Mölln-Gedenken im Landtag: "Die Wunde ist nicht verheilt"
Erinnerung und Mahnung im Landtag. 30 Jahre nach den Brandanschlägen von Mölln erklärten sich die Abgeordneten solidarisch mit den Opfern - und zeigten sich entschlossen, sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu stellen. Es fielen auch persönliche Worte.
von Constantin Gill
"Wenn man die Worte Brandanschlag und Flüchtlingsheim bei Google eingibt, ist die Ergebnisliste viel zu lang", sagt Seyran Papo, CDU-Abgeordnete aus dem Kieler Stadtteil Gaarden. Dort, berichtet sie, habe sie am Morgen an einer Gedenkstelle eine Blume niedergelegt und eine Kerze angezündet. Auf den Tag genau vor 30 Jahren hatten Rechtsextreme zwei Häuser in Mölln in Brand gesetzt, die von türkischen Familien bewohnt wurden. Zwei Mädchen und eine Frau starben. Die zehnjährige Yeliz Arslan und die 14-jährige Ayse Yilmaz - sowie die 51 Jahre alte Bahide Arslan seien ermordet worden, sagt Papo. Und dabei gehe es nicht um einen Einzelfall: "Weitere, rechtsextrem und rassistisch motivierte Taten seither, wie der Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020, lassen Einzelfall-Narrative nicht mehr zu."
Gemeinsame Erklärung des Landtages
In einer gemeinsamen Resolution der Landtagsfraktionen erklären sich die Abgeordneten solidarisch mit den Betroffenen von rechter und rassistischer Gewalt. Der Landtag empfinde tiefes Mitgefühl mit den körperlich und seelisch verletzten Überlebenden sowie den Angehörigen der Opfer der Brandanschläge, die auch heute noch mit den Erinnerungen an diese Verbrechen leben müssten, heißt es darin.
"Perspektive der Opfer muss stärker berücksichtigt werden"
"Mölln ist eine Mahnung", sagt Uta Röpke, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion. "Wir übernehmen die politische Verantwortung für das, was heute vor 30 Jahren in Mölln geschehen ist." Röpcke beklagt aber, dass an diesem Tag nicht alle Abgeordneten vor Ort in Mölln sind - an der Seite der Überlebenden: "Ich wünsche mir, dass es zukünftig gelingt, an diesem Tag einen angemessenen Rahmen für ein Gedenken zu schaffen, dessen Bedeutung weit über Mölln hinaus geht." Die Perspektive der Opfer, so Röpcke, müsse stärker berücksichtigt werden: "Wir müssen den Opfern zuhören, ihnen die Hoheit über ihr Gedenken zurückgeben."
"Rassismus tötet"
Die Trauer und Wut der Angehörigen sei immer noch deutlich zu spüren, sagt auch Serpil Midyatli von der SPD: "Die Wunde ist nicht verheilt. Sie kann nicht heilen, solange Rassismus in Deutschland tötet." Im vergangenen Jahr habe es so viele rassistische Brandanschläge gegeben wie noch nie zuvor. Der Anschlag von Mölln, sagt Midyatli, sei nicht aus heiterem Himmel gekommen. Sondern sei Folge der aufgeheizten Stimmung gewesen.
An die erinnert sich auch Bernd Bucholz von der FDP noch. Zusammen mit dem CDU-Abgeordneten Peter Lehnert sei er damals gerade neu im Landtag gewesen. Es habe eine "bedrückende Stimmungslage in diesem Land" gegeben. Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen - und im schleswig-holsteinischen Landtag saß damals die DVU, "die mit ihren rassistischen und ausländerfeindlichen Hetzparolen den Nährboden dafür legte, dass manche sich angespornt fühlten, das in Taten umzusetzen." Als die Anschläge in Mölln passierten, berichtet Buchholz, sei man erschrocken gewesen. "Und hätten es in Wahrheit doch nicht sein dürfen, weil wir schon gesehen hatten, in welcher Entwicklung sich dieses Land befand."
Fraktionen einstimmig für Resolution
SSW-Fraktionschef Lars Harms mahnt, Rechtsradikalismus müsse im Kleinen wie im Großen bekämpft werden. Das werde immer eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft bleiben. Und: "Das Gedenken an Bahide Arslan, Yeliz Arslan und Ayşe Yilmaz ist nicht abgeschlossen. Und der Auftrag an uns als Gesellschaft ist es auch nicht."
Nach den Worten von Ministerpräsident Daniel Günther hat der Mordanschlag vor 30 Jahren "einen dunklen Schatten auf ganz Schleswig-Holstein geworfen." Mölln sei zum Synonym für mörderischen Rassismus geworden. "Die Tat hat uns in Schleswig-Holstein gelehrt, sensibler für die Anfänge zu sein. Wir wissen jetzt, dass so etwas möglich wird, auch in einer Demokratie, wenn wir dem Hass zu viel Raum lassen." Günther verweist etwa auf denLandesaktionsplan Rassismus und Fort- und Weiterbildungen, die helfen sollen, Rassismus zu vermeiden.
Am Ende verabschieden die Abgeordneten einstimmig ihre Resolution.