Nach Sturmflut: Zerstörung beseitigen in Süssau
Die Sturmflut hat eine Spur der Verwüstung durchs Land gezogen. Besonders betroffen ist neben dem Kreis Schleswig-Flensburg auch Süssau im Kreis Ostholstein, ein kleiner Ort direkt an der Ostsee.
Jahrelang haben sie das Haus renoviert. Nur einen Steinwurf von der Wasserkante der Ostsee entfernt liegt das Zuhause und Ladengeschäft von Martina Hoier, Michael Jenke und Kai-Ruben Wahringer. Es fehlten nur noch ein paar wenige Fußleisten, erzählen sie, die das frisch verlegte Laminat vollenden sollten. Doch dann kam die Sturmflut, die alles wieder zerstörte.
"Es ist ein Alptraum", sagt Martina Hoier. Das Wasser sei so schnell gekommen. Mit Bauschaum hätten sie am Freitagmittag noch versucht, die Ritzen an Fenstern und Türen zu schließen. Doch das Wasser strömte unaufhörlich ins Haus. Von vorne, wo lediglich Promenade und Strand das Haus von der Ostsee trennen. Und von hinten, wo die Straße zu ihrem Haus verläuft.
Pflastersteine wurden durch das Fenster gedrückt
Die Wucht des Wassers war so stark, dass sich die Pflastersteine der Promenade lösten. Hüfthoch türmten sie Wind und Strom gegen das Haus. So lang, bis die Fenster nachgaben, die sie vorsorglich noch mit Jalousie, Flutschotten, Bauplatten und Sicherheitsglas versucht hatten, zu sichern. Vergebens.
Bis zuletzt hätten sie gekämpft, sagt Michael Jenke. Doch die Situation war aussichtslos. Gegen 16 Uhr dann die Evakuierung - Martina Hoier, der Sohn und die drei kleinen Hunde wurden in der Schaufel eines Radladers vor der Sturmflut gerettet. Die beiden Männer hätten unterdessen weiter gegen die Wassermassen gekämpft, bis auch sie von der Feuerwehr und Technischem Hilfswerk (THW) weggebracht wurden.
Ein Großteil des Hausstandes wurde vernichtet
Im Wohnzimmer stand das Wasser bis zu den Waden hoch. Schlamm-Spritzer an den weiß gestrichenen Wänden sind Zeugnis der Verwüstung. Lediglich ein Elektrogerät überlebte. Alle anderen stehen bei einem großen schwarzen Schuttcontainer hinterm Haus. Er ist zu drei Vierteln gefüllt mit all den Möbeln, Sofas und Gegenständen der Familie, die das Wasser vernichtete.
Selbst fünf Tage später ist das Chaos noch immer deutlich zu spüren. Seit Samstag helfen Freunde und Bekannte beim Aufräumen. "Die Leute kamen einfach vorbei, die Türen standen ja offen", sagt Michael Jenke. Seitdem surren durchgängig die Bautrockner. Das Klima in den Räumen ist tropisch - feucht und warm zugleich. Bis zu 28 Grad, erzählt Michael Jenke. Denn man müsse die Feuchtigkeit aus dem Gebäude kriegen.
Hoffnung auf Unterstützung von Bund und Land
Der Bürgermeister von Heringsdorf, Udo Scholz (CDU), spricht von einem Millionenschaden, den das Wasser in der kleinen Gemeinde angerichtet habe. Die Schäden an der Infrastruktur seien so massiv, sagt Scholz, dass dringend Hilfe von Bund und Land benötigt werde. "Wir alleine können das nicht stemmen."
Vor allem die Landabtragung vor dem Deich sei ein Problem, das mit Gemeinde-Mitteln nicht zu stemmen sei. Und nicht nur Scholz, auch die Bewohner von Süssau hoffen auf Hilfe. Denn Geld von der Versicherung bekommen sie nicht. Bisher machen sie alles in Eigenregie.
Katastrophenerlass soll Hilfe bringen
Was den Betroffenen schnell und unbürokratisch helfen soll, ist ein sogenannter Katastrophenerlass. Anfang der Woche hatte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) eine solche Soforthilfe angekündigt - nun ist sie in Kraft. Das teilte das Finanzministerium am Mittwoch mit.
Das Bundesfinanzministerium habe dem Vorschlag aus Schleswig-Holstein zugestimmt. Damit können Finanzämter allen Betroffenen steuerliche Erleichterungen gewähren. Zum Beispiel können Zahlungen gestundet oder Vollstreckungsmaßnahmen aufgeschoben werden.
Goldschmidt: Sturmflut hat Schwächen aufgezeigt
Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) sagte im Gespräch mit NDR Schleswig-Holstein, dass die Sturmflut klare Schwächen aufgezeigt habe. Die Landesdeiche hätten der Flut standgehalten - aber bei Regionaldeichen habe es Schäden und auch Durchbrüche gegeben, die so nicht hätten sein müssen, so Goldschmidt weiter.
Er kündigte an, man werde darüber sprechen, ob solche Deichabschnitte in die Zuständigkeit des Landes übernommen werden sollten. Darüber hinaus sieht er die Notwendigkeit, den Küstenschutz weiter auszubauen, damit er dem steigenden Meeresspiegel standhalten kann. Doch das wiederum bedürfe mehr Mittel vonseiten des Bundes.
Ein Traum, der nicht aufgegeben werden soll
Für Martina Hoier und ihre Familie in Süssau bleibt keine Zeit, auf Hilfen zu warten. Trotz all der Zerstörung und Unklarheit über die Kosten bleiben sie kämpferisch: "Das war ein Traum von uns, dieses Haus zu bekommen. Das werden wir nicht so einfach aufgeben." Wenn das Gebäude wieder trocken ist, wollen sie wieder einziehen, von vorne anfangen und alles schrittweise wiederaufbauen.