Frau faltet ihre Hände vor dem Körper. © colourbox Foto: -

Kolumne: Unbeabsichtigt im Internet-Hype "Winter Arc"

Stand: 12.01.2025 10:45 Uhr

Bei Chaos im Außen mehr im Innern leuchten - ein Ziel. Doch wo liegt die Grenze zwischen Selbstfürsorge und Optimierungswahn? Unsere Kolumnistin fragt sich das und landet versehentlich im TikTok-Trend.

von Stella Kennedy

Schon Anfang November kam bei mir ein verrückter Gedanke von "Selbstreinigung" auf. Irgendwie fühlte ich mich so übersättigt von allem. So als hätte ich mich monatelang von Fast Food ernährt - aber auf allen Ebenen: beziehungstechnisch, in Freundschaften, im Feierabend. Hier die unverbindlichen Treffen, da nur noch Sprachnachrichten und Likes auf Instagram mit den besten Freundinnen und abends das hirnverbrannte Serien schauen und nebenher auf Social Media scrollen. Man kennt's. Uff, mich überkam ein regelrechtes Ekelgefühl und ich begann mit meinem "Fast-Food"-Zölibat. Zwei Monate später weiß ich, ich war nicht allein. Ich war im Trend. Ich war im "Winter Arc".

Weitere Informationen
NDR Reporterin Stella Kennedy. © NDR Foto: Daniela Vagt

Die Kolumnen von Stella Kennedy

Stella Kennedy reflektiert die Wirrnisse unseres Alltags im Norden - mal ernst, mal heiter, und gern mal ironisch. mehr

Die gesündeste, stärkste und fitteste Version meiner selbst

"Winter Arc"? Als ich meine Kollegen bei der Recherche für diesen Text frage, ob sie mit dem Begriff etwas anfangen können, blicke ich in leere Gesichter. Mir ging es zugegebenermaßen ähnlich - aber dann hatte ich ja auch die Legitimation, einen Internet-Hype nicht zu kennen: Ich war ja seit November auf Scroll-Enzug gewesen! Und ich bin alt. Zumindest zu alt für diesen Trend, der seit Oktober TikTok und die Fitness-Bubble der Generation Z flutet. Kurze Begriffsdefinition: Es geht darum, dass Teilnehmer des "Winter Arc" statt ins Winterloch zu fallen, von Oktober bis Januar an ihrem 'besten Selbst' arbeiten sollen. Früh aufstehen, mehr Sport, mehr Lesen, gesünderes Essen. Alles - um dann, wenn alle anderen mit ihren Neujahrsvorsätzen um die Ecke kommen, schon 'da zu sein'!

Trendopfer ohne es zu wollen

Ein Kumpel von mir, gute zehn Jahre jünger, erzählte mir in einem Nebensatz von seiner "Winter Arc", die er gerade macht, und brachte mich überhaupt darauf, den Begriff zu googeln. Was ich fand, reichte von Tipps - "Disziplin statt Erntedank", "pumpen statt pumpkin spice" - bis hin zu durchtrainierten Fitnessgöttern, die sich vor laufender Kamera die Haare rasieren (der "Buzz Cut" ist anscheinend DIE Winter-Arc-Frisur!). Als ich las, dass Ablenkungen eliminiert werden sollen und auf Social Media und sogar Dating verzichtet werden muss, keimte in mir plötzlich eine Ahnung auf. Habe ich unwissentlich die "Winter Arc" gemacht? War mein naiver Gang ins Fitnessstudio, den ich seit November extrem hochgeschraubt habe, Teil einer Bewegung? Bin ich ein Trendopfer, ohne es zu wollen?

Durchgereinigt und hochmotiviert

Klare Antwort: Ja. Stolz kann ich behaupten, mich nach zwei Monaten, geprägt von Selbstdisziplin, Schweinehund-Überwindungen, Telefonaten statt Sprachnachrichten, Büchern statt Social Media und Sport statt Komfort, irgendwie gereinigt zu fühlen. Ich habe das Gefühl, einen guten Bogen zwischen Selbstfürsorge und Optimierungswahn geschlagen zu haben. Und weil das 'Arc' in "Winter Arc" im Englischen für "Bogen" steht, was metaphorisch für Transformation und Entwicklung steht, und ich mich ja tatsächlich "weiterentwickelt" fühle - beste Version und so - kann ich mich auch damit anfreunden, voll im Trend zu sein.

Weitere Informationen
Zwei Schilder hängen an einem Pfahl. Auf dem Oberen steht "Seniorenwohnanlage", auf dem Unteren "Jugendzentrum". © picture alliance / SVEN SIMON Foto: Frank Hoermann / SVEN SIMON

Kolumne: Millenials - Zwischen Nostalgie und TikTok

Zwischen Boomer-Werten und Gen-Z-Visionen: Als Millenial ist unser Kolumnistin Stella Kennedy ein Generations-Sandwich. mehr

Herbststimmung in Mönkebude am Haff. © NDR Foto: Klaus Haase aus Prerow

Kolumne: Die paradoxe Gleichzeitigkeit von Himmel und Hölle

Alles ist gleichzeitig da: Freud und Leid. Frust und Hoffnung. Wenden wir uns dem Guten zu! Eine Kolumne von Stella Kennedy. mehr

Ein Mann sitzt an einem Tisch voller geschreddertem Papier. © picture alliance / Zoonar Foto: Elnur Amikishiyev

Kolumne: Warum ist alles immer so "unfassbar stressig"?

Stress als unser täglich Wegbegleiter: Warum haben wir das so gnadenlos akzeptiert? Eine Kolumne von Stella Kennedy. mehr

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Almila Bagriacik (r.) und Axel Milberg im Tatort "Borowski und das hungrige Herz" © NDR / Letterbox Filmproduktion GmbH

"Borowski und das hungrige Herz": Vorletzter Tatort mit Milberg

Die Kommissare Borowski und Sahin tauchen in eine bizarre Schattenwelt inmitten von Kiel ein. mehr

Videos