"Kleine Sensation": 600 Jahre jüdisches Leben in Schleswig-Holstein
Eine Urkunde im Landesarchiv in Schleswig ist die nach aktuellem Stand älteste Urkunde für einen Hinweis auf jüdisches Leben auf dem Territorium des heutigen Schleswig-Holsteins.
Der Antrittsbesuch des Landesbeauftragten für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Gerhard Ulrich, war der Anlass für eine Recherche im Landesarchiv. Dessen Direktor Rainer Hering forschte im Online-Suchsystem des eigenen Archivs und stieß dabei auf einen Hinweis zu einer Urkunde.
Eine Urkunde in 52 Regalkilometern
Er machte sich auf den Weg ins Archiv und durchforstete die 52 Regalkilometer an Dokumenten aus der Geschichte des Landes. Was er dort fand, ist "eine kleine Sensation", so Hering. Denn in der Urkunde von 1424 aus Lauenburg (Kreis Herzogtum Lauenburg) ist von Juden und Christen die Rede.
Der Burgmann Heine Schack gelobt in der mit acht Siegeln beglaubigten Urkunde seiner Tochter, dem Knappen Hartwig von Plessen Mitgift und Brautschatz in Höhe von 230 Mark Pfennige zu zahlen. Das Besondere dabei: eine "Schadensklausel", in der Pfänder benannt werden, für die die ausstehende Summe bei christlichen oder jüdischen Geldverleihern aufgenommen werden kann.
Urkunde feiert diese Woche 600. Geburtstag
Am Donnerstag, den 1. Februar, ist das Dokument auf den Tag genau 600 Jahre alt. Bislang gingen Historiker davon aus, dass es erst seit 450 Jahren jüdisches Leben bei uns im Land gab. Die Habilitationsschrift von der Historikerin Bettina Goldberg galt bislang als Referenz zum jüdischen Leben in Schleswig-Holstein. Hering kontaktierte Goldberg. Sie kannte die Urkunde nicht, denn ihre Forschungen reichten lediglich bis ins 16. Jahrhundert zurück.
Mit dem Fund in Schleswig ist nun belegt, dass es schon deutlich früher jüdisches Leben, zumindest aber Handelsbeziehungen mit Juden gab. Heute wurde die Urkunde erstmals öffentlich präsentiert.