Küstenschutz in SH: Minister Goldschmidt nimmt Bund in die Pflicht
Nach der Jahrhundert-Sturmflut am vergangenen Wochenende hat das Land angekündigt, sich in Zukunft stärker am Bau der Ostseedeiche zu beteiligen. Im Interview mit NDR Schleswig-Holstein fordert Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) dafür aber auch mehr Hilfe aus Berlin.
Herr Goldschmidt, welche Schwächen haben sich nach der katastrophalen Sturmflut vom Wochenende beim Küstenschutz offenbart?
Tobias Goldschmidt: Wir haben große Teile unserer Niederungen - also der hochwassergefährdeten Küstenbereiche - durch Landesschutzdeiche gesichert. Diese Landesschutzdeiche haben gehalten, das ist gut. Wir haben aber auch Bereiche, die von Regional-Deichen gesichert sind. Dort hat es auch Durchbrüche und Schäden gegeben, die so nicht hätten sein dürfen.
Es gibt ja auch Küstenschutzmaßnahmen, die nicht vom Land, sondern von Gemeinden oder Verbänden betrieben werden. Wird sich das Land künftig stärker engagieren müssen?
Goldschmidt: Ja, das sind Bereiche, wo Wasser- und Bodenverbände oder Kommunen die Zuständigkeit haben für den Küstenschutz. Und wir haben schon im Generalplan Küstenschutz 2012 klar gesagt: Wenn Deichabschnitte erneuert werden müssen und das zu teuer wird und die Verbände überfordert sind, dann können wir auch darüber sprechen, ob wir solche Deichabschnitte in die Zuständigkeit des Landes übernehmen. Die Voraussetzung dafür ist aber, dass dann auch die Flächen, auf denen die Deiche stehen, in die Zuständigkeit des Landes und ins Eigentum des Landes kommen. Wir werden mit den Wasser- und Bodenverbänden darüber sprechen, ob es nicht Bereiche gibt, wo es klüger ist, sie in das Landesschutzdeich-Konzept zu übernehmen.
Welche Interessen stünden dagegen?
Goldschmidt: Das sind möglicherweise Eigentumsinteressen. Aber genau darüber wollen wir mit den Verbänden eben sprechen. Wie können die Verbandsstrukturen so professionalisiert werden, dass Regional-Deiche wehrhaft sind? Was braucht es auch an einheitlichen Vorgaben dafür? Und wo ist es klug, dass wir aus Regional-Deichen auch Landesschutzdeiche machen?
Die Planungen für den besseren Ostseeschutz laufen schon länger. Warum sind wir noch nicht weiter?
Goldschmidt: Küstenschutz findet in Schleswig-Holstein seit 2.000 Jahren statt - kann man sagen. An der Ostseeküste noch nicht ganz so lange. Wir haben im Generalplan Küstenschutz einige Deichabschnitte identifiziert - auch in der Ostsee - die verstärkt werden müssen. Wir bauen ja den sogenannten Klimadeich. Das ist ein Deich, der so ausgelegt ist, dass er Meeresspiegelanstiegen von einem Meter standhalten kann. Und da gibt es auch einige Bereiche an der Ostsee, wo wir schon in der Planung dafür sind, das zu tun.
Am Wochenende sind gewaltige Schäden angerichtet worden. Der Bund sagt auf unsere Anfrage, er könne nur bei Katastrophen mit gesamtstaatlicher Tragweite helfen. Ist das hier gegeben?
Goldschmidt: Unser Ministerpräsident hat sich zusammen mit der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern an den Bundeskanzler gewandt. Da geht es um Wiederaufbaufonds und um Mittel dafür, das Land wiederherzustellen und die Schäden zu beseitigen. Mir als Küstenschutzminister geht es darum, einen zukunftsfähigen Küstenschutz zu machen - und der wird auch Geld kosten. Wir brauchen höhere Mittel vom Bund. Küstenschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern, die Mittel werden auch erhöht werden müssen dafür. Wir brauchen angesichts der dramatischen Folgen der Klimakrise - ich sprach gerade von den etwa 80 Zentimetern, die der Meeresspiegel in der Ostsee in diesem Jahrhundert noch steigen wird - mehr Mittel für den Küstenschutz. Und dafür kämpfe ich auf Bundesebene.
Wenn derartige Katastrophen in Deutschland passieren, sind die Bundespolitiker relativ schnell in Gummistiefeln vor Ort. Hier in Schleswig-Holstein haben wir bisher keine gesehen. Wie bewerten Sie das?
Goldschmidt: Ich freue mich erst einmal darüber, dass in Schleswig-Holstein sehr solidarisch mit dieser Sturmflut und den Schäden umgegangen worden ist - dass man die Dinge hier vor Ort gut geregelt hat. Die Landesregierung ist vor Ort gewesen. Ich war gerade heute Morgen in Arnis und hab wirklich in viele Gesichter geschaut, die gesagt haben: Gut, wie wir das hier vor Ort geklärt haben. Und dabei belasse ich das jetzt mal.
Keine Kritik an den Bundes-Kollegen. Haben Sie vielleicht ein wenig Angst, dass Schleswig-Holstein aus dem Blickfeld des Bundes geraten ist?
Goldschmidt: Wir sorgen schon dafür, dass wir im Blickfeld des Bundes bleiben. Und ich glaube, dazu hat der Brief des Ministerpräsidenten nach Berlin an den Kanzler auch sein Notwendiges beigetragen.
Dieses Interview führte Stefan Böhnke, NDR Landeshauskorrespondent.