Kostenloses Essen für Schulkinder: Vieles geht schief
Ein kostenloses Mittagessen für bedürftige Kinder - das ist eigentlich in Deutschland durch ein Gesetz geregelt. Doch das klappt nicht immer, wie das Beispiel einer Schule in Kiel-Mettenhof zeigt.
Das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder in ganz Deutschland regelt, dass Kinder, deren Eltern wenig Geld haben und deswegen Sozialleistungen beziehen, trotzdem an Klassenfahrten und Ausflügen teilnehmen können. Das Paket beinhaltet außerdem, dass für diese Kinder das Essen in Schulen übernommen wird. In Kiel ist das über die sogenannte Kiel-Karte umgesetzt. Das Problem: Das Verfahren ist kompliziert und birgt viele Fehlerquellen, sodass am Ende viele Schülerinnen und Schüler mittags hungrig bleiben.
Schulleiter in Kiel-Mettenhof rauft sich die Haare
Dieter Ruser ist Schulleiter an der Leif-Eriksson-Gemeinschaftsschule in Kiel-Mettenhof. Er kennt sich aus mit den Irrungen und Wirrungen rund um die Kiel-Karte und rauft sich deswegen oft die Haare: "Wir haben vor allem Probleme mit der Mensa. Es ist ein sehr kompliziertes und bürokratisches Verfahren, bis die Mensa freigeschaltet ist für Kinder, die im Leistungsbezug sind mit ihren Familien." Zur Erklärung: Wer Arbeitslosengeld, Wohngeld oder andere Sozialleistungen erhält, der bekommt eine Kiel-Karte. Damit können Kinder durch das Bildungs- und Teilhabepaket zum Beispiel an Klassenfahrten teilnehmen, Nachhilfe oder eben Essen bekommen. Eigentlich. Denn während es laut Schulleiter Ruser bei Klassenfahrten oder Ausflügen gut klappt, hapert es beim Essen in einer Tour.
Häkchen vergessen - kein Essen
Die Stadt Kiel erklärte auf Anfrage: "Eltern müssen die Kiel-Karte bei dem für sie zuständigen Sozialleistungsträger beantragen und verlängern. Das schaffen nicht alle Eltern gleich gut. Die Gründe hierfür sind sehr unterschiedlich." Schulleiter Ruser wiederum glaubt nicht, dass es an den Eltern liegt. An seiner Schule beziehen rund 90 Prozent der Eltern Sozialleistungen. Die Lehrer seiner Schule kennen sich aus im Behördendschungel und erklären den Eltern genau, was sie wo beantragen müssen: "Und das tun die Eltern auch." Aber, so führt er weiter aus, es gibt zu viele Fehlerquellen: "Wenn eine Sachbearbeiterin das Wohngeld bewilligt und bei der Kiel-Karte vergisst, einen Haken bei 'Mensa' zu setzen, dann bekommt die Familie Wohngeld, das Kind prallt aber bei der Mensa ab." Das sorge in der Folge für Verzweiflung bei den Eltern, weil sie nicht verstehen, woran es nun liegt. Und es sorgt für hungrige Kinder.
Prüfung der Sozialleistungen - wieder kein Essen
Ein weiteres Problem: Die Kiel-Karte muss regelmäßig verlängert werden. Bezieht jemand Wohngeld, dann muss das alle drei Monate passieren. Ruser führt aus: "In der Zeit, in der geprüft wird, ob weiter ein Wohngeldanspruch besteht, wird die Kiel-Karte gesperrt - anstatt das erstmal weiterlaufen zu lassen." Solange überprüft wird, ob weiter ein Anspruch besteht, können die Kinder nämlich wieder nichts essen. Ruser plädiert für Vertrauen vor Misstrauen - denn das würde viele traurige Kinderaugen verhindern. Und auch für den Caterer ist das komplizierte System durchaus lästig. Die Gemeinschaftsschule in Mettenhof wird von der Firma Bread & Soda bekocht. Geschäftsführer Kian Daryan bestätigt: "Oft sind Kiel-Karten ungültig. Allein im September konnten wir 20 Prozent der Essen nicht abrechnen, weil die Kiel-Karte nicht für Mensa-Essen freigeschaltet war und wir das erst nachher gesehen haben. Meist kann das dann rückwirkend geklärt werden, aber auch nicht immer."
Datenschutz bereitet zusätzliche Probleme
Kompliziert wird es auch, wenn Kiel-Karten-Kinder die Grundschule verlassen und auf eine weiterführende Schule gehen. Dieser völlig normale Schulwechsel muss im System der Kiel-Karte angegeben werden. Das könnte der Caterer machen, bestätigt Daryan, allerdings braucht sein Unternehmen dafür die Informationen, welches Kind auf welche Schule wechselt. "Am einfachsten wäre, wenn wir diese Informationen schon in den Sommerferien von den Schulen bekommen würden, aber das geht nicht wegen der Datenschutzbestimmungen." Die Schule müsste dazu von allen Eltern die Erlaubnis haben.
Ruser: "Es ist ein bürokratisches Monster"
Dieter Ruser findet, dass das Bildungs- und Teilhabepaket ein Meilenstein ist. Er will aber nicht akzeptieren, dass es zwar eine gute Infrastruktur für Kinder aus sozial schwächeren Familien gibt, die aber dann in Teilen so komplex ist, dass sie nicht funktioniert. "Wir haben ein bürokratisches Monster, das in vielen Ämtern Leute beschäftigt, die auch andere Aufgaben haben und sicher nicht traurig sind, wenn sie diese Arbeit nicht mehr hätten." Er selbst hat eine Idee, wie alles leichter wäre. "Wir haben etwa 580 Kinder mit Kiel-Karte. Wenn wir für 60 Prozent von denen pauschal Essen kochen, dann wäre allen geholfen." Denn erfahrungsgemäß wäre das genug, nie wollen alle in die Mensa. "Wir würden uns so viel Verwaltung sparen - auch seitens der Schule. Und es würde auch nicht mehr Kosten verursachen. Im Gegenteil, das wäre günstiger." Denn all diesen Kindern steht ja ein Essen zu.