Landrat Mager: "Das Ausländerrecht muss neu geschrieben werden"
Als Landrat im Kreis Herzogtum Lauenburg kennt Christoph Mager das bürokratische Wirrwarr hinter Abschiebungen aus der Praxis. Er fordert, das Aufenthaltsgesetz zu reformieren.
Viele Kreise und kreisfreie Städte in Schleswig-Holstein haben Probleme, Abschiebungen in der Praxis umzusetzen. Die Hindernisse sind vielfältig. Schon die Vorbereitung kann Wochen oder Monate dauern. Oft scheitern die Rückführungen auch an der Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer. Teilweise gibt es auch zu wenig Personal für die Arbeit in den Behörden. NDR Schleswig-Holstein hat über die Schwierigkeiten mit dem Landrat vom Kreis Herzogtum Lauenburg, Christoph Mager (CDU), gesprochen.
NDR Schleswig-Holstein: Weshalb sind Abschiebungen so kompliziert?
Christoph Mager: Da gibt es mehrere Gründe: Das hängt zum einen mit dem Aufenthaltsrecht zusammen, das bei uns sehr kompliziert geworden ist. Zum anderen sind Abschiebungen auch praktisch sehr schwierig. Denn die meisten Menschen wollen ja nicht abgeschoben werden und suchen sich Möglichkeiten, hier zu bleiben. Dann kommt hinzu, dass das Dublin-Verfahren gescheitert ist. Zunehmend gibt es Länder im Schengenraum, die Rücküberstellungen verhindern.
Wo sehen Sie das Hauptproblem?
Mager: Ich nehme das komplizierte Ausländerrecht als Hauptbremse wahr. In den vergangenen drei, vier Jahren haben wir mehr als 20 Änderungen im Aufenthaltsgesetz, im Asylgesetz, in der Ausländeraufnahmeverordnung erlebt. Das bremst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und macht es schwierig, Menschen zu finden, die diesen Job überhaupt machen wollen.
Wie aufwendig ist die Einarbeitung der Mitarbeitenden?
Mager: Es dauert ein bis anderthalb Jahre bis jemand mit einer Verwaltungsausbildung halbwegs lauffähig im Ausländerrecht ist. Und wir sind inzwischen zunehmend darauf angewiesen, Menschen einzustellen, die keine Vorausbildung als Verwaltungskraft haben. Da dauert es dann entsprechend länger.
Haben Sie ausreichend Personal im Kreis Herzogtum Lauenburg?
Mager: Das lässt sich gar nicht so ohne Weiteres beantworten. Denn wir stellen laufend neues Personal ein und das muss auch entsprechend geschult werden. Dabei ist die Fluktuation in dem Bereich hoch: Denn viele Menschen stellen fest, dass sie für diese Arbeit in der Ausländerbehörde einfach nicht geeignet sind, dass sie das auf Dauer auch körperlich nicht mitmachen können. So kann sich das Personal nicht auf seine Hauptaufgabe konzentrieren, sondern ist ständig mit Lern- und Lehrprozess beschäftigt.
Warum ist die Fluktuation in der Ausländerbehörde so groß?
Mager: Für die Tätigkeit in der Ausländerbehörde muss man schon ein Stück weit gemacht sein. Viele neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen schnell fest, dass sie das Tempo schwer halten können, dass ihnen die ständigen Rechtsänderungen zu viel sind. Vielen fällt auch der Umgang mit Menschen schwer - und dass sie so viele schlechte Nachrichten überbringen müssen. Das mitzunehmen - jeden Abend, jedes Wochenende, in jeden Urlaub - das ist schon schwer. Das muss man wollen. Da gibt es natürlich Menschen, die sagen: für die Bezahlung kann ich in anderen Bereichen der Verwaltung ein "bequemeres Leben" haben.
Hilft die aktuelle Asyldebatte?
Mager: Das wird sich zeigen. Derzeit kann man noch gar nicht absehen, was am Ende des Tages passiert. Schengen beziehungsweise das Dublin-Verfahren funktioniert zurzeit nicht. Da muss etwas passieren. Das Thema belastet uns auch hier. Wir können in zahlreiche Länder nicht rücküberstellen, weil entweder die Bedingungen seitens der Länder so formuliert werden, dass es praktisch nicht möglich ist oder weil die Länder grundsätzlich keine zu überstellenden Personen annehmen.
Warum funktioniert das Dublin-Verfahren nicht?
Mager: Italien beispielsweise nimmt grundsätzlich keine Personen. Es gab mal einen Zeitraum da konnten wir ein bisschen tricksen. Da haben wir auch mal jemanden über Norwegen nach Italien rücküberstellt, um das System zu überlisten. Aber grundsätzlich gibt es eben Länder, die zurzeit sagen: 'Wir nehmen niemanden auf'. Dann gibt es Länder, bei denen die Gerichte sagen: 'Da braucht ihr nicht rücküberstellen, weil das den Menschen unzumutbar ist.' Griechenland ist so ein Beispiel. Und es gibt Länder, das sind eher die ehemaligen Ostblockstaaten, die Bedingungen vorformulieren, die es schwierig machen, Rücküberstellung durchzuführen. In Bulgarien oder Polen dürfen wir nur zu bestimmten Zeiten nur bestimmte Personengruppen abliefern.
Was würden Sie ändern?
Mager: Ich würde das Aufenthaltsgesetz reformieren. Dann könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ausländerbehörde vernünftig arbeiten und sich auch darauf verlassen, dass die Regelung mal für ein, zwei Jahre unangetastet bleiben.
Wer kann das Ausländerrecht reformieren?
Mager: Das ist eine Bundesangelegenheit. Ich würde mir erhoffen, dass der Bund die Kommunen an den Änderungen beteiligt und damit Verwaltungspraxis berücksichtigt. Denn gerade jetzt wieder arbeitet eine Taskforce ohne Beteiligung. Das finde ich schwierig, denn wir müssen am Ende die Regelungen umsetzen. Insgesamt glaube ich, dass wir das System auf neue Füße stellen müssen. Das Aufenthaltsgesetz wird jetzt 20 Jahre alt. Es hat zahlreiche politische und europarechtliche Einflüsse gegeben, die das Aufenthaltsgesetz in meinen Augen immer unlesbarer gemacht haben und es immer unpraktikabler geworden ist.
Wie viele Abschiebungen scheitern im Kreis Herzogtum Lauenburg?
Mager: Viele gelingen. Das hängt aber auch damit zusammen, dass wir uns auf Fälle konzentrieren, die dann am Ende des Tages auch erfolgsversprechend sind. Straftäter beispielsweise haben oberste Priorität. Da setzen wir einen enormen Aufwand daran. Da ist die Bereitschaft, bei allen Beteiligten deutlich größer, damit diese Fälle dann auch umgesetzt werden können. Es gehen auch Abschiebungen schief, weil Ausländer nicht anzutreffen sind oder es scheitern Anträge, weil die Betroffenen angeben, freiwillig ausreisen zu wollen. Dann kommt es vor, dass Menschen abtauchen, den man dann erst mal überhaupt nicht habhaft wird. Es kommt mitunter vor, dass Personen gesundheitlich beeinträchtigt sind und deshalb nicht abgeschoben werden können. Und insofern konzentrieren wir uns eben auf die Fälle, bei denen wir glauben, dass der Erfolg nahezu bei 100 Prozent liegt.
Das Interview führte Andreas Schmidt.