Der Ostsee geht es schlecht. Die Wassertemperaturen sind so mild wie noch nie und das Wasser ist 1,5 Grad wärmer als noch vor 30 Jahren. Das hat Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt: Von 173 untersuchten Tierarten in der Ostsee sind inzwischen 70 Prozent gefährdet, wie die Helsinki-Kommission analysierte. Die Landesregierung aus CDU und Grünen will die Gebiete stärker schützen. Es wird darüber diskutiert, ähnlich wie im Wattenmeer an der Nordseeküste, einen Nationalpark an der Ostsee einzurichten. In Deutschland gibt es derzeit 16 Nationalparke, der älteste Nationalpark ist der Bayerische Wald (1970).
Ein Nationalpark soll den Schutz ausgewählter Gebiete verstärken und die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt erhalten. Die genauen Aufgaben und möglichen Eingriffe in die Natur in Deutschland legt das Bundesnaturschutzgesetz fest. Hier werden Nationalparks definiert als "rechtsverbindlich, festgesetzte einheitlich zu schützende Gebiete", in denen sich die Natur größtenteils ungestört entwickeln soll.
In Schleswig-Holstein will das Umweltministerium den möglichen Nationalpark Ostsee in drei verschiedene Zonen einteilen: In den ersten beiden, dern sogenannten Kern- und Entwicklungszonen, soll die Natur möglichst ungestört bleiben. In der Pflegezone könnte das Fischen erlaubt bleiben.
Derzeit sind Teile der Ostsee in verschiedene Schutzzonen aufgeteilt, darunter Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiete, Natur- und Vogelschutzgebiete. Der mögliche Nationalpark Ostsee soll die Fläche von der Flensburger Förde bis zur Schleimündung, die südliche Eckernförder Bucht und die östliche Kieler Bucht bis östlich von Fehmarn umfassen, das ergibt eine Fläche von etwa 160.000 Hektar. Die Lübecker Bucht soll von diesen Plänen ausgenommen sein, da hier der Tourismus sehr stark ist.
Die Pläne zum Nationalpark Ostsee sind umstritten. Bislang ist unklar, was in den einzelnen Schutzzonen genau erlaubt ist. Verantwortliche aus Landwirtschaft, Naturschutz, Tourismus und Fischerei befürchten Einbußen. Die Insel Fehmarn beispielsweise würde dann inmitten des möglichen Nationalparks liegen. Hier sind die Proteste besonders laut. Viele Fischer fürchten um ihre Existenz wenn sie auf ihren ursprünglichen Gebieten nicht mehr fischen können. Wassersportler sorgen sich darum, dass ihr Sport eingeschränkt wird. Auch wird kritisiert, dass die Nationalpark Verwaltung unnötige Kosten verursache.
Auch innerhalb der CDU gibt es immer mehr Abwehr gegen das Projekt. Die CDU in Schleswig-Flensburg, Rendsburg-Eckernförde, Flensburg und Ostholstein bereitet einen Antrag gegen den Nationalpark vor. Die Kreise liegen an der Ostseeküste und wären unmittelbar betroffen von einem strengeren Schutzstatus.
Die Landesregierung werde - wie vereinbart - den Abstimmungsprozess bis zum Ende des Jahres weiterführen, das sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) gegenüber dem NDR. Doch es bleibt unklar, wie offen die Diskussion nach der neuen Linie der schleswig-holsteinischen CDU noch ist. Um das Projekt zu beschließen, braucht es die Stimmen der CDU aus der Landesregierung. Es gebe andere Maßnahmen, die besser geeignet sind, die Ostsee zu schützen, so der Ministerpräsident. Er sei zuversichtlich, dass sich CDU und Grüne am Ende verständigen werden.
Der Streit um den möglichen Nationalpark Ostsee trübt die Stimmung in der Koalition. Für die Grünen ist die aktuelle Entwicklung ein Rückschlag. Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) sieht den Nationalpark weiterhin als "bestes Instrument für den Schutz der Ostsee." Anke Erdmann, die Landesvorsitzende der Grünen, ist verärgert über das Vorpreschen der CDU. Aus Ihrer Sicht reichen die im CDU-Antrag aufgeführten alternativen Maßnahmen nicht aus, um die Ostsee zu schützen. Aber man sei bereit, an den inhaltlichen Punkten zu arbeiten.
Aus Sicht von Oppositionsführer Thomas Losse-Müller von der SPD ist die schwarz-grüne Koalition an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Von den anfänglichen Kompromissen sei nicht mehr viel übrig, das Verhalten der CDU sei eine "Geringschätzung für den grünen Koalitionspartner", so der SPD-Fraktionsführer.
Oliver Kumbartzky von der FDP beklagt das "unselige Schauspiel". Es habe viele Menschen an der Ostsee verunsichert. Kumbartzky wirbt stattdessen für eine "Allianz für die Ostsee", ein Antrag dazu soll kommende Woche im Landtag zur Abstimmung stehen.
Lars Harms, Vorsitzender der SSW-Landtagsfraktion, macht keinen Hehl daraus, dass er nicht mehr an einen ergebnisoffenen Prozess glaubt. Er sieht die Landesregierung in der Krise. Ergebnisoffen sei lediglich, wer sich am Ende durchsetzt. "Die Grünen wollten den Nationalpark um jeden Preis, die CDU für keinen Preis der Welt", so Harms.
Weitere Informationen
Die CDU hat nun für eigene Pläne zum Ostseeschutz geworben. Umweltminister Goldschmidt von den Grünen hält dennoch an seinem Ziel fest.
mehr
Das Abrücken der CDU von den Nationalparkplänen ist für die Grünen ein "ziemlicher Brocken." Beide Parteien setzen aber weiter auf den laufenden Beteiligungsprozess.
mehr
In einem Antrag lehnt die CDU einen Nationalpark ab - unter Zustimmung von Parteichef und Ministerpräsident Günther.
mehr