Messerattacke von Brokstedt: Prozess beginnt heute in Itzehoe
Im vergangenen Januar soll Ibrahim A. in einem Regionalzug bei Brokstedt zwei Fahrgäste mit einem Messer getötet haben, fünf weitere wurden verletzt. Heute beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter.
Etwas mehr als fünf Monate nach der tödlichen Messerattacke in einem Regionalzug bei Brokstedt (Kreis Steinburg) beginnt vor dem Landgericht Itzehoe der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter, Ibrahim A.. Für den ersten Prozesstag ist nach Angaben von Gerichtssprecherin Frederike Milhoffer wie üblich zunächst die Verlesung der Anklage geplant.
Danach hätte der Angeklagte die Gelegenheit, sich zu äußern. Dem Verteidiger stehe nach dem Gesetz auch noch die Möglichkeit zu, eine Eröffnungserklärung abzugeben, so die Sprecherin. Zeuginnen und Zeugen sollen noch nicht aussagen.
Anklage wegen Mordes und versuchten Mordes
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten zweifachen Mord sowie vier Fälle von versuchtem Mord vor. Begründet wird das mit den Mordmerkmalen Heimtücke und niedrige Beweggründe. Die Opfer hätten sich demnach in einer Alltagssituation befunden und nicht mit einem Angriff rechnen können.
Tat ereignete sich in vollbesetztem Regionalzug
Laut Anklage hat A. am Nachmittag des 25. Januar im vollbesetzten Regionalzug von Kiel nach Hamburg kurz vor dem Halt in Brokstedt wahllos auf Reisende eingestochen. Eine 17-Jährige und ein 19-Jähriger starben. Vier weiteren Fahrgästen, zwei Frauen und zwei Männern, soll der mutmaßliche Täter mit dem Messer "erhebliche Verletzungen beigebracht haben, um auch diese Personen zu töten", heißt es in dem Schreiben der Staatsanwaltschaft. Insgesamt wurden fünf Menschen verletzt.
Mehr als 100 Zeuginnen und Zeugen in Anklage genannt
Neben der Staatsanwaltschaft haben sich laut Milhoffer acht Nebenklägerinnen und Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen. 127 Zeuginnen und Zeugen werden in der Anklage genannt. Ob am Ende wirklich alle aussagen müssen, werde sich im Verlauf des Prozesses herausstellen, so die Gerichtssprecherin. Es können auch neue Zeuginnen und Zeugen hinzukommen.
Prozess findet in Logistikzentrum statt
Weil so viele Menschen am Prozess beteiligt sind, hat das Gericht bereits im Vorfeld rund 40 Verhandlungstage bis Dezember angesetzt. Es könne aber auch länger dauern, denn es sei schwer abzuschätzen, wie lange die Vernehmungen und die Beweisaufnahme dauern, erklärte die Gerichtssprecherin. Wegen des großen öffentlichen Interesses findet der Prozess nicht im Gebäude des Landgerichts, sondern in einem Logistikzentrum statt.
Anwalt: Ibrahim A. streitet die Tat nicht ab
Ibrahim A. streitet die Tat nach Angaben seines Anwalts nicht ab. Ende März gab der Anwalt bekannt, dass sein Mandant sich im Ermittlungsverfahren äußern wolle. Er werde eine Erklärung zu den Umständen abgeben, sagte der Anwalt damals.
Verärgerung über persönliche Situation als Motiv?
Die Staatsanwaltschaft sieht als Tatmotiv die Verärgerung über seine persönliche Situation. Ibrahim A. war kurz vor der Tat in Hamburg aus einer Untersuchungshaft entlassen worden und hatte am Tattag in der Kieler Zuwanderungsabteilung und im Einwohnermeldeamt vorgesprochen, um seine Fiktionsbescheinigung verlängern zu lassen. Das wurde ihm verwehrt, weil er zu diesem Zeitpunkt keine Meldeadresse in Kiel hatte.
Einen terroristischen Hintergrund schließt die Staatsanwaltschaft aus. Während der Untersuchungshaft in Hamburg soll sich A. zwar mit Anis Amri, dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, verglichen haben. Es gebe jedoch keine Anzeichen für eine extremistische Gesinnung, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Prozess soll zeigen, ob Mordmerkmale erfüllt sind
Damit der Angeklagte am Ende tatsächlich wegen mehrfachen Mordes und versuchten Mordes verurteilt werden könne, müsse das Gericht ihm erstens jede einzelne Tat nachweisen und zweitens zeigen, dass die Mordmerkmale erfüllt seien, so Milhoffer.
Psyche: Mutmaßlicher Täter soll in U-Haft Stimmen gehört haben
Auch die psychische Verfassung des mutmaßlichen Täters wird im Prozess mutmaßlich eine Rolle spielen. Laut Gerichtssprecherin Milhoffer wird die Schuldfähigkeit des Angeklagten mithilfe eines Sachverständigen geprüft. Recherchen des WDR zufolge soll Ibrahim A. bereits seit 2015 unter psychischen Problemen gelitten haben. In der Untersuchungshaft in Hamburg soll er unter anderem Stimmen und Klopfen gehört haben. Außerdem beschimpfte er andere Häftlinge sowie Justizvollzugsbedienstete, es kam auch zu körperlichen Auseinandersetzungen.
NDR Recherchen: Drogentest nach Messerattacke positiv
Auch in der JVA Neumünster, wo der Beschuldigte kurz nach der Tat untergebracht wurde, galt er laut der GdP-Regionalgruppe Justizvollzug als unberechenbar und schwer einzuschätzen. Er randaliere, bedrohe und beschimpfe. Inzwischen ist der Angeklagte laut Justizministerium in der JVA Lübeck-Lauerhof untergebracht. Zudem soll Ibrahim A. seit Jahren Drogen nehmen, nach Recherchen von NDR Schleswig-Holstein zeigte ein Drogentest nach der Messerattacke von Brokstedt den möglichen Konsum von Kokain und Morphin an.