Landtag in SH: Opposition fürchtet "Vollkatastrophe" im Bahnverkehr
Notwendige Sparmaßnahme oder Rolle rückwärts bei der Verkehrswende? Der Landtag ist beim Thema Nahverkehr zerstritten. Die SPD hatte zu dem Thema eine aktuelle Stunde beantragt.
Ende vergangener Woche hat der Verkehrsminister erklärt, dass das Land zum kommenden Jahr verschiedene Bahnverbindungen - überwiegend in Randzeiten und am Wochenende - abbestellen will. "Das ist bitter", sagte Claus Ruhe Madsen (CDU) am Mittwoch im Landtag. Die Auswirkungen auf Pendlerinnen und Pendler sollen bei den Plänen aber möglichst gering gehalten werden. Insgesamt geht es um 1,5 Prozent des vom Land bestellten Verkehrs. Die Regierungsfraktionen sehen keine Alternative dazu - die Opposition spart nicht mit Kritik.
Wo ist das Problem?
Für eine Verkehrswende braucht es mehr Busse und Bahnen - doch die kosten Geld. "Die Verkehre werden teurer", sagte Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter. Die Kassen des Landes sind aber leer - laut CDU-Fraktionschef Tobias Koch muss das Land in diesem Bereich 70 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Die Abbestellung von Bahnstrecken soll sechs Millionen Euro bringen. Die Folgen der Haushaltsprobleme bekommen laut Koch also auch die Menschen in Schleswig-Holstein zu spüren.
Wer hat Schuld?
Aus Sicht der Regierungsfraktionen zahlt der Bund nicht genug an die Länder: Es geht um die Zahlungen für den Schienenverkehr - genannt Regionalisierungsmittel. "Würde der Bund die Regionalisierungsmittel um 1,5 Milliarden Euro aufstocken, wie von den Ländern seit Jahren gefordert, wären das rund 50 Millionen Euro mehr für Schleswig-Holstein und wir bräuchten heute nicht über Abbestellungen diskutieren", sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Auch Verkehrsminister Madsen sieht die Verantwortung bei der Berliner Ampel.
Auf Bundesebene fließen nach den Worten von Christopher Vogt, FDP-Fraktionschef, aber auch nicht nur Milch und Honig - deswegen könne die Landesregierung nicht immer nur nach dem Bund rufen. Ex-Verkehrsminister Bernd Buchholz, ebenfalls FDP, meint, die Landesregierung erreiche keines ihrer selbst gesetzten Ziele und sei "verkehrspolitisch komplett gescheitert." Vor allem gilt das aus Sicht der Oppositionsfraktionen für die versprochene "Mobilitätsgarantie." Sybilla Nitsch vom SSW erwartet eine "Vollkatastrophe" für die Pendlerinnen und Pendler - gerade auf Sylt. Und: "Natürlich kann das Land was dafür."
Niclas Dürbrook von der SPD sagte, die geplante Streichung von Bahnverbindungen im Land sei ein verheerendes Signal für die angestrebte Verkehrswende. Menschen im Schichtdienst seien auf die Verbindungen in Randzeiten angewiesen.
Die Oppositionsfraktionen widersprechen außerdem der Landesregierung beim Thema Regionalisierungsmittel: Die habe der Bund sehr wohl erhöht - auch wenn man sich mehr gewünscht habe. Verkehrsminister Madsen dagegen konterte: Sein Vorgänger Buchholz habe zusätzliche Verkehre bestellt - aber dafür keine Vorsorge im Haushalt getroffen. Weil auch er mit höheren Regionalisierungsmitteln gerechnet habe.
Gibt es Lösungsansätze?
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Koch forderte am Dienstag einen höheren Preis für das Deutschlandticket. Statt 49 Euro könnte es nach seiner Vorstellung 59 oder 69 Euro kosten - das nennt er "extrem hilfreich." Verkehrsminister und Verkehrsunternehmen haben schon seit Einführung des Deutschlandtickets angedeutet, dass sie den bisherigen Preis eher als "Einführungspreis" sehen.
Die SPD konterte, man könne stattdessen auch die Zahl der Abonnenten erhöhen - das wiederum würde aber voraussetzen, dass die Zahl der Verbindungen erhöht wird - die Regierung mache das Gegenteil, so der Abgeordnete Dürbrook. Der SSW lehnt eine Erhöhung des Ticketpreises ab.
Wie geht's weiter?
Minister Madsen will nun auf die Verkehrsunternehmen zugehen und mit ihnen besprechen, wie sich die geplanten Streichungen umsetzen lassen. Dabei kann es nach seinen Angaben noch zu Änderungen kommen. Ansonsten bleibt es bei seinem Appell, dass der Bund die Regionalisierungsmittel erhöhen möge.
Wie war die Debatte?
Sehr engagiert, teils wurde es auch laut: Vor allem die Auseinandersetzungen zwischen Lukas Kilian (CDU) und Kai Dolgner (SPD) über die juristischen Details der Zahlungsverpflichtungen des Bundes sowie das Duell zwischen Verkehrsminister Madsen und seinem Vorgänger Buchholz ("Werter Herr Buchholz!") waren sehr lebhaft.