Nationalpark-Streit trübt die schwarz-grüne Stimmung in SH
Das müssen die Grünen erst einmal verdauen: Die Landes-CDU rückt vom Ziel eines möglichen Nationalparks Ostsee ab. Trotzdem setzen beide Parteien weiter auf den Beteiligungsprozess.
Eigentlich wollte die Grünen-Landesspitze nur einen Ausblick auf den bevorstehenden Parteitag geben. Aber Anke Erdmann und Gazi Freitag war bewusst, dass sich beim Pressetermin am Donnerstag stattdessen alles um den Nationalpark Ostsee drehen würde. Ihre klare Botschaft: Die Grünen halten am mit der CDU vereinbarten Konsultationsprozess zum Nationalpark fest - auch wenn Parteichefin Erdmann sich fragt, wie der noch ergebnisoffen sein kann, wenn CDU-Chef und Ministerpräsident Günther gegen den Nationalpark ist. "Das bleibt ein Geheimnis der Union", sagt sie.
CDU will stärker auf freiwillige Vereinbarungen setzen
Die CDU will auf ihrem Landesparteitag am 5. Oktober einen Antrag beschließen, der sechs Punkte zum Ostseeschutz auflistet. Darunter ein freiwilliges Aktionsbündnis und die Räumung der Munitionsaltlasten. Der Konsultationsprozess zum Nationalpark soll laut Antrag aber weitergehen. Sprich: Das Land spricht weiter mit allen Beteiligten und Betroffenen, sammelt Argumente und wertet sie aus. So ist es im Koalitionsvertrag verankert.
Nach dem Streit um die Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten - bei dem sich die CDU durchsetzte - gibt es nun also weiteren Konflikt in der Koalition. Erdmann räumt ein, dass der CDU-Antrag ein "ziemlicher Brocken" für die Grünen sei. "Vertrauensbildend" sei das sicherlich nicht gewesen.
Grüne nennen CDU-Maßnahmen "dürftig"
Sie betont aber, dass es entscheidend sei, was am Ende an Schutzmaßnahmen für die Ostsee herauskomme. Nach dem Konsultationsprozess werde das Umweltministerium die Ergebnisse auswerten und einen Vorschlag machen. Über den werde man dann in der Koalition diskutieren. Die im Antrag der CDU vorgeschlagenen Maßnahmen nennt Erdmann "dürftig." Darüber werde man mit dem Koalitionspartner noch einmal "ernsthaft ins Gespräch gehen."
Weniger diplomatisch äußert sich die Grüne Jugend: Sie wirft Daniel Günther "Wortbruch" vor. Landessprecherin Johanna Schierloh: "Während die Grünen gerade zuletzt auch schmerzhafte Kompromisse mitgetragen haben, hat sich die CDU nun scheinbar dazu entschieden, sich konsequent über den Koalitionsvertrag hinwegzusetzen", so Schierloh.
Regierungschef Günther sieht dennoch Einigkeit
Nach Zögern äußerte sich am Donnerstagabend auch Ministerpräsident Daniel Günther. Man werde in der Landesregierung den Konsultationsprozess wie vereinbart fortsetzen. Danach werde entschieden, welche Maßnahmen umgesetzt werden. Es sei klar, dass CDU und Grüne einen besseren Ostseeschutz wollen. "Es gibt andere Maßnahmen, die besser geeignet seien, das Ziel, die Ostsee zu schützen, zu erreichen", sagte Günther mit Blick auf die bisherigen Gespräche über einen Nationalpark. Er zeigte sich zuversichtlich, dass sich CDU und Grüne am Ende verständigen werden. Am Freitag will die CDU einen Ausblick auf den Parteitag geben - eigentlich sollte der Antrag zum Nationalpark erst dann vorgestellt werden.
"Ergebnisoffen": SSW sieht Anwärter auf das Unwort des Jahres
Vertreter der Landtagsopposition sehen dagegen das Ende der Einigkeit bei schwarz-grün gekommen: Lars Harms vom SSW spricht von einer handfesten Krise in der Landesregierung - und er sieht das Wort "ergebnisoffen" schon jetzt als einen Anwärter für das Unwort des Jahres. Er meint, CDU und Grüne sollten den Prozess zu Grabe tragen: "Die Grünen wollten den Nationalpark um jeden Preis, die CDU für keinen Preis der Welt. Ergebnisoffen war allein, wer sich am Ende durchsetzt", so Harms.
Regierungskoalition in Schleswig-Holstein am Tiefpunkt?
Dieses "unselige Schauspiel" habe viele Menschen an der Ostsee verunsichert, sagt Oliver Kumbartzky von der FDP. Kommende Woche wird der Landtag über den Ostseeschutz diskutieren. Der Oppositionsführer sieht die Stimmung in der Regierungskoalition "an einem Tiefpunkt angekommen." SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller bescheinigt der CDU "Geringschätzung für den grünen Koalitionspartner" und wirft den Grünen vor, sie beugten sich "konservativer Haushaltsideologie", wenn es um den Klimaschutz gehe.
Grüne wollen eigenen Antrag zum Ostseeschutz beraten
Die Grünen selbst betonen, dass sie in der Koalition mit der CDU sehr wohl Themen wie Klima- und Umweltschutz voranbringen können. "Ich sag nicht, dass das ein Sommerspaziergang wird," sagt Anke Erdmann. Aber dafür sei man auch nicht angetreten. Man sei "kampferprobt", sagt sie mit Blick auf die Stimmung in der Regierung. Auf ihrem Parteitag wollen die Grünen einen eigenen Antrag zum Ostseeschutz beraten, in dem sie sich zu einem ergebnisoffenen Konsultationsprozess bekennen.