fahrten rund um Bordesholm abends und am Wochenende aus dem Fahrplan gestrichen. Eine Maßnahme, die sogar Pro Bahn begrüßt. Allerdings nur als ersten Schritt, um hier nicht unnötig Geld auszugeben und um die Umwelt zu schonen, wie Karl-Peter Naumann betont. Er glaubt, dass der ÖPNV auf dem Land in Zukunft mit On-Demand-Busverkehr funktionieren könnte.
Kleine Busse fahren losgelöst von Fahrplänen
Die kleinen Busse fahren nur auf Abruf, unabhängig von Fahrplänen und festen Bushaltestellen. Meist kann man auch 30 Minuten vorher noch einen Bus bestellen, seine gewünschte Ankunftszeit angeben und wird dann abgeholt, zum Nahverkehrspreis. In Schleswig-Holstein gibt es so ein System seit Mitte April unter dem Namen "Lüttbus" im Kreis Nordfriesland, in Neumünster setzt man am Wochenende komplett auf solche Shuttles. Auch in Rendsburg wird schon ein On-Demand-System getestet: Abends an den Wochenenden kann man dort mit "remo" fahren.
Zudem plant die Verwaltung ein gemeinsames Projekt mit dem Kreis Schleswig-Flensburg. "Dort kann man anhand einer App sowohl einen On-Demand-ÖPNV nutzen als auch eine Vernetzung zu Mietfahrrädern und Mietwagen hinbekommen, sodass wir hoffen, dass wir mit diesem Projekt auch zukunftsweisende Erkenntnisse für den ländlichen Raum bekommen werden", kündigt Thomas Voerste an.
In Zukunft Kombination denkbar
Für den Kreis Rendsburg-Eckernförde wäre der On-Demand-Verkehr dann in Kombination zum bestehenden Liniennetz denkbar: So bleiben die Linien abgedeckt, die gut laufen. Zudem können Schülerinnen und Schüler weiter die großen Busse nutzen. Und auf weniger genutzten Linien könnten die kleinen Abruf-Busse fahren. Damit wäre auch Bordesholms Bürgermeister Ronald Büssow sehr zufrieden - damit künftig durch seine Gemeinde nicht mehr so viele große, leere Busse fahren.