Northvolt: Warum jetzt alles an zwei Gemeinden hängt
Northvolt hat sich final für den Standort in Dithmarschen entschieden - doch die beiden betroffenen Gemeinden müssen noch zustimmen. Wir geben einen Überblick, um was es geht und wie die Stimmung vor Ort ist.
Am Mittwoch hat das schwedische Unternehmen Northvolt die lange erwartete finale Investitionsentscheidung für den Bau einer 4,5 Milliarden Euro teuren Batteriefabrik bei Heide bekannt gegeben. Bevor es mit dem Bau losgehen kann, müssen aber noch die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker in den beiden Dörfern, auf deren Gebiet die Gigafactory entstehen soll, zustimmen.
Lohe-Rickelshof: Von der Schafweide zur Gigafactory
Ein Teil der insgesamt 110 Hektar großen Fläche, auf der die Batteriefabrik gebaut werden soll, liegt in der Gemeinde Lohe-Rickelshof. Sie liegt unmittelbar an der Grenze zur Kreisstadt Heide. Viele bezeichnen die eigenständige Gemeinde daher auch als Vorort von Heide. 2.100 Bürgerinnen und Bürger wohnen dort, zwei Neubaugebiete sind in den vergangenen Jahren erschlossen worden. Viele junge Familien sind nach Lohe-Rickelshof gezogen, sie schätzen die gute Infrastruktur mit Kindergarten, Grundschule, Sportplatz, Sportverein und Kirche. Die Gemeinde hat ein "Dörpshus" mit Saal, Kegelbahn und Gaststube, es gibt zudem einen Bäcker mit Postfilliale. Die geplante Fläche für die Batteriefabrik liegt etwas abseits des Dorfes - und zwar direkt an der B203 von Heide nach Büsum. Dort wo bislang Schafe gegrast haben, soll die Gigafactory entstehen. Die 13 ehrenamtlichen Gemeindevertreter haben sich seit dem Bekanntwerden der Northvolt-Pläne in unzähligen Sitzungen mit dem Thema beschäftigt.
Gemeinde sieht Vorteile und Verantwortung für die Region
Alle vier Fraktionen der Gemeindevertretung sind für den Bau der Batteriefabrik, so Bürgermeister Kai Tange (SPD). "Die Batteriefabrik wird unseren Ort verändern, das ist klar. Verkehr und Wohnraum sind nur zwei Themen. Da erwarten wir finanzielle Unterstützung des Landes, damit wir hier die Infrastruktur anpassen können, und da sind wir ja auch in Gesprächen mit dem Land." In Lohe-Rickelshof habe es in den vergangenen zwei Jahren so gut wie keine Stimmen dagegen gegeben, so der Rechtsanwalt und ehrenamtliche Bürgermeister weiter. Die Gemeindevertretung Lohe-Rickelshof sehe vor allem die Vorteile und auch die Verantwortung für die gesamte Region. Die am Mittwoch bekannt gemachte finale Investitionsentscheidung von Northvolt sieht Tange positiv. "Diese Entscheidung passt ja zum aktuellen Geschehen auf der Baustelle und den dort bereits laufenden Erdarbeiten." Der Bürgermeister von Lohe-Rickelshof geht von einer großen Mehrheit in seiner Gemeinde für den Bebauungsplan von Northvolt aus. Denn es habe ja auch früher schon Abstimmungen in Sachen Northvolt im Ort gegeben und die seien alle einstimmig oder mehrheitlich durchgegangen. Die öffentliche Sitzung der Gemeindevertretung findet am Donnerstag um 19 Uhr im Dörpshus Lohe-Rickelshof statt. (Hinweis aus der Redaktion mit Blick auf den Stand dieses Artikels: Lohe-Rickelshof hat Northvolt inzwischen grünes Licht gegeben)
Norderwöhrden: Kleiner Ort, viel Landwirtschaft
Der andere Teil der Fläche der geplanten Batteriefabrik liegt in Norderwöhrden. Die Gemeinde ist deutlich kleiner als Lohe-Rickelshof. Es gibt gerade mal 260 Einwohner und ein großer Teil der Gemeindefläche liegt entweder an der B203 oder an der B5 Richtung Husum. Der Ort ist überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Zum typischen Landschaftsbild gehören zahlreiche Windkraftanlagen. In der Gemeindevertretung sitzen neun ehrenamtliche Kommunalpolitiker. Sie alle gehören zur Freien Wählergemeinschaft Norderwöhrden (FWN). Zwei Gemeindevertreter sind befangen - die genauen Gründe dafür sind nicht offiziell bekannt. Von den sieben verbliebenen Gemeindevertretern waren bei einer früheren Abstimmung vier für den B-Plan-Entwurf und drei dagegen.
Gemeindevertretung bislang gespalten
Die Gegner der Northvolt-Ansiedlung und damit auch des B-Plan-Entwurfs standen für ein richtiges Interview nicht zur Verfügung. Sie sagten aber in einem Telefonat, sie seien skeptisch, dass der Ausbau der Infrastruktur für die Batteriefabrik rechtzeitig gelingen werde - zum Beispiel bei den Kita-Plätzen und bei der ärztlichen Versorgung. Zudem sehen sie einen großen Einschnitt in die Landwirtschaft vor Ort. Wenn Bauern nun neue Flächen kaufen wollten, müssten sie viermal mehr zahlen als vor der geplanten Ansiedlung von Northvolt, so ein Gemeindevertreter aus Norderwöhrden. Und sie kritisieren, dass die Bundesregierung den Landwirten Subventionen wegkürze und stattdessen Gelder in ein Unternehmen steckt, das gerade einmal vier Jahre alt ist. Dafür hätten sie kein Verständnis.
Bürgermeister glaubt an Zustimmung
Für Norderwöhrdens Bürgermeister Kay-Uwe Evers (FWN) hat sich aber an seiner positiven Grundstimmung pro Northvolt nichts geändert. Selbst wenn Norderwöhrden direkt nichts von der Ansiedlung hätte, sehe er doch die großen Vorteile und die Chancen für die gesamte Region, so der Landwirt und ehrenamtliche Bürgermeister. Nach der nun bekanntgegebenen Invesitionsentscheidung von Northvolt sagte Evers: "Die Tatsache, dass Northvolt einen Durchführungsvertrag mit den Gemeinden unterschrieben hat, macht nun den Weg frei für die Abstimmungen in den beiden Gemeinden." Er sei zuversichtlich, so Evers weiter, dass er den Durchführungsvertrag mit Northvolt nach entsprechender Beschlussfassung in seiner Gemeindevertretung unterzeichnen werde. Die entscheidende Sitzung in Norderwöhrden findet am Montag statt.
Gültiger B-Plan wichtige Grundvorraussetzung
Der Grund, warum nun die beiden Standortgemeinden das letzte Wort haben, liegt im Baurecht. Erst wenn Baurecht für eine bestimmte Fläche besteht, darf dort überhaupt gebaut werden. Das ist eine bundesweite, gesetzlich vorgeschriebene Vorgabe. Diesen Bebauungsplan muss in Deutschland immer die Kommune genehmigen, auf deren Fläche ein Bauprojekt entstehen soll. Und das bedeutet - im Falle der Dörfer Norderwöhrden und Lohe-Rickelshof, dass die ehrenamtlichen Gemeindevertretungen den jeweiligen Satzungsbeschluss zum B-Plan treffen müssen. Bei dem 4,5 Milliarden-Projekt Batteriefabrik geht es eben konkret darum, dass auf einer bislang lediglich landwirtschaftlich genutzten Fläche eine industrielle Nutzung möglich wird. Gutachten zu Verkehr, Lärm, Umwelt etc. mussten erstellt werden, es gab eine öffentliche Auslegung der B-Pläne und eine Beteiligung der Träger öffentlicher Belange, also von Verbänden und Anwohnern. Die nun anstehenden Satzungsbeschlüsse zu den B-Plänen sind also der Abschluss des gesetzlich vorgeschriebenen Bauleitplanverfahrens. Wenn die beiden Gemeindevertretungen die B-Pläne beschließen, und die zuständigen Behörden das genehmigen, besteht Baurecht - und die Batteriefabrik kann gebaut werden.