Notaufnahmen in SH sind überlaufen: "Lage ist ernst"
Vor den Notaufnahmen in Schleswig-Holstein stehen die Krankenwagen neuerdings teilweise Schlange. Kliniken melden immer häufiger einzelne Abteilungen ab. Ein Krisenstab soll Lösungen erarbeiten. Das Land wirbt für ambulante Anlaufstellen.
"Die Lage in den Krankenhäusern, insbesondere in den Notaufnahmen ist ernst" sagt Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU). Im Sozialausschuss berichtete sie gestern, dass die Lage insbesondere zu Beginn der Herbstferien akut gewesen sei - aber nach wie vor ernst bleibe. "Grundsätzlich stellen wir eine Überlastungs- und Übermüdungssituation des ärztlichen und pflegerischen Personals fest", so von der Decken.
Fachkräftemangel, Personalausfälle, der zusätzliche Personenaufwand durch Corona-Isolierungen, aber auch die Ferienzeit seien die Gründe dafür, dass es vermehrt zu Abmeldungen einzelner Fachbereiche in den Krankenhäusern komme. "Aber auch die zentralen Notaufnahmen sind von diesen Abmeldungen zum Teil betroffen", so von der Decken. Grundsätzlich sei die Notfallversorgung im Land aber sichergestellt.
Auf die Tagesordnung gesetzt hatte das Thema die SPD-Gesundheitspolitikerin Birte Pauls. Sie hatte beim Besuch einer Lübecker Klinik gesehen, dass sich die Krankenwagen mitsamt Patienten vor dem Eingang stauten: "Die konnten dort nicht aufgenommen werden, weil dort alle Plätze belegt waren", sagte Pauls im Sozialausschuss. Hätte es zur gleichen Zeiten einen größeren Unfall gegeben, wären vier Krankenwagen nicht einsatzfähig gewesen, so ihre Befürchtung. Die Gesundheitsministerin bestätigt diese Beobachtung: "Die Wagen müssen zum Teil lange Wartezeiten vor den Notaufnahmen in Kauf nehmen. Und während dieser Zeit steht dieses Rettungsfahrzeug natürlich nicht für weitere Einsätze zur Verfügung", so Kerstin von der Decken.
Arbeitsgruppe soll Lösungen finden
Das Gesundheitsministerium hat deshalb eine "TaskForce Notfallversorgung" eingerichtet. So steht es in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Pauls. Die TaskForce "tagt aktuell wöchentlich und erarbeitet gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung der Krankenhausgesellschaft, der Koordinierungsstelle Rettungsdienst, Notärztinnen und Notärzten, Vertreterinnen und Vertretern aus dem Gesundheitsministerium und Geschäftsführungen aus Krankenhäusern kurzfristige, mittelfristige und langfristige Lösungen."
Zu diesen Lösungen gehört zunächst der erneute Appell an die Patienten, nur in die Notaufnahme zu kommen oder den Rettungswagen zu rufen, wenn es wirklich nötig ist. Denn "wir stellen fest, dass häufig Menschen in die Notfallaufnahme kommen, die gar keine Notfälle sind", sagt Gesundheitsministerin von der Decken. Mehrfach hatten Ministerium, Krankenhäuser und Kassenärzte in den vergangenen Wochen gemeinsam appelliert, dass Patienten wirklich nur bei lebensbedrohlichen Notfällen in die Notaufnahme kommen sollten.
Außerdem wollen die Akteure gemeinsam stärker dafür werben, dass Menschen anstelle der 112 die 116117 anrufen - also die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes. Angedacht ist auch, die Sprechzeiten in Anlaufpraxen auszuweiten - bisher decken sie nur die Zeiten ab, in denen Arztpraxen geschlossen sind. Außerdem will die TaskForce Konzepte erarbeiten, "wie die einzelnen Krankenhäuser die Notaufnahme hausintern entlasten können."
Steuerung von Patienten verbessern
Ein grundsätzliches Problem ist aus Sicht des Gesundheitsministeriums aber auch die Steuerung von Patientenströmen. Helfen soll dabei der sogenannte Behandlungskapazitätennachweis, der entsprechende Meldungen der Krankenhäuser abbildet. Er soll voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres in den landesweiten Testbetrieb starten. "Ziel ist es, Patienten und Patientinnen durch den Rettungsdienst in das nächstliegende, geeignete Krankenhaus zu transportieren. Hierfür müssen die Krankenhäuser ihre zur Verfügung stehenden Kapazitäten im Rahmen eines Ampelmodells über eine internetbasierte Schnittstelle bereitstellen."
Das Gesundheitsministerium bekommt Zugriff auf dieses System und kann als Rechtsaufsicht eingreifen: "Sollten Auffälligkeiten in den Abmeldungen bestehen, ist die erste Konsequenz das Abfordern von Konzepten, die darstellen, wie das betreffende Haus seine Notaufnahme durch beispielsweise Abverlegungen in die Peripherie entlastet", heißt es in der Antwort auf die Anfrage der Abgeordneten Pauls.
Bislang ist nämlich unklar, welche Krankenhäuser in Schleswig-Holstein sich an wie vielen Tagen - und mit welcher Begründung - von der Notfallversorgung abgemeldet haben: "Darüber liegen der Krankenhausplanungsbehörde zum jetzigen Zeitpunkt keine Daten vor." Birte Pauls findet das "bedenklich." Die Lage - sagt auch sie - sei ernst.